Freitag, 24. Dezember 2010

"Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen..."

Ich: „Wir schreiben jetzt einen Test?“
Mascha (Mädchen aus der 7. Klasse, welches in Algebra neben mir sitzt): „Ja…“
Ich in Gedanken: „Na gut…wäre nicht der erste unangekündigte Test…“
Mascha: „… das ist der angekündigte Test über den Unterrichtsstoff des halben Schuljahres.“
Ich. „WAS?!“ Da hab ich anscheinend mal nicht aufgepasst …
Die Lehrerin teilte die Arbeiten aus. Ich löste alle Aufgaben- was ja auch nicht besonders schwer ist in der 7. Klasse… vorrausgesetzt man versteht die Aufgabenstellung. Ich löste sogar die zwei Textaufgaben. Ich bin gespannt ob ich auch auf richtige Ergebnisse gekommen bin.
Anschließend Geschichte. Unterrichtstoff dieses Schuljahr: erster und zweiter Weltkrieg. Was für ein Thema- ihr könnt euch vorstellen wie “pudelwohl“ ich mich jede Stunde fühle. Diese Stunde hat die Lehrerin dem Unterrichtsstoff schon etwas voraus gegriffen und das Thema des zweiten Weltkrieges leicht angeschnitten, indem sie immer und immer wieder betonte, dass es einen Unterschied zwischen Deutschen und Faschisten gibt. Faschismus gab/gibt es auch in anderen Ländern- nicht nur in Deutschland, so sagte sie. Ich hätte die Frau knutschen können.

Im russischen Heim öffnete mir das Mütterchen die Tür. Dascha und Ksjoscha waren krank, weshalb das Mütterchen bei uns wohnte und sich um die Erkrankten kümmerte. Dascha sprang lachend durch die Wohnung und fiel mir quiekend um den Hals. Sie hatte 38 Grad Fieber und ihrer Aussage zu Folge auch Kopfschmerzen. Es ist mir ein Rätsel, wie man da so fidel herumspringen kann.
Meine Gastmutter kam am Abend wieder und erzählte, was ihr über die Amerikanerin, welche ebenfalls an meiner Schule ist, zu Ohren gekommen war: Sie rauche, trinke, käme spät in der Nacht erst nach Hause, schwänze die Schule und verkehre in überwiegend männlicher Begleitung. Na das ist doch mal eine wunderbare Art sein Land zu vertreten…
Meine Gastmutter sah mich an: „Ich werde auch häufig zu dir befragt – vor allem von der Direktorin.“
Mir blieb das Herz stehen. Hab ich was falsch gemacht? Ich sah meine Gastmutter fragend an. Sie erwiderte meinen Blick mit einem strahlenden Lächeln: „Bei dir kann ich antworten, dass du gut russisch sprichst, deine Hausaufgaben erledigst, immer höflich bist, zur Schule gehst, Hausarbeiten übernimmst und pünktlich zu Hause bist. Und wenn man mich dann mit großen Augen ansieht und fragt: Passt sie auch auf Dascha auf?, dann kann ich sagen: Ja!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das nenn' ich 'ne wunderbare Art sein Land zu vertreten, denn bis zu einem gewissen Punkt macht man das während eines Austauschjahres.

Am Mittwoch hatte mich meine Gastmutter eingeladen meine Freistunde in ihrer zweiten Klasse zu verbringen, da sie in „das Zimmer des Weihnachtsversprechens“ gehen würden. Bis dato hatte ich keine Ahnung, was das sein soll.
In der Pause vor dem Unterricht betrat ich also das Klassenzimmer. Ich hatte hier schon ein paar Unterrichtsstunden verbracht- man kannte mich also. Über 30 Kinderaugen waren auf mich gerichtet. Und dann stürzten mindestens 20 Kinder auf mich zu, um mich zu umarmen, begeistert meinen Namen zu kreischen und zu winken. Oha. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Freude über meine Anwesenheit ist immer noch nicht erblasst. Man winkt mir fröhlich zu, begrüßt mich oder brüllt: „HAAALLLOOO SCHAARRLOOOOTAA!!“ über den Korridor nur um mich zu begrüßen- und das in den verschiedensten Klassenstufen.
Da stand ich nun umringt von Kindern, welche schonungslos durcheinander auf mich einquatschten und mich löcherten. Ich sah mich um. Die Amerikanerin war auch da- natürlich, da sie Russisch in der 2. Klasse lernt. Sie grinste mich an und sagte auf Englisch: „Das ist normal.“ Wir unterhielten uns. Ich habe mich schon öfter mit ihr unterhalten und muss sagen, dass ich sie gar nicht unsympathisch finde, aber ihr Schwänzen und die Tatsache, das sie sich hier fast ausschließlich auf Englisch unterhält kann ich ebenfalls bestätigen.
Meine Gastmutter- oder besser gesagt: die Lehrerin betrat den Raum. Die vorher hektisch wuselnde Kinderschar war innerhalb eines kurzen Augenblicks mucksmäuschenstill und jedes Kind war an seinem Platz. Fasziniert verfolgte ich das Unterrichtsgeschehen und wie die Lehrerin die Klasse zu absoluter Disziplin gebracht hatte. Die Hausaufgaben wurden kontrolliert. Das Lesen eines Gedichtes sollte geübt werden. Die Amerikanerin und ich wurden aufgefordert laut zu lesen, nachdem zunächst einige der Kinder gelesen hatten. Anschließend wurde beurteilt, wer besser gelesen habe. Ich würde die Auswertung der Kinder mit einem „Gleichstand“ zusammenfassen. Jeha! Immerhin war der Text völlig neu für mich und die Amerikanerin hatte bereits einen Tag zum Üben Zeit gehabt. Übrigens muss man bei so was Ruhe bewahren, denn Kinder neigen zu schonungsloser Ehrlichkeit. Dies bedeutet in dem Fall, dass sie hemmungslos unsere Akzente bemängelten. Russisch mit amerikanischem Akzent ist übrigens sehr witzig anzuhören. :)

Wir gingen also in „das Zimmer des Weihnachtsversprechens“. Ein dunkler Raum- nur Kerzen erzeugten eine gemütliche Atmosphäre. Elftklässlerinnen standen in langen weißen Kleidern da und sollten Feen darstellen. Sie redeten uns auf liebevolle, feenhafte Weise ins Gewissen, besser zu lernen und immer artig zu sein. Jeder sollte sich etwas vornehmen, was er ändern wolle- z.B. immer brav auf Mami hören. Anschließend pusteten wir eine Kerze aus und besiegelten damit unser Versprechen der Besserung. Wirklich niedlich gemacht!

