Donnerstag, 30. September 2010

1 MONAT!

Heute Morgen fuhr ich allein zur Schule. Ksjoscha hatte etwas Fieber bekommen und blieb deshalb zu Hause.
Als ich das Klassenzimmer betrat, sah man mich mit großen Augen an. „Wie, du allein? Wo ist Ksjoscha?“ Ich meinte sie sei krank und ich wäre allein gefahren. Man lobte mich für meine Leistung- dabei ist nun wirklich nichts dabei zum Trolleybus zu laufen, in die 1 einzusteigen und zur Schule zu fahren.

In Sport spielten wir wieder Volleyball. Der Sportlehrer ist wirklich nett. Er kann ein paar Brocken Deutsch und freut sich immer, wenn er diese in meiner Gegenwart aussprechen kann.
Ansonsten war es ein normaler, langweiliger Schultag.

Nach der Schule ging ich mit den beiden Koljas durch die Geschäfte bummeln. Meine Gastmutter hatte mich beauftragt, Brot, Pelmenis und Süßkram einkaufen zu gehen. Wir kauften Pelmenis und Brot. Es fehlte nur noch der Süßkram. Die beiden führten mich in ein Geschäft - ins Paradies. Ein kleiner Laden , welcher bis zur Decke mit russischem, schokoladigem Konfekt gespickt war. Ich machte große Augen und bat die Beiden mir zu verraten, welche die Leckersten seien. Die Beiden meinten, sie wissen nicht, was mir schmecke. Kolja (Mr. Galstuk - der mit der Krawatte… erinnert ihr euch?) Ging an die Kasse und sagte folgendes: „Hallo! Wir haben 45 Rubel. Bitte stellen sie uns eine Tüte mit leckerem Konfekt zusammen. Sie ist Ausländerin und weiss nicht, was ihr schmeckt.“ Ich lachte. Die Verkäuferin sah etwas erstaunt aus aber schaufelte fleißig das Konfekt in eine Tüte. Wir bezahlten und gingen zum Kino.
Da die halbe Klasse am Samstag ins Kino geht und keiner weiss, was wir eigentlich ansehen wollen, wollten wir das nun klären. Es endete in Unentschlossenheit zwischen einer Komödie und einem Dinosaurierfilm in 3D. Ich habe wieder eine neue Vokabel gelernt. Auf einem Kinoplakat war ein durchtrainierter Mann zu sehen. Ich fragte, was die Bezeichnung für einen solchen Muskelprotz sei und man antwortete mir: Kasatschok.
Wir traten hinaus auf die Straße und überlegten, was wir als nächstes machen. Wir liefen ein Stück und alberten rum. Ich lief in der Mitte. Es ist schon seltsam zwischen zwei Jungs zu laufen, welche beide mindestens 1,80m groß sind. Wir unterhielten uns unter anderem über den russischen Winter. Wie immer wurden die max. -15 /-20 °C des deutschen Winters lachend zur Kenntnis genommen. Mittlerweile sind hier übrigens Temperaturen zwischen 0°C am Morgen und max. 10°C am Nachmittag.
Mr. Galstuk schlug irgendwann vor, in einen Laden, an dem groß „Kinderwelt“ dran stand, hineinzugehen. Ich grinste, war allerdings neugierig. Wir gingen hinein. Drin geigelten wir mit rosa Plüschnilpferden und sonstigem Klimbim herum. Ich stelle hier offenbar eine Ausnahme dar. Kein Mädchen aus meiner Klasse boxt einen Jungen leicht an die Schulter, wenn er einen dämlichen Witz gerissen hat. Entspanntes Zusammensein. Nicht permanent auf Haare und Make-up achten, sondern nur Spaß haben. Solche Dinge eben. Die beiden scheinen das nicht gewohnt zu sein, aber durchaus sympathisch zu finden.
Gegen halb 4 machte ich mich allerdings auf den Weg zur Wohnung- Ksjoscha hatten den ganzen Tag noch nicht gegessen, weshalb ich dringend die Pelmeni abliefern musste.

Sascha öffnete mir die Wohnungstür. Ksjoscha ging es etwas besser. Wir kochten und aßen die Pelmeni und verputzen anschließend das Konfekt.

Dann war wieder Sport angesagt. Natascha (die, welche meinen Blog gelesen hat) hat beschlossen auch dieses Fitnessprogramm mitzumachen. Wir trafen uns vor dem Training, quatschten auf dem Weg zum Sportraum und betraten diesen.
Die Trainerin war sichtbar erfreut, dass ich noch mehr Kundschaft mitgebracht hatte. Sie wies Natascha ins Programm ein. Wieder eine Stunde Qualen – aber diesmal wurde ich nur einmal verbessert.

Als ich die Wohnung wieder betrat, hörte ich lautes Weinen. Dascha weinte und schrie wie am Spieß. Sie wollte zu ihrer Mama, die aber heute noch etwas länger arbeiten musste.
Da saßen wir drei nun und hatten keine Ahnung wie wir das bitterlich schreiende Kind beruhigen sollte. Wir riefen Ksjoschas Mutter an- in der Hoffnung sie könne Dascha beruhigen. Es klappte nicht. Erst als Daschas so herbeigesehnte Mami endlich da war, hörte sie auf zu schreien. Sascha war unterdessen schon aus Verzweiflung nach Hause geflüchtet. Daschas Mutter schimpfte mit Dascha es gäbe keinen Grund sich so aufzuführen- richtig so!
Anschließend überreichte ich eine Tafel Milkaschokolade und bedankte mich für den wundervollen ersten Monat in Cheboksary- in dieser Gastfamilie. Man freute sich sichtlich über die Worte und natürlich über die Schokolade- noch am selben Abend war sie aufgegessen.
Unfassbar- ich bin schon einen ganzen Monat hier. Ich habe mich mittlerweile wirklich eingelebt und Freunde gefunden. Alle sind sehr hilfsbereit. Egal neben wem ich in der Stunde sitze, ich kann immer nachfragen, was gerade aufgeschrieben wird, was das bedeutet usw. Ich bekomme hier so viel Unterstützung, werde überall mit einbezogen und erfahre so viel Freundlichkeit- ich kann gar nicht anders, als mich hier wohl zu fühlen.
Tja, da heute ein besonderer Tag für mich ist, nutze ich die Gelegenheit, um mich bei allein meinen Unterstützern zu bedanken- sowohl denen in Cheboksary als auch in der Heimat!
Und lieben Dank an das große Interesse der fleißigen Blogleser! Respekt an euch- schließlich schreibe ich ziemlich viel, ich kenne sogar welche, die sich irgendwann der Textflut ergeben haben und das Lesen abbrachen.

Also vielen Dank an euch alle!

Liebste Grüße aus Cheboksary!

Lotte

Tagesfazit: „Ich habe sehr viel erlebt in diesem Monat!“

Mittwoch, 29. September 2010

2. Durchhänger

Der zweite Tag mit totalem Durchhänger. Der zweite Tag innerhalb 29 Tagen an dem ich mich überfordert fühlte. Ich hatte heute wieder Russisch in der 7. Klasse. Ich verstand rein gar nichts. Die Tatsache, dass ich nichts verstand und dass derjenige, der mich in diese Klasse gesetzt hat, tatsächlich glaubt ich könne so viel, machte mich traurig. Ich will gern so gut sein um alles zu verstehen aber das bin ich nicht. Ich bin die erste, welche in die 7. Klasse Russischunterricht gegeben wird und versage prompt.

In Sport wurde meine Laune noch mehr getrübt. Einige Mädels warfen mit den Basketbällen, als wären sie auf einer Blumenwiese und müssten rosa Wattebäusche einander zuspielen. Schrecklich. Und dann noch das typische Mädchengekicher dazu. Natascha und Sonja saßen neben mir und meinten: „Alles wird gut! Tief ein- und ausatmen! Wir können sie auch nicht leiden…die sind immer so. Mooommm.“
Ich reagierte mich durch ein Basketballspiel mit Kolja ab.

Vor dem anschließenden Englischtest bat ich meine Englischlehrerin (und YFU- Freiwillige) mich in die 6. Klasse Russisch zu versetzten- ich war fast zu stolz um sie das zu bitten. Sie lächelte sehr verständnisvoll und meinte es sei ihr fast klar gewesen- die 7. sei eine der schwierigsten Klasse im Russischunterricht. Wirklich besser fühle ich mich dadurch nicht.

Obwohl ich nach der Englischstunde eigentlich Schluss gehabt hätte, ging ich noch zum Mathematikunterricht ebenfalls in der 7. Klasse, welche ich bereits kannte.
Ein kleiner Junge namens Vasja, welcher mich bereits bei der ersten Russischstunde freundlich begrüßt hat, bat mich meinen Namen auf deutsch auf ein Blatt Papier zu schreiben. Ich kam den Gefallen nach. Als ich mich in der Stunde zu ihm umdrehte sah ich, wie er meinen Namen fein säuberlich abschrieb und farblich gestaltete- sehr süß. Vasja hat eine liebe Art. Er ist ca. 1,60m groß, hat kurze braune Haare und treue, ehrliche Augen. Man erzählte mir er wolle mich unbedingt kennen lernen. Er sprach mich auch sofort an und war sehr interessiert an Deutschland. Sehr lieber Junge.
Dann kam der Lichtblick des Tages. Wir behandelten Funktionen. Steigende und fallende und wie man diese in ein Koordinatensystem einträgt. Mal abgesehen davon, dass das eins der wenigen mathematischen Dinge ist, welche ich noch selbständig auf die Reihe bekomme, habe ich fast alles, was die Lehrerin sagte verstanden! Damit meine ich nicht nur grobe Zusammenhänge sondern auch die Wörter- fast alles! Auch ein paar neue Wörter wie „Gleichung“ oder „monoton steigend“ kann ich nun zu meinem Wortschatz ergänzen.

