Wenn man an einem Montagmorgen verpennt in die Schule kommt und mit den Worten „Guten Morgen Schönheit!“ begrüßt wird, dann ist das einer der besten Startmöglichkeiten in die Woche. Heute morgen war, wieder Begrüßungskomitee angesagt. Diesmal war Klasse 11 dran. Ich betrat im Halbschlaf das Eingangsfoyer und lächelte, weil ich das Komitee jedes mal witzig finde. Man rief mir im Chor ein: „GUTEN MORGEN!“ zu- und ein Kerl, welcher weiter am Rand stand ergänzte „…SCHÖNHEIT!“ Ich lächelte dankbar und eilte Ksjoscha hinterher, welche mich auf dem Weg zur ersten Stunde längst abgehängt hatte.
Die erste Stunde war Algebra- mittlerweile ist diese Sunde für mich zu einer Art Abschreibung verkommen. Ich versteh' nichts von den Aufgaben- zum einen weil ich nicht verstehe, was ich errechnen soll und zum anderen, weil ich nicht weiss wie ich etwas berechnen würde, wenn ich die Aufgabe verstünde.
In der Essenspause gab es wieder seltsam nackt aussehende Würstchen mit nicht identifizierbarem weißem Schleim dazu. Ich bevorzugte deshalb erneut Salat. Seda aß wieder eines der leckeren Milchbrötchen, welche noch mit Zucker bestreußelt sind. Ich fragte wie viel es koste. Sie antwortete: „5 Rubel“ Ich fragte erneut nach, denn ich war nicht sicher, ob ich richtig verstanden hatte. Doch auch auf Englisch und mit Pantomime blieben es umgerechnete 12 Cent. Da sag' ich doch mal „Hallo Pausenimbiss!“ Natürlich ist hier nicht alles so billig- der Rest in der Schulcafeteria ist ungefähr genauso überteuert, wie an jeder anderen Schule auch. Hier eine Zwischeninfo an meinen Vater, welcher sich seit Jahren fragt, ob es ein Wort für „Brötchen“ im Russischen gibt- ja gibt es. „Brötchen“ heißt „Bulotschka“.
Die Mädels und ich unterhielten uns wiedereinmal über den Winter in Cheboksary. Ich fragte ob es das so genannte „Sterngeflüster“ hier auch gäbe. „Sterngeflüster“ ist eine Erscheinung, welche nur bei sehr niedrigen Temperaturen auftritt. Wenn der Atem während des Ausatmens, beim Kontakt mit der Winterkälte gefriert und in Form kleiner Eiskristalle zu Boden fällt, so nennt man das „Sterngeflüster“. Eigentlich hatte ich kein „Ja!“ als Antwort erwartet, doch genau dieses wurde mir jetzt erwidert. Lisa sah mich an, lachte und rief: „Manchmal müsste man von deinem Gesicht einen Film drehen!“ In der Tat muss ich etwas erschrocken ausgesehen haben- zumindest war ich das. Ich finde die Vorstellung, dass mein Atem gefriert und ich ihn in der Hand halten kann seltsam. Der russische Winter macht mir sowieso etwas zu schaffen- schließlich hat der selbst Napoleon in die Flucht geschlagen!
In der Geografiestunde malte ich wieder etwas. Die Lehrerin redete und redete. Sie wusste, dass sie nur redete, um die Luft mit Kohlenstoffdioxid anzureichern und es war ihr egal- sie hatte ihre Pflicht getan. Immer wieder sagte sie im monotonen Tonfall: „Richtet eure Aufmerksamkeit auf...“ Doch niemand richtete seine Aufmerksamkeit auf irgendetwas und da konnte sie das noch so oft verlangen. Hier also mein Bild von meiner etwas andersartigen Prinzessin- sie ist mir persönlich sympathischer, als meine erste Stundenmalerei.
Wir verließen das Schulgebäude nach sieben Schulstunden. Es regnete. Na klasse. Wir eilten zum Trolleybus. An der Haltestelle wurde ich darauf hingewiesen mindestens einen Meter von der Fahrbahn Abstand zu nehmen. Ich verstand nicht gleich warum. Der Trolleybus kam. Es hatte sich erstaunlich viel Wasser am Fahrbahnrand gesammelt- und wie mir später auffiel auch in den Unebenheiten der Fahrbahn. Der Bus kam und sorgte für eine kleine Flutwelle von mindestens 1 Meter Höhe- jetzt war ich froh, Abstand genommen zu haben. Man muss hierbei erwähnen, dass es nicht aus Kannen gegossen hat- es regnete. Wir stiegen ein und fuhren zur Wohnung.
Heute musste ich wieder Wäsche waschen. Ich schnappte mir also das Waschmittel und las zum erstenmal die Verpackung. In kyrillischen Buchstaben stand da „Mif“ …besser „Mief“ ausgesprochen…das Waschmittel heißt also „Mief“. Na, wenn das nicht kontraproduktiv ist. Ich wusch meine Blusen und Pullover … hier ein lieber Gruß an die Waschmaschine zuhause und Mami, welche besagtes Maschinchen immer mit meiner Wäsche fütterte. Ganz ehrlich, ich vermisse diesen Luxus.
Als meine Gastmutter mit Dascha nach Hause kam, wurde ich zum Kochen mit eingespannt. Heute ist es 7 Jahre her, dass sich meine Gastmutter und ihr jetziger Mann kennen gelernt haben. Zur Feier des Tages gab es wieder Scharlottka. Aber mal ehrlich- typisch Frau…wer merkt sich ernsthaft mal den Tag an dem man sich das erste mal gesehen hat?! Nun ja, wir aßen zu Abend- wie immer zu viel. Nach dem Sandmann wurde ich von Dascha zum Vorlesen genötigt. Sie bestand darauf und meinte ich könne lesen, also solle ich es tun. Ich gab mich geschlagen und haspelte ihr ein Märchen vor, welches ein bisschen wie Schneewittchen ist. Anschließend legte ich einen Marathon hin, in welchem ich für drei Tage Blogeinträge nachholte und online stellte. Danach ging ich erschöpft ins Bett.
Tagesfazit: „Wenn es regnet, Abstand zur Fahrbahn halten!“
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