In der darauffolgenden Pause gab mir die Deutschlehrerin die Farbdrucke, um welche ich sie gebeten hatte und meinte, dass mein Poster bis Donnerstag fertig sein müsse. Na klasse. Und das konnte man mir nicht früher sagen? Ach mann… die Unorganisiertheit hier ist teilweise etwas nervig.
Um 14 Uhr wurde ich noch von der Musiklehrerin eingeladen das Weihnachtskonzert mitzuerleben. Es war ein wunderbares, kleines Konzert. Ein Chor sang russische und englische Weihnachtlieder und die Kinder der jüngeren Klassen spielten kurze Stücke. Das niedlichste war ein kleines Mädchen. Sie war ein Engel: lange, zu Locken frisierte, blonde Haare, große, grüne Augen und ein weißes Paar Flügel an ihrem weißen Kleidchen. Bezaubernde Erscheinung. Doch als sie ihr erlerntes Gedicht aufsagen wollte, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Zu niedlich war der Anblick. Ihre oberen Milchzähne waren ausgefallen und nur ein großer Schneidezahn war zu sehen. Dies machte die engelhafte Erscheinung zwar zunichte, aber die Liebenswürdigkeit vergrößerte es.
Nach der Schule wollte ich mich beeilen, denn ich musste noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen gehen, um das Poster verzieren zu können. Lena, ihr Freund und Gera (einer ihrer Bekannten aus der 11. Klasse) riefen mir hinterher, ich solle doch warten. Nach einem kurzen Wortwechsel schloss sich Gera meiner an und wir gingen in Richtung Haltestelle. Ich kannte ihn nur vom sehen. Er fragte mich allerhand Dinge: „Gefällt es dir hier? Wie lange bleibst du? Hast du Angst, wenn du hier allein unterwegs bist?“ Er scherzte etwas und meinte abschließend das ich gut russisch könne. Man verabschiedete sich. Ich betrat ein Geschäft.
Ksjoscha hatte mal fallen gelassen, dass sie gern Cola trinken würde und da sie aufgrund leichten Fiebers Ausgangsverbot hat, beschloss ich ihr eine kleine Freude zu machen und kaufte ihr welche. Eigentlich suchte ich noch Weihnachtsdekoration und Watte für das Poster, aber das gab es in dem Laden nicht.
Ich fuhr nach Hause und überraschte Ksjoscha mit der Cola. Sie freute sich sichtbar. Kaum angekommen, verließ ich schon wieder die Wohnung, da ich besagte Dekorationsartikel kaufen ging. Um ein Geschäft, welches Watte führt zu finden, musste ich mich durch zahlreiche Läden fragen , bis man mir schließlich sagte, dass es Watte nur in der Apotheke gäbe. Darauf wäre ich nie im Leben gekommen…schließlich findet man Watte in Deutschland in fast jedem Supermarkt.

Am Donnerstag stand ich um 6 auf, um eine Stunde eher zur Schule zu fahren und dort mein Plakat beenden zu können.
Wie seltsam. Ein fast leerer Trolleybus. Nur ein paar Menschen auf den Straßen. Stille.
Ich traf eine Lehrerin meiner Schule. Ihr kennt sie bereits. Sie war mit einer weiteren Freundin meiner Gastmutter bei uns zu Besuch gewesen.
Sie begrüßte mich fröhlich und ging mit mir zur Schule. Wir unterhielten uns auf dem Weg, wobei sie u.a. erstaunt fragte, was ich um die Uhrzeit auf dem Weg zur Schule mache.
7:10 Uhr war ich in der Schule. In Deutschland würde in 20 Minuten der Unterricht beginnen - hier steht man um die Uhrzeit gerade mal auf.
Ich werkelte an meinem Plakat und schaffte es, selbiges zur ersten Unterrichtsstunde fertigzustellen. Ich zeigte es der Deutschlehrerin- sie war begeistert. Gemeinsam brachten wir das Plakat in das Museum zum Thema „Weihnachten“, welches in der Bibliothek der Schule eingerichtet wurde. Hier ein Foto




Überschrieben ist das Plakat mit: Weihnachten in Deutschland
Hinter jedem Bild steht ein kleiner Text geschrieben. Die Texte habe ich zu den Themen Dekoration, Nikolaustag, Weihnachten allgemein, Advent, Adventskalender, Wunschzettel, Backen, Weihnachtsmarkt, Weihnachtsmann und Heilig Abend verfasst.
Auf die Watte habe ich ncoht rote und goldene Sterne angebracht.

In der Freistunde lud mich meine Klassenlehrerin ein, im Weihnachtsmuseum der Schule, einen Vortrag zu selbigem Thema anzuhören. Ich folgte ihrer Einladung.
Schüler hielten Vorträge über die Art Weihnachten zu feiern. Präsentiert wurde dabei Australien, England, Frankreich und Deutschland. Wusstet ihr, dass man in Deutschland den Weihnachtsbaum ausschließlich mit Äpfeln, Nüssen und Spielzeug schmückt? Man lernt doch nie aus ;-)
Anschließend hatte ich Physik. Doch an Stelle Physik sahen wir uns ein Märchen und My Fair Lady (in beiden Fällen von Schülern inszeniert) an. Vor allem My Fair Lady hat mich beeindruckt. Sehr gut gemacht- ich hab' direkt Lust bekommen es mir noch einmal anzusehen! Hier Bilder:



Fazit: "Bisher scheine ich hier einen guten Eindruck hinterlassen zu haben."