Die Amerikanerin, welche ebenfalls an dieser Schule ist, saß übrigens mit mir in dem Matheunterricht. Nach der Stunde unterhielt ich mich mit ihr. Sie besucht den Russischunterricht der 2. Klasse und versteht fast nichts. Während ich mich mit ihr auf Englisch unterhielt, fielen mir permanent die russischen Vokabeln ein, aber nicht die englischen - schrecklich, wenn man sich auf englisch verständigen muss. Aber sehr zu meiner Zufriedenheit, denn das bedeutet, dass mich der russische Alltag und Sprachgebrauch bereits mehr eingenommen hat, als ich zunächst dachte.

Ich machte mich auf den Weg zur Wohnung. Als ich das Schulgebäude verliess riefen mir ein paar aus der 7. „Tschüß Scharrloota!“ hinterher- ich musste grinsen.
An der Bushaltestelle sprach mich Vita an. Sie geht in die 7. Klasse, welche ich heute in Mathe und Russisch besucht habe. Wir unterhielten uns und sie fragte ob ich in einer russischen Internetcommunity wäre- ich sagte ja. Wir bleiben hoffentlich in Kontakt.

In der Wohnung waren bereits Ksjoscha und Sascha wir quatschten etwas, bis die beiden Dascha vom Kindergarten abholten. Ksjoschas Mutter kaufte heute eine Waschmaschine, weshalb sie Dascha nicht vom Kindergarten abholen konnte. JEHA! Eine Waschmaschine! Welch lang entbehrter Luxus, den ich nun zu schätzen weiss!
Ksjoscha, Sascha und Dascha kamen nach Hause. Dascha weinte bitterlich- sie wollte zu ihrer Mama. Nach einem Trickfilm und Süßem beruhigte sie sich, setzte sich auf meinen Schoß und sah mir zu wie ich diesen Blog tippte.

Als sie nach Hause kam meinte Daschas Mutter, sie habe sich nun für ein Modell entschieden und werde dieses bald kaufen.
Wir aßen zu Abend. Sascha ging zum Fußballtraining.
Ich sah wieder den Sandmann und ging zu Bett.

Tagesfazit: „Was einen nicht umbringt, macht einen stärker!“

Hier noch der Fotoversuch, welchen Dascha gestern gestartet hat. Ziel war es, mich mit Plüschtiger zu fotografieren. Aus ca. 20 Bildern sind das die, welche die Aufgabe am ehesten erfüllen.


Auf diesem Bild ist immerhin mein Gesicht zu erkennen- und Daschas Fingerchen.


Hier ist der Plüschtiger zu sehen- fehlt nur noch die optimale Kombination beider Bilder...

Dienstag, 28. September 2010

Wir haben einen Bären und ihr einen Menschen!


Ich habe eine Antwort gewusst!! Ich habe eine Antwort gewusst!!! Bevor ich euch meinen Tag in chronologischer Reihenfolge schildern werde, musste ich das los werden: In Chemie habe ich eine Antwort gewusst! Dazu aber später mehr.

Bereits heute Morgen wusste ich , das Dascha wieder in den Kindergarten gehen würde- ihre Mutter schlich nicht durch die Wohnung, was ein sicheres Zeichen dafür, dass es Dascha besser ging. Ich stand auf und wankte noch im Standbymodus ins Bad.
Als ich Ksjoschas und mein Zimmer wieder betrat, fiel mein Blick zum Fenster. Weiß. Ich sah aus dem Fenster und ich sah nur : weiß. Zunächst dachte ich die Scheiben seien beschlagen und öffnete das Fenster. Immer noch: weiß. Schwach erkannte man die Umrisse des Spielplatzes und der Umliegenden Häuser- hier ein Bild:


Wir machten uns auf den Weg zur Schule. Die Sichtweite betrug etwa 100m. Hier weitere Bilder.
Das ist vor der Haustür:


Und hinter diesem Haus ist normalerweise die große Kirche, welche ihr schon auf vielen Bildern gesehen habt, zu sehen.


Und dann passierte es auch schon. In der ersten Stunde des Tages, welche Chemie war, wusste ich etwas. Nicht nur das ich eine Antwort wusste, nein ich wusste eine Antwort in Chemie! Schon allein das ist bemerkenswert für mich Naturwissenschaftsmuffel. Aber wenn man bedenkt, dass ich dazu eine russische Frage verstanden haben muss und dann noch die Antwort auf Russisch gekannt haben muss, grenzt es an ein Wunder. Die Frage war allerdings sehr simpel. Die Lehrerin hielt einen rötlichen Indikatorteststreifen hoch und fragte was die Farbe uns nun verrate. Ich wusste es. Es ist eine Säure- auf russisch: „Kislota“. Meine erste richtig beantworte Frage im normalen Unterrichtsgeschehen bereits nach 28 Tagen! Mensch da war ich stolz auf mich!

Doch meine naturwissenschaftliche Wunderstimmung sollte auch noch einmal in Physik zum Tragen kommen. Wir haben letzte Stunde einen Test geschrieben. Über Vektorfunktionen und was immer das mit einem Koordinatensystem und Physik zu tun hat. Ich habe keinen blassen Schimmer davon. In Deutschland hatte ich das bisher noch nicht in der Schule. Ich habe fast nichts verstanden- nicht mal was ich im Test eigentlich zu tun hatte. Aber offenbar reichte das bisschen, was ich verstanden hatte für eine 3 im Test (wieder umdenken). Damit war ich besser als mancher Muttersprachler! Die Lehrerin hat im Laufe der Stunde bemerkt, dass ich gar keine Russin bin und bat mich nach der Stunde zu sich. Sie meinte es sei ihr eine Freude mich kennen zu lernen und lobte mich für meine Leistung. Natascha (nicht die, welche meinen Blog gelesen hat, sondern die Klassenbeste) meinte im nachhinein zu mir, dass mich die Physiklehrerin sehr gern hätte. Sie überlege mich das Physikexamen hier machen zu lassen- übrigens überlegt das meine Biologierlehrerin auch. Ich würde dann von Moskau meine Leistung (oder Versagen) bestätigt bekommen. Aber dazu muss ich erst mal verstehen was ich lerne, die Fragen verstehen und die Antwort formulieren können- dass wird ein hartes Stück Arbeit…wenn nicht sogar unmöglich in 10 Monaten.

Anschließend hatten wir Geschichte. Natascha (die Klassenbeste) saß neben mir. Ich hab sie sehr gern- vor allem wenn es darum geht neue Wörter zu lernen. Ich frage sie ein unbekanntes Wort und sie erklärt es wunderbar, sodass ich dessen Bedeutung verstehe.
Sie meinte irgendwann stolz, sie wisse, wie die Bundeskanzlerin Deutschlands heiße. Ich nannte daraufhin den Namen des russischen Präsidenten: Medvedjew. Als ich ihn im Laufe des Gespräch wiederholte sagte ich nur: „Medved“ Natascha und ich mussten sofort lachen. Mir war klar, dass ich auf den Posten des russischen Präsidenten gerade einen „Bär“ gesetzt habe. Natascha meinte: „Klar! Ihr habt einen Mensch und wir haben einen Bären!“ Mein erster großer Versprecher hier.

Dann hatte ich Russisch in der 7. Klasse. Die Schüler sind furchtbar lieb und neugierig. Ich wurde herzlich begrüßt und die Lehrerin scheint sehr sympathisch zu sein.
Ich saß nun also in der 7. Klasse im Russischunterricht- ratet mal wie viel ich verstanden habe! Nein- falsch! Ich habe bisschen was verstanden. Die Lehrerin las einen Text über „den Helden Russlands“ vor. Ein älterer Text. Ich habe ein paar Worte verstanden aber keine Zusammenhänge- ich hoffe das bessert sich, schließlich erwartet man hier viel von mir.

Und schon hatte ich Schluss. 5 kleine und doch anstrengende Stündchen und da ich kein Tschuwaschisch mehr habe, konnte ich bereits zur Wohnung gehen. Dort machte ich Hausaufgaben und packte meine sieben Sachen für den Sportkurs, welchen ich heute wieder besuchte.

Ich wurde heute öfter gelobt für meine Ausführung der Sportübungen. Diesmal kam das Lied „Rescue me!“ Also „Rette mich!“ Da war ich grad dabei Sit ups zu machen und dachte in etwa das selbe. Nach einer Stunde hatte ich es geschafft.
Als ich aus dem Sportraum trat, regnete es. Ich stellte meinen Jackenkragen hoch und joggte das kurze Stück zur Wohnung. Diesmal verzichtete ich auf den Lift und benutzte die Treppe bis zur 7. Etage. Morgen wird mir sicherlich alles weh tun und wenn nicht, habe ich etwas falsch gemacht.

