Donnerstag, 30. September 2010

1 MONAT!

Heute Morgen fuhr ich allein zur Schule. Ksjoscha hatte etwas Fieber bekommen und blieb deshalb zu Hause.
Als ich das Klassenzimmer betrat, sah man mich mit großen Augen an. „Wie, du allein? Wo ist Ksjoscha?“ Ich meinte sie sei krank und ich wäre allein gefahren. Man lobte mich für meine Leistung- dabei ist nun wirklich nichts dabei zum Trolleybus zu laufen, in die 1 einzusteigen und zur Schule zu fahren.

In Sport spielten wir wieder Volleyball. Der Sportlehrer ist wirklich nett. Er kann ein paar Brocken Deutsch und freut sich immer, wenn er diese in meiner Gegenwart aussprechen kann.
Ansonsten war es ein normaler, langweiliger Schultag.

Nach der Schule ging ich mit den beiden Koljas durch die Geschäfte bummeln. Meine Gastmutter hatte mich beauftragt, Brot, Pelmenis und Süßkram einkaufen zu gehen. Wir kauften Pelmenis und Brot. Es fehlte nur noch der Süßkram. Die beiden führten mich in ein Geschäft - ins Paradies. Ein kleiner Laden , welcher bis zur Decke mit russischem, schokoladigem Konfekt gespickt war. Ich machte große Augen und bat die Beiden mir zu verraten, welche die Leckersten seien. Die Beiden meinten, sie wissen nicht, was mir schmecke. Kolja (Mr. Galstuk - der mit der Krawatte… erinnert ihr euch?) Ging an die Kasse und sagte folgendes: „Hallo! Wir haben 45 Rubel. Bitte stellen sie uns eine Tüte mit leckerem Konfekt zusammen. Sie ist Ausländerin und weiss nicht, was ihr schmeckt.“ Ich lachte. Die Verkäuferin sah etwas erstaunt aus aber schaufelte fleißig das Konfekt in eine Tüte. Wir bezahlten und gingen zum Kino.
Da die halbe Klasse am Samstag ins Kino geht und keiner weiss, was wir eigentlich ansehen wollen, wollten wir das nun klären. Es endete in Unentschlossenheit zwischen einer Komödie und einem Dinosaurierfilm in 3D. Ich habe wieder eine neue Vokabel gelernt. Auf einem Kinoplakat war ein durchtrainierter Mann zu sehen. Ich fragte, was die Bezeichnung für einen solchen Muskelprotz sei und man antwortete mir: Kasatschok.
Wir traten hinaus auf die Straße und überlegten, was wir als nächstes machen. Wir liefen ein Stück und alberten rum. Ich lief in der Mitte. Es ist schon seltsam zwischen zwei Jungs zu laufen, welche beide mindestens 1,80m groß sind. Wir unterhielten uns unter anderem über den russischen Winter. Wie immer wurden die max. -15 /-20 °C des deutschen Winters lachend zur Kenntnis genommen. Mittlerweile sind hier übrigens Temperaturen zwischen 0°C am Morgen und max. 10°C am Nachmittag.
Mr. Galstuk schlug irgendwann vor, in einen Laden, an dem groß „Kinderwelt“ dran stand, hineinzugehen. Ich grinste, war allerdings neugierig. Wir gingen hinein. Drin geigelten wir mit rosa Plüschnilpferden und sonstigem Klimbim herum. Ich stelle hier offenbar eine Ausnahme dar. Kein Mädchen aus meiner Klasse boxt einen Jungen leicht an die Schulter, wenn er einen dämlichen Witz gerissen hat. Entspanntes Zusammensein. Nicht permanent auf Haare und Make-up achten, sondern nur Spaß haben. Solche Dinge eben. Die beiden scheinen das nicht gewohnt zu sein, aber durchaus sympathisch zu finden.
Gegen halb 4 machte ich mich allerdings auf den Weg zur Wohnung- Ksjoscha hatten den ganzen Tag noch nicht gegessen, weshalb ich dringend die Pelmeni abliefern musste.

Sascha öffnete mir die Wohnungstür. Ksjoscha ging es etwas besser. Wir kochten und aßen die Pelmeni und verputzen anschließend das Konfekt.

Dann war wieder Sport angesagt. Natascha (die, welche meinen Blog gelesen hat) hat beschlossen auch dieses Fitnessprogramm mitzumachen. Wir trafen uns vor dem Training, quatschten auf dem Weg zum Sportraum und betraten diesen.
Die Trainerin war sichtbar erfreut, dass ich noch mehr Kundschaft mitgebracht hatte. Sie wies Natascha ins Programm ein. Wieder eine Stunde Qualen – aber diesmal wurde ich nur einmal verbessert.

Als ich die Wohnung wieder betrat, hörte ich lautes Weinen. Dascha weinte und schrie wie am Spieß. Sie wollte zu ihrer Mama, die aber heute noch etwas länger arbeiten musste.
Da saßen wir drei nun und hatten keine Ahnung wie wir das bitterlich schreiende Kind beruhigen sollte. Wir riefen Ksjoschas Mutter an- in der Hoffnung sie könne Dascha beruhigen. Es klappte nicht. Erst als Daschas so herbeigesehnte Mami endlich da war, hörte sie auf zu schreien. Sascha war unterdessen schon aus Verzweiflung nach Hause geflüchtet. Daschas Mutter schimpfte mit Dascha es gäbe keinen Grund sich so aufzuführen- richtig so!
Anschließend überreichte ich eine Tafel Milkaschokolade und bedankte mich für den wundervollen ersten Monat in Cheboksary- in dieser Gastfamilie. Man freute sich sichtlich über die Worte und natürlich über die Schokolade- noch am selben Abend war sie aufgegessen.
Unfassbar- ich bin schon einen ganzen Monat hier. Ich habe mich mittlerweile wirklich eingelebt und Freunde gefunden. Alle sind sehr hilfsbereit. Egal neben wem ich in der Stunde sitze, ich kann immer nachfragen, was gerade aufgeschrieben wird, was das bedeutet usw. Ich bekomme hier so viel Unterstützung, werde überall mit einbezogen und erfahre so viel Freundlichkeit- ich kann gar nicht anders, als mich hier wohl zu fühlen.
Tja, da heute ein besonderer Tag für mich ist, nutze ich die Gelegenheit, um mich bei allein meinen Unterstützern zu bedanken- sowohl denen in Cheboksary als auch in der Heimat!
Und lieben Dank an das große Interesse der fleißigen Blogleser! Respekt an euch- schließlich schreibe ich ziemlich viel, ich kenne sogar welche, die sich irgendwann der Textflut ergeben haben und das Lesen abbrachen.

Also vielen Dank an euch alle!

Liebste Grüße aus Cheboksary!

Lotte

Tagesfazit: „Ich habe sehr viel erlebt in diesem Monat!“

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