Hier ein paar Bilder der dekorierten Schule- schließlich ist hier bald Neujahrsfest.




С Новым Годом! Merry Christmas!
Neujahrsglückwünsche und eine Frohe Weihnacht, als große Plakate über dem Schuleingang.


Mehr Schmuck schien nicht auf den Neujahrsbaum (schließlich feiert man hier kein Weihnachten) draufgepasst zu haben....


Schneekönigin...


Gemütlicher Eingangsbereich der Schule.

In diesem Sinne wünsche ich allen eine frohe, besinnliche Weihnacht. Jetzt skype ich erstmal mit meiner Familie. :)

Ein frohes Fest!



An dieser Stelle noch ein besonderer Gruß an "Tante Pudel". Ich habe gehört, Du liest hier auch mit. (Die betreffende Person wird wissen, dass sie gemeint ist).

Herzlichen Glückwunsch zum 90. Geburtstag!

Sonntag, 19. Dezember 2010

Backe, backe Kuchen

Nach der Schule ging es am Samstag ins Restaurant- in das selbe, in welchem ich einst mit Schenja usbekisch essen war. Am Samstag feierten wir dort Lisas Geburtstag. Lisa gab eine Runde Sushi und Eis aus. Es war ein wunderbarer Nachmittag mit den Mädels. Auch hier gibt’s ein Bild zu sehen:
Natscha hasst Fotos...

Den ganzen Sonntag verbrachte ich damit, mir einen Text über Weihnachten in Deutschland aus den Fingern zu saugen und diesen zu übersetzen. Es ist wirklich nicht leicht, Gegenstände, welche es hier nicht zu geben scheint, (Räuchermännchen, Weihnachtsmarkt, Adventskalender usw.), zu übersetzen.
Meinen geschriebenen Text liess ich anschließend von Ksjoscha korrigieren. Wie immer: Grammatik richtig, aber formuliert wird es anders.

Den fertigen und überarbeiteten Text gab ich am Montag der Deutschlehrerin, damit sie überprüfen könne, ob er ihren Vorstellungen entspricht oder ob noch etwas abgeändert werden müsse. Sie nahm ihn entgegen und meinte in einer Stunde solle ich wieder kommen.
Nach vereinbarter Stunde erschien ich in ihrem Klassenzimmer- wie immer begrüßte sie mich mit: „Mein Sonnchen!“ und fuhr fort mit: „Komm rein! Ich habe deinen Text gelesen! Wirklich prima! Ich habe eine Kopie für mich gemacht- ich hoffe das ist in Ordnung?“ Ich bedankte mich und gestand, dass Ksjoscha geholfen habe. Sie lächelte und schien es für unwichtig zu empfinden.

Noch am selben Tag musste ich in Englisch eine kleine Präsentation zum Thema: „Mein Heimatort“ halten. Ein Klacks. Auf Englisch zehn Minuten über meinen Heimatort zu sprechen ist kein Problem. Ich arbeite mit Beamer, wodurch ich meine Präsentation mit Bildern unterstützen konnte. Nach Beendigung meiner Präsentation, sah mich meine Klasse mit großen Augen an. Meine Englischlehrerin meinte: „Wie im Märchen wohnst du da! Die niedlichen Häuschen und so viel Grün!“ Wo sie recht hat, hat sie recht! Je, länger ich hier lebe und jeden Tag Plattenbauten, mit meist grauer Fassade sehe, desto mehr wird mir bewusst, wie schön es in meiner Heimatstadt ist. Wie auch immer- meine Englischlehrerin schrieb mir eine große, geschwungene 5 ins Klassenbuch. Jeha!

Die Temperaturen haben sich mittlerweile bei minus 10°C eingependelt- es schneit oft, dennoch liegt nicht mehr als 20 cm Schnee. Ich höre in den Nachrichten vom Schneechaos in Deutschland und habe mich gleich mal bei Verwandten und Freunden erkundigt. Sogar Schneefrei! Das hätt´ ich auch gern, aber das gibt’s hier vor –35°C nicht. Apropos Winter: Die Winterbekleidung hier ist wirklich anders, als selbige in Deutschland. Es gibt die “normale“ Bekleidung - sprich: Jacke, Bommelmütze und Winterstiefel- und dann gibt es die hier üblichere Variante, welche folgendermaßen zu beschreiben ist:
- Frauen in Pelzmantel oder Jacken mit großem Pelzkragen (hat etwas von eleganten Wildkatzen, wenn sie in ihren Absatzstiefeln über das Eis schweben)
- Pelzmützen
- Glitzerschals
- Männer wie immer die schlichtere Ausgabe- kaum Unterschied zur “normalen“ Bekleidung

Ach und da wir grad bei Ungewöhnlichem sind. Mir ist vor kurzem aufgefallen, dass man hier keine Klassenarbeiten schreibt. Alle Noten sind gleichwertig- das macht das Lernen doch gleich viel entspannter. Es gibt keine Noten, welche den gesamten Notendurchschnitt hinunterziehen können- ergo: Zeugnis besser (theoretisch jedenfalls).
Auch in Geometrie noch eine kleine Besonderheit: Der rechte Winkel wird in Deutschland durch einen Bogen mit einem Punkt gekennzeichnet. Ich hätte nie gedacht, dass es eine andere Bezeichnung dafür gibt. Hier wird der rechte Winkel mit zwei Linien gekennzeichnet, sodass diese und der Winkel ein Quadrat ergeben. Aus Interesse fragte ich die Amerikanerin, wie es in ihrem Land wäre- sie malen auch Kästchen… zwar nebensächlich, aber dennoch interessant- meiner Meinung nach.