Ein köstlicher Duft stieg mir in die Nase. Sie kochten gemeinsam mit Sascha. Es gab Champignons mit Kartoffeln und als Nachtisch Melone und verschiedenen Süßkram. Und ich durfte nichts essen… ich flüchtete mich zunächst unter die Dusche. Danach setzte ich mich brav an den Essenstisch und widerstand den Leckereien. Meine Gastmutter drängte mich zu essen und das obwohl sie selbst dabei war, als ihre Freundinnen mich darauf hinwiesen, dass man zunähme, wenn man direkt nach dem Sport isst. Ich aß ihr zu liebe eine Scheibe Melone und sagte wahrheitsgemäß ich hätte bereits Suppe gegessen. Dennoch war ich furchtbar hungrig. Aber ich blieb standhaft- auch als meine Gastmutter zum 5 mal nachfragte ob ich nicht doch etwas essen wolle, was selbst Ksjoscha dazu brachte leicht aus der Haut zu fahren und ihrer Mutter zu sagen, dass ich jetzt bestimmt nichts essen werde.

Sascha erklärte Ksjoscha noch Physik- ich gab es gleich auf. Das ist schon schwer in meiner Muttersprache aber ein Haufen Fachbegriffe in einer Fremdsprache und dann noch Zusammenhänge verstehen, das übersteigt meine Fähigkeiten nach dem Sportprogramm. Sascha ist übrigens auch ein Fan meines Akzents meinte er heute.
Ich sah wieder gemeinsam mit Dascha den Sandmann an. Endlich mal wieder mit Gute-Nacht-Lied zu Bett gehen. Das schläft sich gleich viel besser! :)

Gute Nacht!

Tagesfazit: Man erwartet viel von mir- vielleicht zu viel. Wenn ich die Examen wirklich ablegen will, muss ich mich wirklich reinhängen!“


Das Bild von der Milchtüte habe ich gestern eingefügt - die Kuh sieht recht glücklich aus.

Montag, 27. September 2010

Heute war es still

Heute Morgen herrschte Stille. Seit nun 4 Wochen werde ich von folgenden Worten eines quengelnden Kleinkindes geweckt: „Ich will schlafen!“ Und dies sehr flehend und laut - jeden einzelnen Morgen. Doch heute war Stille. Meine Gastmutter schlich leise durch die Wohnung - das tat sie sonst nie. Ksjoscha und ich standen auf. Ksjoschas Mutter erzählte uns, Dascha hätte Fieber bekommen und würde heute nicht in den Kindergarten gehen. Schon seltsam…gestern fuchtelte sie noch quietschvergnügt mit einem Eierkuchen durch die Gegend und heute liegt besagtes Kind mit fieberroten Wangen im Bett und schläft. Das Mütterchen (die Mutter meiner Gastmutter) wird heute auf sie aufpassen, während wir alle in der Schule sind.

In der Schule erzähle mir Natascha fröhlich sie habe meinen Blog mit Hilfe von Google Translator lesen können. Er gefalle ihr sehr und sie werde den heutigen Blogeintrag wieder lesen. Auch Lisa meinte sie hätte die letzen beiden Blogeinträge gelesen. Ich bin froh, dass er ihnen gefällt.

In Geografie war die Lehrerin nicht da- warum auch immer. Wir blödelten herum und machten ein paar Bilder, die ihr gleich zu sehen bekommt. Mascha erzählte mir, sie fände meinen Akzent klasse und würde gern so sprechen wie ich. Sie versuchte es daraufhin. Es gelang ihr nicht. Während ich es schlecht finde, dass ich einen Akzent habe, so finden viele meinen Akzent hier schön - warum auch immer.

Ich habe außerdem heute meinen eigenen Stundenplan bekommen. Sonderlich anders ist er nicht. Ich habe ab und zu Russischunterricht in der 7. Klasse. Die Lehrerin wies mich darauf hin, dass, wenn der Anspruch zu hoch ist, ich auch in tiefere Klassen gehen könnte. Außerdem werden noch weitere Änderungen im Stundenplan auf mich zu kommen und der Besuch der Tschuwaschischstunde ist für mich von nun an nicht mehr nötig.


Deshalb kam es dazu, dass ich heute eine Stunde früher Schluss hatte, als Ksjoscha. Da sie mich gebeten hatte Milch einkaufen zu gehen, tat ich das auf dem Weg zur Wohnung. Wieder ist mir eine Besonderheit aufgefallen, über welche ich euch noch nicht in Kenntnis gesetzt habe. Es gibt hier nur Milchtüten- keine Tetrapacks. Hier ein Bild:


In der Wohnung angekommen machte mir eine quietschvergnügte Dascha die Tür auf. Das Mütterchen wirkte etwas gestresst- kein Wunder, wenn man bedenkt, dass sie den halben Tag allein mit Dascha fertig werden musste. Ich erkundigte mich, wie es Dascha ginge. Sie hatte noch etwas Fieber aber sonst schien es ihr gut zu gehen. Ich legte die Milch in den Kühlschrank. Kurz darauf fing das Mütterchen an Eierkuchen zu machen. Super! Ich liebe Eierkuchen! (Aber nichts geht über die Eierkuchen meiner Oma- Liebe Grüße!) Ich beschäftigte Dascha und Mütterchen kochte. Wir aßen. Anschließend machte ich Hausaufgaben und wusch meine Wäsche.
Gegen um 5 rief meine Gastmutter an. Sie fragte, wie es Dascha ginge und erklärte, dass das Mütterchen bald gehen werde und ich kurz allein mit Dascha wäre, solange bis sie nach Hause käme. Ok. Kurz – das bekomm' ich hin. Wiedereinmal große Verantwortung, welche mir aufgebürdet wurde.
Ich beschäftigte Dascha eine geschlagene Stunde! Sie turnte auf mir herum und versuchte Fotos zu machen- hier ein paar ihrer „gelungeneren Versuche“: Ziel war es mich mit dem Plüschtiger zu fotografieren…

Als meine Gastmutter endlich zu Hause war, hörte Dascha auf zu quengeln. Denn irgendwann hatte sie begonnen, immer wieder zu fragen, wo ihre Mama ist, wie lange sie noch brauche und wann sie denn endlich da sei.
Daschas Mutter erzählte mir, welche Ausnahme ich sei. Keiner, kein einziger Austauschschüler, welcher an meiner russischen Schule war, wurde bisher in die 7. Klasse russisch Unterricht gesetzt. Kein Einziger! Alle wurden den 2. oder 3. Klassen zugeteilt- ich aber der 7.! Ich fühle mich nun mehr als geehrt und habe leichtes Muffensausen den Anforderungen nicht genügen zu können. Immerhin ist diese Schule ein Gymnasium und da ist die Muttersprache in der 7. Klasse kein Zuckerschlecken!


Ksjoscha kam gegen 20 Uhr von Sascha nach Hause. Wir aßen. Auch heute ging ich ohne Sandmann zu Bett.

Tagesfazit: "Mein Akzent ist klasse!"


Sonntag, 26. September 2010

Wir leben in Bäumen und jagen unser Abendessen!

Als ich heute Morgen die Augen öffnete, schien die Sonne warm in mein Gesicht. Dascha war wach. Man hörte es eindeutig. Wieso können Kleinkinder nicht leise bzw. in einer normalen Tonlage sprechen, sondern immer gleich schreien? Meine Gastmutter war natürlich auch wach- immerhin schlafen sie und Dascha im selben Zimmer. Irgendwann verließen sie die Wohnung. Stille durchdrang die Wohnung. Ich schloss meine Augen und widmete mich wieder dem Schlaf, welchen ich dringend benötigte.
Gegen um 11 stand ich auf. Ksjoscha war auch wach. Ich öffnete das Fenster unseres Zimmers. Ein leichter Wind wehte, die Sonne schien warm und hell. Es schien ein wunderbarer Spätsommertag zu werden.
Meine Gastmutter und Dascha kamen nach Hause. Es war gegen 11. Sie waren in der Kirche gewesen und anschließend noch Kleinigkeiten einkaufen. Das war Daschas erster Besuch in einer Kirche- meine Gastmutter platzte vor stolz, zumal sich Dascha vorbildlich verhalten haben soll. Eigentlich scheint meine Gastfamilie kein großer Kirchengänger zu sein- dennoch gläubig. In der Küche stehen Ikonen auf einem Regal und jedes Familienmitglied trägt ein Kreuz um den Hals.
Wir frühstückten. Kurz darauf kam die Schwester meiner Gastmutter zu Besuch. Sie brachte selbst genähte Gardinen im Schlafzimmer an. Sieht wirklich wunderbar aus. Heller blau/grüner Stoff kunstvoll aufgehängt.
Gegen ein Uhr verließen wir die Wohnung und liefen zur Haltestelle. Wir warteten auf eine Marschrutka. Falls ihr euch nicht mehr erinnert: Eine Marschrutka ist ein Kleinbus, der eine bestimmte Strecke abfährt und man überall einen Haltewunsch äußern kann- egal ob Straßenrand oder Haltestelle. Der Fahrer einer Marschrutka fährt und kassiert gleichzeitig ab. Die Dinger sind schneller als ein Trolleybus- eben weil sie nicht überall halten und weil die meisten Fahrer fahren wie vom Teufel besessen. Wenn man möchte, dass eine Marschrutka anhält, um einsteigen zu können, so stellt man sich an eine Haltestelle und winkt betreffender Marschrutka zu. Man weiss übrigens nie, wann eine Marschrutka oder ein Trolleybus (oder sonstiges öffentliches Verkehrsmittel) an betreffender Haltestelle vorbeifährt. Es gibt keine Fahrzeiten wie in Deutschland. Man stellt sich an eine Haltestelle und wartet.
Wir holperten in einem Affenzahn über die Straße. Wir verließen Cheboksary und fuhren nach Nowo Cheboksarsk (Neu Cheboksary). Die Stadt ist gerade mal 50 Jahre alt. Nach 20 Minuten waren wir angekommen. Wir würden heute eine weitere Schwester meiner Gastmutter besuchen.