Am Donnerstag beschloss ich für meine Gastfamilie Weihnachtsplätzchen zu backen, denn schließlich kennt man diese Tradition hier nicht- geschweige denn wie lecker sie ist. Ich fragte meine Oma nach einem Plätzchenrezept, welches sie mir wunderbarerweise per Mail zukommen liess. Ein Hoch auf moderne Technik und meine Großeltern, welche mit ihr umgehen können!
Nun gut, ich buk also Plätzchen- das war allerdings kniffliger, als zunächst angenommen. In meinem russischen Heim liess sich kein Nudelholz und keine Ausstechformen auftreiben. Nudelholz ist noch beim Mütterchen und Ausstechformen wurden nie gebraucht. Zusammen mit Ksjoscha ging ich Zutaten einkaufen. Zunächst im kleinen Supermarkt und dann im Tante-Emma-Laden um die Ecke. In beiden Geschäften ließen sich keine bunten Streusel und keine Mandeln auftreiben (als Verzierung). Geht auch ohne.
Im russischen Heim begann ich dem Rezept meiner Oma Folge zu leisten. Ksjoscha machte zunächst begeistert mit, aber als Sascha uns besuchte, buk ich allein weiter.
Allen (Gastmutter, Dascha, Sascha, Ksjoscha, „Oma“) schmeckten die Plätzchen. Hier Bilder:

Engelchen, Tannenbäumchen, Sterne, Herzen und Kreise- ohne Ausstechformen..
Wenn man keine bunten Streußel o.ä. hat, muss man die Plätzchen eben anders anschaulich gestalten...

Für mein Weihnachtsplakat brauche ich Bilder. Diese habe ich schon- müssen nur noch ausgedruckt werden. Zuhause hätte ich jetzt auf ´nen Knopf gedrückt und meine Bilder entgegengenommen. Hier hat keiner einen Farbdrucker daheim (geschweige denn überhaupt einen Drucker). Nur einer in nächster Umgebung hat einen Farbdrucker: die Direktorin. Im Klartext: am Freitag würde ich das erste mal wirklich mit der Direktorin der Schule, an welcher ich seit fast 4 Monaten lerne, sprechen.
Zunächst musste ich erst mal herausfinden wo sich überhaupt das Direktorat befindet. Ich hatte nicht im geringsten Lust mit dem unsympathischen Menschen auch nur irgendeine Art der Konversation zu führen. Ich liess meine Beziehungen spielen, schließlich musste ich mir was einfallen lassen, denn ich brauche die Farbdrucke und möchte dennoch einen guten Eindruck hinterlassen. (Die Amerikanerin hat es sich bereits mit der Direktorin verscherzt. Die Direktorin kann sie nicht ausstehen und macht daraus kein Geheimnis) Ich fragte zunächst Ksjoscha, ob sie mich nicht begleiten würde, doch sie lehnte ab. Sie ist wirklich eine wunderbare Gastschwester und hilft immer, wenn ich sie um etwas bitte, aber in die Höhle des Löwen würde sie mich nicht begleiten - verständlich. Sie meinte ich solle Sascha fragen, denn schließlich seien seine Mutter und besagte Person befreundet und Sascha hätte somit mehr als nur einen Stein im Brett bei ihr.
Ich suchte Sascha in der darauf folgenden Pause auf und überfiel ihn mit einem flehenden Schwall an Worten und Hundeblick. Seine Antwort: „Klar.“ Na das ging ja einfach!
In der nächsten Pause standen wir vor dem Direktorat und warteten- wir hatten bereits geklopft, aber die Person war beschäftigt. Ksjoscha und Lera kamen vorbei und warteten mit uns. Allesamt quatschte ich mit einem Schwall aus Worten zu von „Schwarzweißdrucke sind auch in Ordnung!“ bis „Ich will noch nicht sterben!“
Meine Gastmutter kam vorbei (ist ja Lehrerin an unserer Schule). Sie öffnete die Pforte zur Höhle, wechselte ein paar Worte mit dem Löwen und schob mich anschließend mit den Worten: „Das ist die Deutsche, welche bei uns lebt.“ hinein. Rumms. Tür zu. Allein. Na das lief aber anders, als geplant.
Die Direktorin sah von oben auf mich herab: „Was ist geschehen?“
ich: „Nichts. Ich wollte nur fragen, ob ich farbig drucken dürfte?“
Sie scannte mich prüfend und erwiderte schließlich, mit einer aufgesetzten Miene des Bedauerns: „Leider ist der Drucker kaputt. Er wird bald repariert. Ist das alles?“
Ich: „Ja- wie schade. Dennoch danke. Auf Widersehen.“ In Gedanken hoffte ich, das besagtes Wiedersehen nicht so bald eintreffen würde.
Als ich die Tür hinter mir schloss und einige Schritte mit meinen Freunden gegangen war, rief ich erleichtert: „Ich lebe! Ich lebe!“ Das sorgte natürlich für Gelächter. Farbkopien hatte ich immer noch nicht. Aber ein Weihnachtsplakat ohne Farben, wie rot, gold und grün geht doch nun wirklich nicht…

Ebenfalls ein Tag, welchen ich so schnell nicht vergessen werde, war Samstag. Denn ich bekam meine erste Note in mein Hausaufgabenheft geschrieben. Mündliche- oder Stundennoten werden dort in eine spezielle Spalte eingetragen und vom Lehrer signiert. Ich sagte die Newtonschen Gesetzte, ein paar Formeln und die Darstellung dieser Gesetzte mit Vektoren auf. In der Pause zuvor hatte ich alle um den Verstand gebracht, da ich wie eine Irre alle Gesetzte vor mich hin brabbelte. Ksjoscha meinte nur grinsend: „Wenn du was vergisst, sagst du einfach weiter auf Deutsch auf und fängst an über das Wetter zu quatschen- fällt sowieso keinem auf.“ Na, zum Glück war das nicht nötig, denn ich bekam eine vier, weil ich nur zwei der 3 Gesetze auswendig gelernt hatte- alles andere war richtig. (Übrigens ist das in Deutschland Stoff der 11. Klasse, also gänzlich Neuland für mich) Jeha!
Nach der Schule besuchten wir Ksjoschas Vater und die Gutmütige (andere Oma). Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Angefangen bei den Vorteilen mehrere Sprachen zu können und aufhörend bei dem Glauben an Übernatürliches- speziell um Nostradamus, einen Mann, welcher verschiedene Dinge vorhersagte, welche wirklich eintraten. Ihr könnt den Begriff ja mal googeln.
Am späten Abend rief ich meine Mails ab. Mein Vater sendet Grüße und Bilder aus meiner im Schnee versinkenden Heimatstadt- wie ungewohnt. Und da wir grad wieder mal beim Wetter sind: die Temperaturen sind mittlerweile wieder auf –17 abgesunken, aber von solchen Schneebergen, wie bei euch bin ich hier noch weit entfernt. Zumal der Schnee hier von den Straßen mittels kleiner Laster weggekarrt wird.