Uns öffnete eine kleine, freundliche Frau (ca. 1,60m),mit blondierten, kurzen Haaren, in Jeans und Pulli. Wir wurden hinein gebeten. Ksjoscha und ich gingen zunächst in das Zimmer ihrer Tochter. Diese lobte mich für mein Russisch und dass, obwohl ich kaum etwas gesagt hatte.
Wir gingen in die Küche. Es wurde furchtbar viel Essen aufgetafelt. Nudeln, Tomatensalat, Huhn, Rotebeetesalat, Eierkuchen, Brot und Kuchen. Die drei Schwestern unterhielten sich.
Irgendwann richtete die Gastgeberin das Wort an mich. Nach den Standardfragen wie es mir hier gefalle und ob ich meine Familie vermisse bzw. umgekehrt, bat sie mich etwas auf deutsch zu sagen. Ich stellte mich auf Deutsch vor. Sie war begeistert. Sie erklärte Deutsch in der Schule gehabt zu haben und nichts mehr zu können. Plötzlich war das Thema Deutschland angeschnitten. Sämtliche Verwandtenbeziehungen nach Deutschland, Verwandte welche nach Deutschland verreist sind oder Deutsch sprechen können wurden aufgezählt- erstaunlich viele. Dann kamen die Glatteisfragen. Ob meine Großväter im Krieg gewesen wären und wer gewonnen hätte. Meine Gastmutter hatte mich das schon einmal gefragt- ich war also vorbereitet. Mein erster Satz war: „Deutschland hat den Krieg verloren und viele Deutsche finden es schlecht was damals passiert ist.“ In den Gesichtern konnte ich ablesen, dass ich richtig geantwortet hatte. Ich erzählte also weiter, wer nun gewonnen hätte. Meine Gastmutter unterstütze mich und meinte ich wüsste was in der Vergangenheit passiert ist- was wirklich passiert ist. Wieder eine Prüfung erfolgreich gemeistert.
Zu unserer geselligen Runde kam noch der Freund der Tochter, der Schwester meiner Gastmutter hinzu. Er schlug vor, spazieren zu gehen um mir Nowo Cheboksarsk zu zeigen. Also machten sich Ksjoscha, Tochter, Dennis (der Freund) und ich auf die Strümpfe. Ich fragte was es hier Sehenswertes gäbe. Er lachte und meinte. „Nichts! Überhaupt nichts!“ Wir spazierten an Neubaublocks vorbei, über schlechte Wege- eine Art Cheboksary ohne große Geschäfte. Ich Blödi habe natürlich meinen Fotoapparat in der Wohnung gelassen. Wir gingen in einen Supermarkt und Dennis fragte mich, ob wir so etwas in Deutschland auch hätten. Ich antwortete : „Nein wir leben in Bäumen und jagen unser Abendessen selbst!“ Ksjoscha lachte, denn auch sie wusste, dass er nicht der erste war, der mir diese unsinnige Frage stellte. Ansonsten unterhielten wir uns nett. Er ist wirklich lustig und wollte mir zunächst alle russischen Schimpfwörter beibringen. Am Skatepark von Nowo Cheboksarsk machten wir eine Pause und stopften russisches, wahnsinnig leckeres Konfekt in uns. Die Sonne schien immer noch warm- wie ich heute Morgen bereits ahnte war es ein wunderbarer Spätsommertag. Aber die nächste blöde Frage wartete bereits auf mich. Dennis Freundin fragte mich, ob ich mit meiner Familie in Deutschland englisch sprechen würde. Ä…Ä…man weiss manchmal bei solchen Fragen nicht, ob es ernst gemeint ist. Ich bin in solchen Momenten fast sprachlos und frage mich, woher solche Unwissenheit nur kommen kann.

Wieder bei den Schwestern in der Wohnung aßen wir erneut und ich wurde über das deutsche Schulsystem ausgefragt. Mein russisch wurde sehr gelobt- obwohl es nach wie vor schrecklich ist. Während der ganzen Unterhaltung saß Dascha auf dem Schoß ihrer Mutter und fuchtelte mit einem Eierkuchen herum. Ich finde es faszinierend, wie klein ein Mensch sein kann und wie anders die Welt offenbar durch ihre Augen ist.
Bei Anbruch der Dunkelheit verließen wir Nowo Cheboksarsk und fuhren zur Wohnung zurück. Dascha und meine Gastmutter gingen sofort zu Bett. Ksjoscha sah eine Folge „Vampire Diaries“ auf ihrem Laptop und ich schrieb an diesem Blog bis ich wiedereinmal ohne Sandmann ins Bett musste.

Ein ereignisreicher, wunderbarer Spätsommertag ging zu Ende.

Liebste Grüße!


Tagesfazit: „Ich kenne die deutsche Geschichte.“

Samstag, 25. September 2010

Ein wundervoller Samstag!

Wieder ein halber Samstag in der Schule „verschwendet“. Wieder ein Samstag, den man hätte ausschlafen können…
In Chemie wütete unsere Lehrerin wieder, weil niemand auch nur Ansatzweise verstand, was sie von uns verlangte. Aber eigentlich ist sie eine liebe, verständnisvolle Lehrerin.
Kolja fragte mich in der darauffolgenden Pause, ob ich „Bulotschka“ (Brötchen) sehr lieben würde. Mit vollem „Bulotschkamund“ antwortete ich „Ja!“. Ich liebe diese Dinger wirklich sehr- hier mal ein Bild… :)


Ein einfaches Milchbrötchen mit Zucker...


Und apropos Bild- hier noch die versprochenen von gestern..

Das sind Seda, Lisa und Sonja (meine liebe Sonja)

Zwei Engel für Scharrli



Und noch zwei "Engel" - Kolja und Elija ... in ordentlicher Schulkleidung- Hemd und Krawatte- sogar Anzug ist hier üblich!



Ein schrecklicher Schultag bestehend aus: Informatik, 2xChemie, Algebra und Biologie ging zu Ende und ich war froh, den freien Nachmittag begrüßen zu können.
Wir gingen zu nächst zu Sascha und aßen Nudeln. Es kamen noch zwei Freundinnen von ihm hinzu, welche die ganze Zeit: „Cool!“ sagten. Also war alles „Cool“- und das wiederum mit der Zeit schrecklich nervig. Und dann noch auf Englisch angesprochen zu werden und das Englisch dann noch extra langsam und gedehnt, als ob man schwachsinnig wäre - das ist erniedrigend. Aber ich antworte einfach auf russisch…wiedereinmal erstaunte Gesichter und die Frage woher ich russisch könne. Wie meine Informatik und Gk Lehrerin schon richtiger Weise zum Abschied zu mir sagte: „Du lässt dir die Butter schon nicht vom Brot nehmen!“

Dann war ich mit Lera, Ksjoscha und Elija im Kino. Das erste mal in Russland im Kino. Ein 3D Film- ich glaub bei euch ist der unter dem Namen „Resident Evil“ in den Kinos- bin mir aber nicht sicher. Nun ja es ging um Zombies, sinnloses Rumgeballere und Abgemetzel, einen Virus der die Me
nschen in besagte Zombies verwandelt und so weiter. Ich fand den Film nicht so klasse- sinnloses Rumgemetzel. Aber immerhin habe ich verstanden worum es ging. Die anderen fanden den Film übrigens auch nicht so berauschend.




Ksjoscha, Lera und Elija mit 3D Brille




Scharrli mit 3D Brille- und Ksjoscha
Anschließen spazieren wir alle noch ein Stück. Ein sehr schöner Tag ging zu Ende…
Lera und Elija (übrigens wie die Ilijas ausgesprochen- nur mit E am Anfang)
Ksjoscha, ich , Lera

Ich habe allmählich realisiert, dass ich in Russland bin- es mag sich komisch anhören…aber so ist es. Ich habe einen Monat gebraucht um hier anzukommen. Ich fühle mich irgendwie dazugehörig. Man behandelt mich wie eine von ihnen. Ich bin nicht „die Deutsche“ ich bin „Scharli“ . Ich habe Freunde gefunden- ich komme mit wirklich allen gut aus. Es macht mir Spaß Dinge gemeinsam mit meinen Mädels, Kolja oder Elija zu unternehmen. Auch die Angst meiner Gastschwester Ksjoscha irgendwann auf die Nerven zu gehen habe ich nicht mehr. Sie meint immer noch, dass sie froh ist, dass ich hier bin. Und sie behandelt mich wie eine gute Freundin. Meine Gastmutter scheint mich lieb zu haben und Dascha gesteht mir ab uns zu ihre Zuneigung. Die gesamte weitere Familie ist freundlich und die Lehrer auch. Ich verstehe immer mehr und meine Aussagefähigkeit verbessert sich (wenn auch langsam)
… ganz ehrlich : Ich find´s prima hier!