Liebste Grüße aus Tscheboksary


Fazit: „Seht euch um! Ihr lebt wie im Märchen!“


Ein besonderer Gruß geht an meinen Cousin Valentin, welcher am 18.12. Geburtstag hatte. Alles Gute, jetzt bist du wieder ein Jahr näher an der Rente. :D

Freitag, 10. Dezember 2010

Advent, Advent, kein Lichtlein brennt...

Am Samstag konnte ich mal wieder ausschlafen. Zumindest theoretisch, denn natürlcih war Dascha auch an diesem Morgen nicht gewillt dem Wort „Stille“ ,und dessen Umsetzung, weitere Beachtung zu schenken.
Statt Schule würden wir an diesem Tag in das Ballett: „der Nussknacker“ von Tschaikowski gehen. (auf Russisch übrigens: „Schtschelkuntschik“) Es wäre nicht mein erster Besuch in einem Ballett- aber mein erster in einem russischen.
Ksjoscha und ich fuhren zum Theater. Nach dem Ertönen der dritten Glocke begann das Stück. Dennoch kehrte keine Ruhe im Saal ein- nun gut, das ist normal, wenn ein Saal voller Schüler ist… das gibt sich meist innerhalb von 5 Minuten.
Nach einer halben Stunde war ich wirklich geschockt. Niemand achtete auf die Tänzer- die Lautstärke der Schüler war teilweise lauter als das Orchester! Ich sah mich um und bemerkte:
- Quatschende
- Essende
- Musik Hörende
- Sogar im Internet Surfende, dank Mininotebook!
Und als jemand „Ey, heißer Typ!“ dem Hauptdarsteller zurief war das Fass zum überlaufen voll. Doch es ging noch schlimmer: Als der Vorhang fiel, stand ein Großteil der Schüler bereits auf, um hinaus zu gehen- ohne Applaus!! Kinogeneration…
Im Anschluss fragten mich Ksjoscha und ein paar andere wie mir denn das russische Ballett gefallen hätte. Ich schrie fast: „Das kann doch nicht euer Ernst sein?! DAS war kein Theaterbesuch! Das war…“ Und dann fluchte ich etwas und machte meinem Schock Luft. Ihnen konnte ich das sagen, denn sie waren unter den Wenigen, welche sich zivilisiert verhalten hatten. Ksjoscha lachte und erwiderte ihren Standartsatz, welchen sie häufiger sagt: „Das ist eben Russland.“



Ein Foto von Ksjoscha im Theater...




Ich - etwas verkrampft, da ich leicht geschockt war- Natascha rechts im Bild.

Und wenn Andere wärend des Stückes fotografieren, dann frag ich auch nach, ob ich die Bilder haben könnte :)
Der "heiße Kerl" alias Nussknacker...


Im russischen Heim waren die Vorbereitungen für Ksjoschas Geburtstagsfeier bereits im vollen Gange, als wir ankamen. Kurz darauf kamen auch schon die Gäste- Verwandtschaft. Wieder wurde viel gegessen und auf das Wohl des Geburtstagskindes angestoßen. Ksjoscha bekam Geld geschenkt- ausschließlich. Natürlich ist Geld schenken besser, als Unerwünschtes, aber dennoch etwas einfallslos finde ich das schon. Sogar ihre Freundinnen hatten ihr (bis auf ein paar Ausnahmen) Geld geschenkt.
Meine Gastmutter hatte einen großen Brief für mich abgeholt. Von meinen Großeltern Mütterlicherseits. Sie schickten drei Weihnachtskalender und einen Brief. Ich verteilte die Kalender an die Kinder der Familie und erklärte den seltsamen Gegenstand. Als Ksjoscha verstand, dass nun 24 Tage lang jeden Morgen Schokolade auf sie warten würde, sprang sie fröhlich durch die Wohnung (sie ist fast genau so verrückt nach Schokolade wie ich). Ksjoscha zeigte ihrer Mutter freudestrahlend den Kalender und fragte: „Darf ich da jetzt ein Türchen öffnen?“ Ich meinte: „Ja!“ Ihre Augen leuchteten, doch dann sah sie mich an: „Wie?“ Ich lachte. Es ist so ungewöhnlich, dass jemand nicht weiss, wie man die Türchen eines Adventskalenders öffnet.
Ich freue mich riesig über den Adventskalender! Ein bisschen Weihnachtsstimmung im russischen Heim. Vielen Dank!