Als wir gegen 9 in der Wohnung betraten wir eine frisch gewischte Wohnung. Meine Gastmutter badete gerade Dascha- sie sang dabei laut. Wir aßen zu abend- es gab Pelmeni.

Anschließend ging ich ohne Sandmann ins Bettchen.

Tagesfazit: „Ich bin angekommen! Ich bin in Cheboksary- und das aehr gerne!“

Freitag, 24. September 2010

angebrannte Scharlottka

Heute ist mir aufgefallen, dass sich der Kleidungsstil wieder normalisiert. Zwar sind Pumps und enger Rock immer noch ein muss, aber z.B. in meiner Klasse sehen die Mädels mittlerweile „normal“ aus. Also fast ungeschminkt und ohne Pumps.
Morgen stell ich ein paar Bilder rein- heute streitkt das Internet...

In Deutsch plauderte meine Lehrerin mit mir- auf russisch. Sie regte sich darüber auf, dass nur eine Stunde in der Woche Deutsch unterrichtet werde. Recht hat sie! Eine Sprache ist so kaum erlernbar! Sie formulierte es aus eine witzige Art und Weise .- Hier ist es üblich, wenn man etwas ironisch meint die Floskel „gratulierst du“ anzuwenden. Im Sinne von „Siehst du das auch so ?“ Sie sagte folgendes: „Nur eine Stunde Deutsch in der Woche- gratulierste Udovna!“ Wiedereinmal meine Abstammung von Udo- sogar im Schulheft sind Zeilen für Name, Klasse und Abstammung vorgesehen!
Außerdem schrieben wir noch einen Test in Deutsch. Alle tuschelten wie wild auf mich ein- ich wusste nicht wem zu erst helfen…ich hoffe ich trotz der Helferei nicht meinen eigenen Test in den Sand gesetzt….

Ansonsten war der Schultag eher langweilig und ereignislos- halt Schule.

Nach der Schule war wieder Sascha bei uns und zog mich freundschaftlich mit meinem Akzent auf. Er wiederholte immer wieder auf welche Art ich „Hallo!“ also „Privjet!“ sage- dabei übertrieb er ziemlich, sodass daraus ein „Privjeeeet!“ wurde. Sehr fies – aber durchaus lustig, solang ich weis, dass er es freundschaftlich, witzig meint. Er ist ganz witzig- wenn auch etwas eingebildet.
Zusammen mit Ksjoscha und Sascha kochte ich anschließend Abendessen. Meine Gastmutter würde erst gegen um 9 nach Hause kommen. Wir kochten Pelmeni mit Scharlottka. Die Pelmeni waren lecker- allerdings aus der Kühltruhe und die selbstgemachte Scharlottka ist uns angebrannt. Ich hab ja gesagt man muss Butter unter den Teig machen vorm Backen aber Sascha wusste es besser und meinte: „Pisst! Du weist gar nicht wie man Scharlottka macht! So etwas gibt es bei euch gar nicht! Also lass den erfahrenen Einheimischen machen!“ Also lies ich ihn machen…

Meine Gastmutter kam nach Hause und Dascha nervte alle noch ein bisschen, bis ich nach dem Sandmann ins Bettchen ging.

Gute Nacht!

Tagesfazit: „Der Kleidungsstil kann hier durchaus normal sein!“

Donnerstag, 23. September 2010

Ich verstand alles!

Heute Morgen ging der Fahrstuhl nicht! Ich wohne hier in der 7. Etage und der Aufzug geht nicht! In den letzten Tagen hatte er immer ein schleifendes Geräusch von sich gegeben, welches so laut war, dass meine Gastmutter nicht schlafen konnte, sobald jemand den Fahrstuhl benutzte. Aber ein schleifendes Geräusch ist hier weiter nichts Dramatisches! Ich würde heute noch zum Sport gehen. Unvorstellbar wie ich nach einer Stunde kraftraubendem Sport in die 7. Etage ohne Fahrstuhl kommen soll. Aber noch war ja nicht aller Tage Abend und Treppen runter laufen ist nicht schlimm….

Ich habe den Fahrstuhl mal fotografiert. Er ist also nicht gruselig vergammelt oder etwas in der Art. Es ist ein normaler, ca. 2 m² großer Fahrstuhl.



In der ersten Unterrichtstunde des Tages, welche Russisch war, schrieben wir ein Diktat. Die Lehrerin sah mich erstaunt an, als ich todesmutig ein Blatt Papier zückte, um mitzuschreiben. Sie fragte, erfreut ob ich es wirklich versuchen wolle und ich sagte, dass ich es zumindest probieren werde. Der Text handelte von Jungs, Schiffen, einer Expedition und Piraten. Ich habe sogar einen vollständigen Satz aufschreiben können! Ich merkte, dass sich die Lehrerin große Mühe gab- sie wiederholte oft was sie diktiert hatte und gab acht auf ihre Aussprache. Sehr lieb von ihr, aber dennoch hatte ich aller drei Worte Wortlücken zu verzeichnen- aber das wird noch. :) Als ich an ihren Tisch kam, um das Diktat –welches durch die mit drei Punkten gekennzeichneten Wortlücken eher aussah wie ein Morsealphabet- schenkte sie mir ein Kompliment bezüglich meines Schals. Ihr wisst schon, der „Designerschal“. Ein Kompliment am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, kann ich dazu nur sagen.

Sonja war heute wieder da. Sie war eine Woche nicht in der Schule gewesen, da sie krank war, doch heute war sie anwesend. Ihr wisst doch noch, wer sie ist? Das von Grund auf liebenswerte und ehrliche Mädchen, welches genauso wenig auf Schleifen und Glitzerkram steht wie ich. Sie und ein paar weitere Mädels luden mich zum Sushi essen am Samstag ein- wird bestimmt prima!

In Sport spielte ich wieder mit Kolja und dem Jungen Basketball- wobei mir diesmal klar geworden ist, warum ich den Namen des einen nicht kannte. Sein Name ist ebenfalls Kolja. Ich schreibe hier übrigens immer nur von Spitznamen- nicht das ihr glaubt, jede zweite heiße Mascha oder Natascha. Kolja ist die Kurzform für Nikolai. Also, wie dem auch sei, ich spielte mit den beiden Basketball- meine Spielart war wie gewohnt „Mädchenbasketball“ aber egal, es machte Spaß.

In der darauf folgenden Pause gesellte ich mich zu einer Gesprächsrunde hinzu. Man fragte mich, ob ich schon mal „Scharlottka“ gegessen hätte - ich sagte ich hätte bereits. Sonja meinte darauf hin „Egal! Wir machen noch mal Scharlottka für dich und diesmal wird Scharrrlotta mit Scharrrrlottka fotografiert!“ Ich grinste- mal sehn, ob wir das wirklich am Samstag machen. Anschließend wurde ich ausgefragt welche russischen Märchen ich kennen würde und ob ich hier schon mal im Kino war. Ich zählte ein paar Märchen auf- z.B,; „Der Kloß“ also „Kolobok“- und gestand, hier noch nie im Kino gewesen zu sein. Die Mädels plapperten nun hastig durcheinander was man noch alles für mich kochen müsste und mir zeigen müsste. Ich grinste erneut- bin mal gespannt wie lange der „Hype“ um mich anhält. Dann wechselte ich das Thema und meinte, dass mir die Schokolade, welche es nur hier gibt, sehr gut schmecke. Sonja lächelte und meinte: „Ja dann kaufen wir dir Schokolade! Und du nimmst russisches Konfekt mit nach Deutschland! Wir eröffnen ein Business!“ Ich lachte und wir begannen nun darüber zu philosophieren wie wir unsere Firma nennen und wann wir eröffnen.

In Biologie bekam ich wieder ein Biologiebuch zum durchlesen. Jede Stunde gibt mir die freundliche Biologielehrerin ein Buch zum lesen. So langweile ich mich nicht, während sie die ganze Stunde diktiert, was die Schüler auswendig zu lernen haben, und lerne auch noch ein paar Vokabeln. Fledermaus und Herz gehört jetzt mit zu meinem Wortschatz.

Die siebte Stunde war Business- English. Meine erste Stunde Business- English überhaupt! Es war eine lustige Stunde, denn keiner passte auf. Wir gingen Reisevokabeln durch wie zB.: Visum, Gepäcksammelstelle, Flugticket… aber da ich viel reise (lieben Dank an meine Eltern) sind mir solche Begriffe auf Englisch bereits geläufig. Also nutze ich die Stunde, um mit Lisa, Seda und Kolja rumzublödeln. Am Ende der Stunde hatte Kolja mein- ich zitiere: „Original in Deutschland gekauftes Tuch“ um und ich seinen Schlips. Wieder eine neue Vokabel „Schlips = Galstuch“…erinnert etwas an das deutsche Wort „Halstuch“ oder? Anschließend brachte ich Kolja bei wie man auf deutsch seine Krawatte wiederverlangt- er kann es vielleicht brauchen, denn er hat Deutsch als Unterrichtsfach.