Nikolaustag…zumindest in Deutschland… leere Stiefel an einem 6. Dezember hatte ich nicht, seit ich denken kann.
Am diesem Montag bekam ich zwei vieren! Und das auch noch auf einen im Unterricht selbständig verfassten Text- gänzlich ohne Hilfe! Jeha! Benotet wurde Inhalt und Grammatik der anzufertigenden Portraitbeschreibung des Gemäldes: „Das Mädchen mit den Pfirsichen“

Meine Hochgefühle in Sachen Russischunterricht wurden schon am Mittwoch zu Fall gebracht. Erinnert ihr euch noch, dass wir mal ein Märchen „Kindergarten für Pinguine“ schreiben sollten? Sie hat mein Märchen nicht zensiert- nicht mal „angesehen“ drunter geschrieben, wie es eigentlich üblich ist, wenn der Text nicht zensiert wird. Nichts. Ich weiss nicht einmal, ob sie mein Werk von 1 Stunde Arbeit überhaupt gelesen hat… :(
Nach der Schule gingen Ksjoscha und ich in ein nahegelegenes Einkaufszentrum, um Geschenke (u.a. Neujahr) zu besorgen. Wir kauften zunächst ein Geschenk für Lisa, welche am Montag Geburtstag hatte und uns für Samstag zu sich einlädt. Anschließend wollte ich Geld abheben. Alles wie immer. Karte wieder in der Hand- aber Geld ist wo? Leichte Panik. Ich warte ein paar Minuten- vielleicht braucht der Automat nur länger… Schließlich fragen Ksjoscha und ich einen Angestellten, was nun zu tu sei. Er meinte wir sollten die Servicehotline anrufen. Wir riefen an. Wir bekamen den furchtbar nützlichen Tipp uns an die Bank zu wenden. Eine deutsche Bank ist hier allerdings unauffindbar- was meine Besorgnis über den Geldverlust vergrößerte. Wir beschlossen die Shoppingtour abzubrechen und nach Hause zu fahren. Ich schrieb eine Mail an meinen Vater, in welcher ich um Rat fragte.

Ksjoscha und ich hatten am Donnerstag Grund zur Freude. Wir erwischten einen Trolleybus, der so leer war, dass wir sogar einen Sitzplatz bekamen! An einem gewöhnlichen Wochentag, zur Rush-hour grenzt das an ein Wunder. Allerdings kamen wir kurz darauf in einen Stau… in dem wir 30min standen, bis der Trolleybus allmählich wieder loszuckelte. Ksjoscha und ich sahen uns an: „Na dann fällt eben die erste Stunde aus!“ und lachten- schließlich bringt Stress machen in solch einer Situation auch nichts. Zur Krönung rief die Fahrkartenkontrolleurin nun: „Dieser Bus fährt nur bis zum Bahnhof! Nur bis zum Bahnhof!“ Meine Gastschwester und ich lachten erneut.
Am Bahnhof steigen wir aus- mittlerweile war es schon 8:45Uhr- die erste Stunde begann also vor 15 Minuten…wir nahmen es gelassen. Aus einem uns unerklärlichen Grund stiegen alle Passagiere des Trolleybusses, welche zuvor mit uns ausgestiegen waren, wieder ein. Da standen wir nun und sahen irritiert zu, wie der Bus die Türen schloss und wegfuhr- was uns wieder zum Lachen brachte. Wenn alles Mist (pardon!) ist- einfach lachen!
Als wir das letzte Stück von der Haltestelle zur Schule liefen, lief uns einer von Ksjoschas Freunden hinterher- auch er war in den Stau gekommen und hatte die erste Stunde verpasst. Zu dritt gingen wir zur Schule. Dort saß Natascha, welcher das selbe wiederfahren ist. Wir setzten uns auf die Bänke im Eingangsbereich der Schule und beschlossen wegen der restlichen 10 Minuten nicht in den Unterricht zu gehen. Aber aller „guten“ Dinge sind drei- fehlte also noch ein unglückliches Ereignis. Und da kam es auch schon: die Direktorin. Sie ist erst neu im Amt und hat keinen guten Ruf. Sie unterrichtet nicht, sondern nimmt sich die Freiheit nur Direktorin zu sein, hat Lieblingslehrer, welche sie in Belangen - wie z.B.: Urlaubstage- bevorteilt, man munkelt sie sei bestechlich und ist im allgemeinen unqualifiziert für den Posten einer Direktorin. Das bemerkte ich selbst, denn sie hieß mich nicht einmal an der Schule willkommen. Erst im zweiten Monat, welchen ich hier verbrachte sah ich sie mal flüchtig auf dem Flur und Natascha raunte zu mir: „Das ist die Direktorin.“
Da saßen wir nun zu viert und waren ihr hilflos ausgeliefert.
Sie: „Nanu?! Wieso sitzt ihr hier?“
Natascha: „Wir sind in den Stau gekommen und nun warten wir auf den Anfang der zweiten Stunde.“
Die Direktorin sah auf die Uhr- fünf Minuten bis Pause- und richtete ihren durchbohrenden Blick auf den Jungen, welcher mit uns zur Schule gelaufen war.
Sie: „Welche Stunde?“
Er: „Englisch.“
Sie: „Na dann! Hopp! Hopp! Wenigstens die Hausaufgaben kannst du noch aufschreiben! Los!“
Er ging irritiert von dannen.
Sie: „Etwas schneller!“
Er flitze zur nächsten Treppe und von da vermutlich in die Sporthalle…ich kann mir nicht vorstellen , dass er wirklich zum Unterricht gegangen ist.
Nun sah sie uns drei Mädels an. Ich hatte keine Lust auf Geometrie- auch nicht für 5 Minuten.
Sie: „Welche Stunde?“
Ich erwiderte blitzschnell: „Sport!“ in der Hoffnung sie würde es als unwichtig empfinden und uns sitzen lassen.
Zu unserem Glück verwickelte sie eine Lehrerin in ein Gespräch.
Ich fragte Ksjoscha: „Sagmal…weiß sie überhaupt, dass ich Ausländerin bin??“
Ksjoscha grinste: „Keine Ahnung“…es scheint, als wüsste sie es nicht…“
Das spricht doch mal für Qualitäten einer Direktorin, wenn sie nicht einmal weiß, wer Gastschüler ist…

Am Nachmittag rief ich meine Mails ab. Mein Vater hatte geantwortet- es sei nichts abgebucht worden – alles in bester Ordnung. Huuuu, Schwein gehabt!