Nach der Schule fuhr ich allein zur Wohnung- Ksjoscha und Lera gingen bei Mc Donalds was essen. Da ich mittlerweile weiss, wie lange sich ein kurzes Essen bei den beiden hinziehen kann, ging ich nicht mit. Heute würde ich wieder Sport haben und ich wollte- dank der guten deutschen Erziehung- nicht zu spät kommen.

Ich kam auch nicht zu spät. 10 Minuten zu früh- dass nenn' ich doch mal pünktlich. Eigentlich kommt man hier immer 10 Minuten zu spät- man ist eben entspannt…aber ich werde nicht absichtlich zu spät kommen! So- wo war ich? Ach, ja. Also machte ich wieder 60 Minuten Sport. Nach ca. 30 Minuten tat mir bereits alles weh und ich musste die Zähne zusammen beißen. Die Zeit verging und meine Puste mit ihr. Dann kam noch ein Liedremix namens: „I will survive“ – also: „ich werde überleben“ –sehr passend. Nach einer Stunde hatte ich es überstanden und fühlte mich gar nicht mal so schlecht. Die Trainerin bat mich wieder zu sich. Ich bezahlte für diesen Monat und führte anschließend ein Gespräch mit ihr- wann wir mein Gewicht messen würden, wann ich trainieren kann, was ich zu beachten hätte und so weiter. Und hier kommt die Sensation des Tages: Ich verstand alles! Bei einigen Worten habe ich nachfragen müssen und sie hat andere Worte gewählt aber ich habe wirklich verstanden was sie mir erklärte. Wenn man sie Sprache nicht richtig beherrscht, so gewöhnt man sich irgendwann an Mimik, Gestik und Tonfall zur richtigen Reaktion zusammen zureimen. Manchmal reicht schon ein erstauntes „Ja?“ und das Gegenüber ist zufrieden. Aber diesmal musste ich kein gekünstelt verständnisvolles Lächeln aufsetzten- es war echt. Ich unterschrieb den Zahlungsbeleg mit meinem Namen- und Abstammung „Udovna“ … immer noch befremdlich wie viel Wert hier darauf gelegt wird, dass man die Tochter von Udo ist.

Ich betrat das Wohnhaus und hoffte, dass der Fahrstuhl funktioniert- er tat es...welch ein Glück!


Als ich in der Wohnung ankam wurde ich stürmisch von Dascha begrüßt. Sie rannte auf mich zu während sie schrie: „Schalooootttaaaa!“ Und wumms war sie an meine Beine gestoßen und hatte diese auch sofort fest umklammert. Niedlich.
Meine Gastmutter hatte Freundinnen zu Besuch. Sie begrüßten mich herzlich und fragten mich wie der Sport war. Ich meinte nur: „Ich sterbe!“ und sorgte damit für erheiterte Gemüter. Ich wollte etwas essen. Doch sie wiesen mich gleich darauf hin das nach Sport für 2 Stunden essen gestrichen ist- ansonsten nimmt man zu statt ab. Na klasse.
Ich duschte und quatschte mit Ksjoscha. Eine Stunde nach meinem Sportprogramm gab´s dann doch Abendessen- soviel zu den zwei Stunden.

Nach dem Sandmann ging ich erschöpft zu Bett.

Tagesfazit: „Nach Sport: Essen= gestrichen!“
Ich habe heute wieder das Mütterchen mit der Kuh und den Schafen gesehen- hier noch ein Foto.

Mittwoch, 22. September 2010

Die Sportstunde

Heute war der erste Tag überhaupt, an dem Ksjoscha und ich zusammen mit meiner Gastmutter und Dascha das Haus verließen, um zur Schule zu fahren. Wir stiegen diesmal in den Trolleybus 6 ein- da dieser an Daschas Kindergarten vorbeifährt. Wir setzten uns hin und unterhielten uns. Es war eine angenehme Busfahrt- immerhin saßen wir zur Rushhour- Zeit! Es ist verblüffend zu sehen, wie weich die Gesichtszüge der Mitreisenden werden, wenn sie Dascha munter mit ihrer Mutter plaudern sehen.
Ksjoscha und ich stiegen aus aber mussten noch ein kleines Stückchen zur Schule laufen- wieder eine neue Gegend Cheboksarys entdeckt. Wir schlenderten durch eine Alleé – ich habe mal ein Bild gemacht.

Zwei Stunden Sport standen heute unter anderem auf dem Stundenplan. Also nichts wie in die Sportklamotten und rein in die Sporthalle. Jede Sportstunde denke ich, ich bin im falschen Film. In meiner deutschen Schule wurde man getadelt, weil man die Haare nicht geschlossen trug und deshalb Verletzungsgefährdet war. Heute habe ich Mädchen im Minirock und Pumps beim Schlagballweitwurf gesehen- wobei in dem Aufzug von der Möglichkeit weit zu werfen nicht gegeben ist.
Ich spielte zu nächst mit Volleyball. Ich war gar nicht so schlecht, doch dann überdehnte ich leicht ein paar Sehen der linken Hand und setzte mich an den Rand, um die Hand zu schonen. Irgendwann spielten Kolja und noch ein Junge Basketball. Mir kribbelte es in den Fingern. Sie forderten mich auf mit zu spielen- ich lehnte ab…meine Hand tat schließlich noch weh. Ich habe allmählich genug von Volleyballspielen, denn das machen wir mittlerweile jede Sportstunde. Man steht an seinem Platz und schlägt ab und zu an den Ball…
Als Kolja wieder vor mir stehen blieb, den Ball vor sich prellte und mich auffordernd ansah, beschloss ich meine Hand zu ignorieren, sprang ruckartig auf und luchste ihm den Ball ab. Ich prellte ein Stück, drehe mich um und grinste ihn an. Er sah etwas erstaunt aus. Ich prellte zum Korb, warf und traf natürlich nicht. Der andere Kerl nahm den Ball auf , warf und traf. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und wiederholte meinen Wurfversuch. Diesmal traf ich und auch jedes weitere mal, als ich warf- es grenzte an ein Wunder. Irgendwann war ich richtig in das Spiel der zwei aufgenommen - es machte großen Spaß, obwohl ich mich miserabel fand. Irgendwann hielt Kolja inne und fragte: „Spielt ihr in Deutschland im Sportunterricht Basketball und Volleyball?“ Ich erwiderte: „Wir machen viel mehr- rennen, werfen, springen, verschiedene Ballspiele, Turnen…- wir ruhen uns nicht jede Sportstunde aus…wie hier…“ Er zog erstaunt die Augenbrauen hoch und meinte dann schließlich: „Du bist echt sportlich! Was ich beim Volleyball und Basketball gesehen habe, ist wirklich gut!“ Ich war erstaunt. Keine Ahnung was ich hätte erwidern können. Das war mir neu. Ich bin sportlich. Und als nächstes werde ich bestimmt zum Kaiser von China gekrönt! Der Junge bestätigte Koljas Aussage, was diese nicht weniger surreal machte. In dem Sinne: Liebe Grüße an meine Sportlehrerin, welche immer noch vom Gegenteil überzeugt ist.

In der darauffolgenden Pause wollte ich mir für diesen Blog notieren, was ich erlebt habe- damit ich auch ja nichts vergesse euch mit zu teilen. Als ich gerade meine Notizen ansah merkte ich, dass sie im „Mixalphabet“ geschrieben sind. Die Notizen sind auf deutsch verfasst, wobei ein paar Buchstaben aus dem Russischen reingerutscht sind- hoppla! Ich hoffe das bekomme ich bald in den Griff!

Nach der letzten Unterrichtsstunde kam meine Klassenlehrerin auf mich zu. Sie meinte ich bekäme bald meinen eigenen Stundenplan- aber das höre ich ja schon seit 2 Wochen. Diesbezüglich fragte sie mich nun welche Fächer ich denn in Zukunft nicht mehr haben möchte. Das ist doch mal der Traum eines jeden Schülers- Stundenplan ohne Naturwissenschaften und Sport. Aber ich bin ein notorischer Schleimer, weshalb ich lediglich Tschuwaschisch und Sport abwählte. Sie nahm beides zur Kenntnis und lächelte verständnisvoll, als ich Sport nannte.

Sascha kam nach der Schule wieder mit zu uns. Ich lies die beiden in Ruhe und skypte mit meinem Freund. Als meine Gastmutter nach Hause kam beäugte sie ihn neugierig und befand ihn (genau wie Ksjoscha) für gut.
Wir aßen zu Abend. Anschließend sah ich wieder zusammen mit Dascha den Sandmann- diesmal saß die auf meinem Schoß und fragte mich über den fremden Kerl, welchen sie eben auf meinem Computerbildschirm gesehen hatte, aus. Irgendwann war ihr Interesse für das rosafarbene Mondwesen beim Sandmann größer, sie hörte auf zu fragen und schmiegte sich an mich. Ich hab das kleine manchmal wirklich nervige Mädchen sehr lieb gewonnen- muss ich gestehen.

Gute Nacht!

Tagesfazit: „Ich bin sportlich!“

Dienstag, 21. September 2010

Schalotte wird fett nach Deutschland zurückgehen!