Freitag traf ich die Deutschlehrerin, welche mich gleich mal beauftragte, ein Plakat zum Thema: „Weihnachten in Deutschland“ anzufertigen. Als ob es nicht schon reichen würde, dass ich jedem zweiten von deutscher Weihnacht erzählen muss und dass ich es wirklich sehr vermisse… Ksjoscha hat sich ein paar Bilder von weihnachtlich geschmückten Städtchen, Weihnachtsmärkten usw. angesehen und meinte: „Ooooh! Wie im Märchen!“ Also an alle, welchen Weihnachten zum Hals raushängt- ihr wisst das Märchen nicht zu schätzen. Jeder, mit welchem ich hier gesprochen habe, würde sofort Weihnachten feiern wollen.

Fazit: „Ich vermisse Weihnachten.“
Liebste Grüße aus dem unweihnachtlichen Tscheboksary
Lotte
Ein winterliches Foto mit dem Kirchgebäude, welches mich in seinen Bann gezogen hat...


PS.: Was das Wetter betrifft: Im Laufe der Woche wurde es allmählich wärmer. Am Freitag sogar Tauwetter bei Temperaturen um 0°C.

Donnerstag, 2. Dezember 2010

frostig erstrahlendes Gold...

„Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ stand am Freitag auf dem Programm. Der Film war erst kürzlich in die Kinos gekommen und veranlasste uns besagten Ort aufzusuchen.
Zuvor lernte ich extra Vokabeln wie: Flohpulver, Zauberstab, Hermine (auf russisch Germione), Horkrox, Todesser und, und, und- schließlich sollte mein Verständnis nicht an diesen alltagstuntypischen Vokabeln scheitern.
Lera, Ksjoscha, Lisa und ich sahen uns also den Film an.
Ein wunderbarer Film- zumal ich die Handlung verstanden habe- sogar Witze habe ich diesmal verstehen können! Einen Lerneffekt hatte die Sache auch, denn ich glaube ich werde für meinen Lebtag nicht vergessen, dass „Todesser“ „poschirateli smerti“ auf russisch heißen…wann auch immer ich diese Vokabel gebrauchen werde…

Ksjoscha und ich besuchten am Samstag ihre Oma, welche ich bisher noch nicht kennen gelernt habe (die Mutter von Ksjoschas Vater). Sie wohnt allein in einer Wohnung, welche sich über der Wohnung von Ksjoschas Vater befindet. Sie ist eine kleine, gutmütige und fitte Frau, welche sich sehr über unseren Besuch freute.
Zunächst unterhielten sich meine Gastschwester und sie über kürzlich geschehene Ereignisse, doch schließlich stellte sie die, von mir bereits erwartete, Frage: „Wie gefällt es dir denn bei uns in Tscheboksary? Wie gefällt dir Russland?“ Ich erwiderte (wie immer): „Es gefällt mir hier sehr gut und ich liebe Russland. Es ist schwer zu erklären warum, aber es ist so.“ Ihre Augen vergrößerten sich. Staunend sah sie Ksjoscha an: „Die kann aber gut russisch!“ Ksjoscha und ich grinsten uns an. Ich erwiderte begründend: „Immerhin lebe ich fast 3 Monate hier, da sollte das auch so sein!“ Sie lächelte und begann uns von früheren Zeiten zu erzählen und Fotos zu zeigen.
Nach etwa einer Stunde verließen wir „die Gutmütige“ und gingen die Treppe hinunter zur Wohnung ihres Sohnes- Ksjoschas Vater. Mit ihm fuhren wir zur „Mega Moll“, um für Ksjoscha den langersehnten Fotoapparat, anlässlich ihres Geburtstages am Montag, zu kaufen. Allerdings fuhren wir nicht in irgend einem Transportmittel zu besagtem Einkaufszentrum- wir fuhren in einem Auto! Oh, unbeschreiblich langvermisster Luxus! Oh, wunderbares Schnurren des Motors und komfortable Sitzmöglichkeit! Wie habe ich euch vermisst! Nein, mal ganz im Ernst: Ein Auto ist wunderbarer Luxus- wie immer erst dann erkannt, wenn er durch Abwesenheit glänzt.
Er kaufte ihr einen roten Fotoapparat für ca. 100 Euro und dann noch Fotochip… irgendwie ein sehr kostspieliges Geburtstagsgeschenk…oder nicht?

Der Sonntag war vollgestopft mit Hausaufgaben. Vier kleine Aufsätze sollten in englisch geschrieben werden und ein Text in russisch (zum Thema: „Blick aus dem Fenster an einem anderen Ort). Während ich brav vor mich hin schriebselte, ging meine Gastfamilie eine neue Deckenlampe für das Wohnzimmer einkaufen.


Wir schreiben den 29.11.2010 – 0:00 Uhr- ich bin wach und das nicht, weil ich schlafen langweilig finde, sondern um Ksjoscha zum Geburttag zu gratulieren.
Ihr Geburtstag ist am 29. und sie wurde 16 Jahre alt. An dieser Stelle erfahrt auch ihr endlich, welches Geschenk ich damals zusammen mit Natascha in der „Mega Moll“ kaufte. Eine Kette. Ksjoscha hatte sich diese eigentlich kaufen wollen als wir mal shoppen waren, aber sie investierte ihr Geld lieber in einen warmen Pulli. Als sie ein anderes mal besagtes Schmuckstück kaufen wollte, gab es die Kette nicht mehr- zum Glück ;-). Tja, eben nur der frühe Vogel fängt den Wurm und ich in dem Fall eine begeisterte Umarmung. Als ich dann noch eine Schachtel „I love Milka“ (noch aus Deutschland) hervorzauberte, kreierte ich - glaube ich - einen der schönsten Gründe mitten in der Nacht geweckt zu werden.
Am Morgen gratulierten ihr Mutter und Schwester. Die richtige Feier würde am Samstag stattfinden.
Sascha besuchte Ksjoscha an diesem besonderen Morgen- er schenkte einen goldenen Kettenanhänger und einen riesigen Blumenstrauß. Sie fuhren gemeinsam zur Schule, während ich mir verpennt und im Schlafanzug einen heißen Tee eingoss- Montags habe ich eine Stunde später.
Ich stapfte durch den Schnee und beobachtete fasziniert Frauen in kurzen Röcken und Absatzstiefeln, wie sie über das Glatteis und die furchtbar unebenen Wege schwebten, als wäre es das Leichteste von der Welt. Abgeseh'n davon: -10°C und Rock??!
In der Schule begrüßte mich grinsend Nastja (mit welcher ich einst Scharlottka buk). Sie meinte: "Mein Bruder hatte gestern Geburtstag und hat viel Süßes geschenkt bekommen. Ich soll dir „Rulada“ geben.“ Rulada ist das göttliche, schokoladige tschuwaschische Konfekt, welches ich zum Fressen gern habe- und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bedankte mich und ließ Geburtstagsgrüße ausrichten. Es ist faszinierend, wie gastfreundlich die Menschen hier sind - schließlich kennt mich Nastjas Bruder nicht einmal. Nastja hat nur erzählt, dass ich „Rulada“ mag.