Heute Morgen gab es Weißbrot mit Marmelade. Um genau zu sein war es Himbeermarmelade- nun war mir auch klar, woher die Himbeeren in dem wundersamen Hustentee kamen, welchen ich einst von meiner Gastmutter verabreicht bekommen habe.
In der Bakterienkutsche ging es anschließend wieder zur Schule. Draußen ist es mittlerweile 15°C kalt- es sind allerdings gefühlte 10°C. Dies hat zur Folge, dass die Scheiben, der Virenschleuder auf Rädern, beschlagen und mir die Sicht auf die Straßen Cheboksarys versperren. Dies wiederum hat zur Folge, dass ich mich auf den vollgestopften Bus konzentriere, weil ich mich nicht ablenken kann. Um es nachvollziehen zu können, müsst ihr euch folgendes vorstellen. Man nehme einen uns bekannten Bus. Man setzte nun auf jeden Platz je einen Menschen und stelle auf jeden freien halben Quadratmeter einen weiteren Menschen. Jetzt arbeitet man noch ein paar kleine Hubbel in die Straße, lässt den Bus an der nächsten Haltestelle halten und noch ein paar Leute einsteigen. Jetzt wisst ihr wie es in meiner Bakterienkutsche zugeht.

In Chemie ist mir wieder eine kleine Besonderheit aufgefallen, welche ich euch nicht vorenthalten möchte.
Da in der russischen Sprache kein „h“ vorgesehen ist sind die meisten Russen nicht fähig dieses zu sprechen. Es hat ein bisschen gedauert bis ich kapierte, dass immer wenn die Lehrerin „Asch“ sagte ein „h“ meinte. Aus meinem gewohnten „H“ bei Wasserstoff wird also plötzlich ein „Asch“ - geschrieben wird es allerdings ein „h“.
In der Physikstunde wanderte mein Blick zum Fenster hinaus, das Bild welches ich nun wahrnahm möchte ich euch nicht vorenthalten. Es ist eine Baustelle...im wahrsten Sinne des Wortes...

In der Pause wurde ich grinsend mit „Scharrrlottutschka“ in eine Gesprächsrunde aufgenommen. Ich sah Natascha entgeistert an- sie lachte und meinte der Spitzname werde sich nicht durchsetzten…ich war beruhigt.
Der Schultag schien wieder kein Ende zu haben- um so fröhlicher ist man, wenn man feststellt, dass dem doch nicht so ist.
Als Ksjoscha, Sascha, Lera und ich das Schulgebäude verließen, passierten wir –wie an jedem Tag- den Wachmann am Eingang. Er sitzt da an einem Tisch und liest meistens irgend ein Klatschblatt. Wie jedes Mal schoss mir durch den Kopf, dass Wachmann an einer so ruhigen Schule zweifelsohne der langweiligste Beruf überhaupt ist- mal abgesehen von Zahnpastatubenzuschrauber in einer Fabrik .
Auf dem Weg zur Wohnung legten wir einen Zwischenstopp bei dem kleinen Einkaufskomplex „Schupaschkar“ – was der zweite Name für Chaboksary (auf Tschuwaschisch) ist- ein. Dort kaufte Sascha für Ksjoscha und mich Pizza- wir haben das Mittagessen verpasst….was ich nicht sonderlich bedauerte, da ich statt einem nacktem Würstchen nun eine lecker, knusprige Pizza verzehren würde.

In der Wohnung angekommen ließen wir uns die Pizza schmecken und philosophierten darüber ob ich nun Sport nötig hätte oder nicht. Die Angst …ja man kann es wirklich Angst nennen… die ich habe als „doppeltes Lottchen“ in die Heimat zurückzukehren begleitet mich hier jeden Tag- aber ich esse trotzdem zu viel … also keine Sorgen um eventuelle Unterernährung an dieser Stelle. Sascha meinte ich hätte keinen Sport nötig- aber er steht auf proppere Mädels- weshalb er Ksjoscha immer zum Essen ermahnt. Ksjoscha meinte ebenfalls, ich hätte es nicht nötig, da ich eh nicht zunehmen würde. Dennoch würde ich heute einen Schnupperkurs mitmachen.

Es war 6 Uhr, als ich mich in Sportkleidung in einer kleiner Sporthalle in Begleitung meiner Gastmutteer und Dascha wiederfand. Eine Frau ende 50 mit weißen, kurzen Haaren, pinkfarbenen Lippen und rosa-schwarz geschminkten Augen begrüßte uns. Sie meinte ich würde heute erst mal eine Schnupperstunde mitmachen. Meine Gastmutter verabschiedete sich. Da war ich nun allein, zwischen ca. 15 weiteren Mädels bzw. Frauen, welche alle bereits Aufstellung genommen hatten. Die freundliche Frau drückte mir einen Holzstab, welcher ca. 1,50m lang war, 0.5kg Hanteln und eine Yogamatte in die Hand. Sie meinte ich solle keine Angst haben- es würde schon nicht schwer werden. Alle weiblichen Geschöpfe in dem Raum sahen in Richtung einer komplett mit Spiegeln bedeckten Wand- schließlich sollte man bei Fitnessübungen auch sehen, ob man es richtig macht. Über den großen Spiegeln hingen mehrere Fernseher. Die Frau schaltete das Video, die Musik und die Lichteffekte ein. Die Trainerin (freundliche Frau mit dem krassen Make- up) erklärte mir, ich solle die Bewegungen der Sportlerin auf der linken Seite des Bildschirmes nachmachen. Ich meisterte meine Aufgabe ganz passabel. Ab und zu kam die erstaunlich fitte 50jährige auf mich zu und meinte ich sei eine Frau und solle eine aufrechte, freundliche Haltung beibehalten und nicht zu einem verkrampften Kartoffelsack zusammenfallen. Das war aber leichter gesagt als getan- ich war dennoch nicht schlecht.
Auf dem Bildschirm waren noch zwei weitere Frauen zusehen. Eine die ein Muskelaufbautraining ausübte und eine weitere, welche Konditionstraining vorführte- ich machte übrigens Problemzonen- Training wie mir später gesagt wurde.
Die Musik war basselastik- was mir persönlich sehr zusagte – die Lichteffekte waren nur leichter Farbwechsel, aber dennoch passend. Alles in allem war es eine angenehme, wenn auch anstrengende Sportstunde. Anschließend unterhielt ich mich mit der Trainerin. Sie redete schonungslos schnell und kompliziert auf mich ein. Zwischendurch immer die Frage ob ich verstanden hätte- ich bejahte, denn ich bezweifelte, dass sie andere Sprachen beherrschte auf welche sie ausweichen könnte. Ich habe so viel verstanden, dass das so genannte „Scheiping- Programm“ eines der besten Trainingprogramme überhaupt ist.- mehfach ausgezeichnet und von Ärzten bestätigt. Sie zeigte mir Bilder von Frauen welche von Fett zu furchtbar attraktiv mutierten- eben durch besagtes Programm. Um ehrlich zu sein bezweifle ich etwas, dass dieses Training wirklich solch eine Wirkung zeigt aber das werde ich ja noch sehen. Sie erklärte mir die Kosten und das beim nächsten mal sämtliche Körpermaße und Masse genommen werden und ein eigenes Programm auszuarbeiten und den Erfolg nachvollziehen zu können. Eigentlich wollt ich nicht Problemzonen bearbeiten- dazu bräuchte ich erst mal welche- aber schaden kann es nicht und ich werde die Horrorvorstellung von 15 Kilo mehr auf den Rippen los. Nächsten Donnerstag werde ich wieder hingehen.

Von dem Sportraum bis zur Wohnung muss ich nur einen kurzen Weg von etwa 5min zurücklegen- es machte mir also nichts aus, dass es bereits dunkel geworden war.
Ich betrat die Wohnung. Meine Gastfamilie begrüßte mich freundlich. Die „Oma“ war zu Besuch. Sie war eine Woche in Sotschi gewesen, um dort ihren Urlaub zu verbringen. Sie hatte mir sogar etwas mitgebracht. Ich bedanke mich höflich.
Ein Magnet aúf welchem links Oben "Sotschi" geschrieben ist. Sieht schön aus- na wie siehts mit der nächsten Urlaubsplanungaus Papi? :)
Ein Steindelfin

Während des Abendessens wurde ich ausgefragt wie ich das Training fand und ob ich es weitermachen würde. Ich fand´s klasse! Ich mach weiter! Meine Gastmutter wechselte irgendwie sehr geschickt das Thema, denn plötzlich fragte sie mich wie ich denn die Jungs hier so fände. Ich sah sie entgeistert an. Erstens weis sie, dass ich vergeben bin und zweitens reden wir hier immer noch von den pubertierenden Sprageltarzanen der 9.Klasse. Ich sagte ich habe bereits einen Freund. Sie gab sich nicht zu Frieden. Darauf hin sagte ich „Nun ja…ist die 9. Klasse…es sind halt Bubis…“ zuckte dabei mit den Schultern und setzte ein desinteressiertes Gesicht auf. Meine Gastmutter musste lachen. Sie meinte daraufhin zur „Oma“ wie sehr es ihr gefalle, dass ich immer frei heraus sage, was ich denke. Ich grinste.