Seit etwas mehr als einer Woche ist nun Winter bei mir in Tscheboksary. Nur etwas mehr als eine Woche brauchte es, damit es –20°C kalt wird!
Ksjoscha und ich stapften zum Trolleybus. An der 10 Minuten Fußmarsch entfernten Haltestelle machte sie mich auf etwas aufmerksam. Weiße Haare. Durch den Feuchtigkeitsanteil im menschlichen Atem frosten die Haare an (eine Art Raureif), wenn man normal atmet und der Atem dabei auf die Haare trifft. Auch mein Schal war etwas weiß an der Stelle, an welcher ihn mein Atem streift.
Im Trolleybus die nächste Überraschung. Diesmal keine beschlagenen Scheiben oder ein paar Eisblümchen, nein- zugefroren! Der Bus bildet damit nun eine geschlossene, zugestopfte Kapsel, von deren Gedränge man sich nicht einmal mehr durch den Blick auf die Straße ablenken kann. Dennoch bleibt der Platz am hinteren Fenster der Kapsel mein Lieblingsplatz. Die Struktur der weißen, undurchsichtigen Eisblumen, welche das ganze Fenster bedeckt, ist faszinierend…. Und unbeschreiblich schön, wenn die Morgensonne sie in einem goldenem Licht erstrahlen lassen- es hat etwas von frostig erstrahlendem Gold.

Ich in Winterkleidung....aufgrund der Temperaturen erscheint mein Grinsen etwas erfroren...


Nach der Schule lud Ksjoscha ein paar Freunde ins Kino ein (zur Feier ihres Geburtstages). Der neue Kinofilm „Rapunzel“ stand auf dem Programm. Ich verstand wieder die Handlung des Filmes- wenn natürlich nicht jedes Gespräch im Einzelnen.
Anschließend gingen wir ins Mc Donalds. Wir nahmen den kürzeren Weg- am Ufer der Wolga. Wir hätten es nicht tun sollen. Der Wind wehte heftig, Die Schneeflocken fielen nicht länger senkrecht, sondern waagerecht und peitschten ins Gesicht. Mit den Schals ums Gesicht gewickelt stapften wir voran. Timur meinte irgendwann: „Na, wie gefällt dir unser strenger, russischer Winter?“ Ich dachte an den deutschen Winter… Schnee fällt und hüllt alles in ein weißes Kleid aus Stille…hellerleuchtete Vorgartentännchen, geschmückte Fenster… Aber im Windschatten der Hochhäuser hier stürmt es nicht so sehr und ist damit durchaus ertragbar.


Am Mittwoch hätte ich in Deutschland mein erstes Adventskalender-Türchen freudestrahlend öffnen können. Aber ich bin nun mal in Russland, weshalb mir stattdessen meine Russischlehrerin zum Erlebnis des russischen Winters gratulierte. Ganz am Rande: Temperatur am Mittwoch: -24°C
Meine Algebralehrerin erkundigte sich am Donnerstag besorgt nach meinem Befinden, aufgrund der niedrigen Temperaturen. Aber ich bin stolzer Besitzer von warmen Stiefeln und einer dicken Jacke- nur im Gesicht ist die Kälte schmerzlich spürbar.
In der Schule lassen jetzt einige sogar ihre Jacken an- wenn auch geöffnet. Ich gehöre –noch- nicht zu diesen.

Fazit: „Meine gekaufte Kleidung hält, was sie verspricht- Temperaturen bis –24°C sind schon mal kein Problem.“


Hier noch ein zugefrorenes Fenster in der Schule ( nur selten sind die Fenster zugefroren- wenn überhaupt dann in den kalten Korridoren)


Mittwoch, 1. Dezember 2010

Wo befindet sich Charlotte eigentlich?

Heute ein Informations-Beitrag für alle interessierten Blog-Leser vom deutschen Support-Team.

Immer wieder wurde in den letzten Monaten gefragt: „Wo ist denn Charlotte nun eigentlich genau?“. Meist wurde die Antwort kommentiert mit: „Oh Gott, sooo weit weg!“

Irgendwie verwundert das schon etwas, denn USA oder Neuseeland – als klassische Austauschländer bekannt – erzeugen solche Verwunderung seltener, obwohl die Entfernung deutlich größer ist.

Wie kommt es, dass Städte mit 500.000 Einwohnern am größten Fluss Europas weniger bekannt sind, als z.B. Palermo (Einwohnermäßig etwas größer, aber fast genau so weit weg)?

Für alle, die es genau wissen wollen, ein kleines Experiment:
- Europa-Karte nehmen
- Zirkel in Berlin einstechen
- Zirkel bis Gibraltar aufziehen
- Mit dem Zirkel einen Kreis ziehen

Dieser Kreis hat einen ungefähren Radius von 2900 km. Dort, wo der Kreis die Wolga schneidet, liegt Tscheboksary. Eigentlich ganz einfach.



Fazit: Die Horizonterweiterung findet nicht nur beim Austauschschüler selbst statt.