Dascha schrie plötzlich mitten in die Abendbrotunterhaltung: „Schalotte wird fett nach Deutschland zurückgehen!“ Hallendes Gelächter unterbrach das Gespräch.(Dascha ersetzt immernoch das gerollte "r" durch ein "l"- weshalb ich Schalotte bin) Während meine Gastmutter sich freute, dass Dascha das Wort „Deutschland“ kannte, freute ich mich darüber, dass wenigstens einer hier meine Bedenken verstanden zu haben schien.
Nach dem Sandmann verabschiedete sich die „Oma“.
Ich widmete mich den Englischhausaufgaben und ging anschließend zu Bett.

Liebste Grüße

Tagesfazit: „Sportprogramm wird fortgesetzt!“

Montag, 20. September 2010

guten Morgen, Schönheit!

Wenn man an einem Montagmorgen verpennt in die Schule kommt und mit den Worten „Guten Morgen Schönheit!“ begrüßt wird, dann ist das einer der besten Startmöglichkeiten in die Woche. Heute morgen war, wieder Begrüßungskomitee angesagt. Diesmal war Klasse 11 dran. Ich betrat im Halbschlaf das Eingangsfoyer und lächelte, weil ich das Komitee jedes mal witzig finde. Man rief mir im Chor ein: „GUTEN MORGEN!“ zu- und ein Kerl, welcher weiter am Rand stand ergänzte „…SCHÖNHEIT!“ Ich lächelte dankbar und eilte Ksjoscha hinterher, welche mich auf dem Weg zur ersten Stunde längst abgehängt hatte.

Die erste Stunde war Algebra- mittlerweile ist diese Sunde für mich zu einer Art Abschreibung verkommen. Ich versteh' nichts von den Aufgaben- zum einen weil ich nicht verstehe, was ich errechnen soll und zum anderen, weil ich nicht weiss wie ich etwas berechnen würde, wenn ich die Aufgabe verstünde.
In der Essenspause gab es wieder seltsam nackt aussehende Würstchen mit nicht identifizierbarem weißem Schleim dazu. Ich bevorzugte deshalb erneut Salat. Seda aß wieder eines der leckeren Milchbrötchen, welche noch mit Zucker bestreußelt sind. Ich fragte wie viel es koste. Sie antwortete: „5 Rubel“ Ich fragte erneut nach, denn ich war nicht sicher, ob ich richtig verstanden hatte. Doch auch auf Englisch und mit Pantomime blieben es umgerechnete 12 Cent. Da sag' ich doch mal „Hallo Pausenimbiss!“ Natürlich ist hier nicht alles so billig- der Rest in der Schulcafeteria ist ungefähr genauso überteuert, wie an jeder anderen Schule auch. Hier eine Zwischeninfo an meinen Vater, welcher sich seit Jahren fragt, ob es ein Wort für „Brötchen“ im Russischen gibt- ja gibt es. „Brötchen“ heißt „Bulotschka“.
Die Mädels und ich unterhielten uns wiedereinmal über den Winter in Cheboksary. Ich fragte ob es das so genannte „Sterngeflüster“ hier auch gäbe. „Sterngeflüster“ ist eine Erscheinung, welche nur bei sehr niedrigen Temperaturen auftritt. Wenn der Atem während des Ausatmens, beim Kontakt mit der Winterkälte gefriert und in Form kleiner Eiskristalle zu Boden fällt, so nennt man das „Sterngeflüster“. Eigentlich hatte ich kein „Ja!“ als Antwort erwartet, doch genau dieses wurde mir jetzt erwidert. Lisa sah mich an, lachte und rief: „Manchmal müsste man von deinem Gesicht einen Film drehen!“ In der Tat muss ich etwas erschrocken ausgesehen haben- zumindest war ich das. Ich finde die Vorstellung, dass mein Atem gefriert und ich ihn in der Hand halten kann seltsam. Der russische Winter macht mir sowieso etwas zu schaffen- schließlich hat der selbst Napoleon in die Flucht geschlagen!
In der Geografiestunde malte ich wieder etwas. Die Lehrerin redete und redete. Sie wusste, dass sie nur redete, um die Luft mit Kohlenstoffdioxid anzureichern und es war ihr egal- sie hatte ihre Pflicht getan. Immer wieder sagte sie im monotonen Tonfall: „Richtet eure Aufmerksamkeit auf...“ Doch niemand richtete seine Aufmerksamkeit auf irgendetwas und da konnte sie das noch so oft verlangen. Hier also mein Bild von meiner etwas andersartigen Prinzessin- sie ist mir persönlich sympathischer, als meine erste Stundenmalerei.

Wir verließen das Schulgebäude nach sieben Schulstunden. Es regnete. Na klasse. Wir eilten zum Trolleybus. An der Haltestelle wurde ich darauf hingewiesen mindestens einen Meter von der Fahrbahn Abstand zu nehmen. Ich verstand nicht gleich warum. Der Trolleybus kam. Es hatte sich erstaunlich viel Wasser am Fahrbahnrand gesammelt- und wie mir später auffiel auch in den Unebenheiten der Fahrbahn. Der Bus kam und sorgte für eine kleine Flutwelle von mindestens 1 Meter Höhe- jetzt war ich froh, Abstand genommen zu haben. Man muss hierbei erwähnen, dass es nicht aus Kannen gegossen hat- es regnete. Wir stiegen ein und fuhren zur Wohnung.

Heute musste ich wieder Wäsche waschen. Ich schnappte mir also das Waschmittel und las zum erstenmal die Verpackung. In kyrillischen Buchstaben stand da „Mif“ …besser „Mief“ ausgesprochen…das Waschmittel heißt also „Mief“. Na, wenn das nicht kontraproduktiv ist. Ich wusch meine Blusen und Pullover … hier ein lieber Gruß an die Waschmaschine zuhause und Mami, welche besagtes Maschinchen immer mit meiner Wäsche fütterte. Ganz ehrlich, ich vermisse diesen Luxus.

Als meine Gastmutter mit Dascha nach Hause kam, wurde ich zum Kochen mit eingespannt. Heute ist es 7 Jahre her, dass sich meine Gastmutter und ihr jetziger Mann kennen gelernt haben. Zur Feier des Tages gab es wieder Scharlottka. Aber mal ehrlich- typisch Frau…wer merkt sich ernsthaft mal den Tag an dem man sich das erste mal gesehen hat?! Nun ja, wir aßen zu Abend- wie immer zu viel. Nach dem Sandmann wurde ich von Dascha zum Vorlesen genötigt. Sie bestand darauf und meinte ich könne lesen, also solle ich es tun. Ich gab mich geschlagen und haspelte ihr ein Märchen vor, welches ein bisschen wie Schneewittchen ist. Anschließend legte ich einen Marathon hin, in welchem ich für drei Tage Blogeinträge nachholte und online stellte. Danach ging ich erschöpft ins Bett.

Tagesfazit: „Wenn es regnet, Abstand zur Fahrbahn halten!“

Sonntag, 19. September 2010

Nishni Nowgorod

Der Wecker klingelte um 6 Uhr. An einem Sonntag Morgen! Wie bereits letzte Woche festgestellt, komme ich hier vermutlich nie zu meinem Ausschlafen bis um 10 oder um 11 Uhr. Ich machte ein Foto vom Sonnenaufgang und von einer Leuchtschrift, welche mir auffiel.

Stellt euch mal vor in Deutschland gäbe es ein Haus auf dessen Dach "DEUTSCHLAND" steht...
auf diesem Dach steht jedenfalls "RUSSLAND"



Im Schlaftaumel verließen Ksjoscha und ich Lisas Wohnung und liefen etwa 10 Minuten bis zu der Wohnung von Ksjoschas Vater. Wir stiegen in den KIA des Vaters ein. Sehr sauber und ordentlich- ein normales, komfortables Auto eben. Das ist mir auch schon aufgefallen, als er mich mit diesem zum erstem mal zur Wohnung fuhr- damals vor 3 Wochen. Seine Freundin Tanja- von allen Tante Tanja genannt- stieg zusammen mit ihrer Tochter Jana ein. Tante Tanja klingt auf russisch sehr lustig, denn Tante heißt hier: „Tjötja“ Also heißt sie „Tjötja Tanja“. Alles bereits vertraute Gesichter- ich war ja schon mal zu Besuch bei Ksjoschas Vater.
Wir fuhren um 7 Uhr los. In Russland gibt es keine Autobahn- die Fahrt würde 4 Stunden dauern.

Kaum hatten wir Cheboksary verlassen, fuhren wir durch Wald. Wald, Wald, Wiese, Wald und nochmals Wald. Die Straße war zwei bzw. dreispurig und meist von schlechter Qualität. Es begann zu regnen, weshalb ich keine Bilder machen konnte. Aus einem fahrenden Auto bei Regen, da sind gute Fotos mit meinem Fotoapparat unmöglich. Einmal fuhren wir durch ein Schlagloch, welches so tief war , dass das Wasser bis zur Windschutzscheibe schwappte. Doch nach dem Passieren einer Straßenausbesserungsbaustelle wurde die Fahrbahn besser, um nicht zu sagen qualitativ hochwertig- insofern ich das mit meinen zarten 16 Jahren einschätzen kann. Die Straße schlängelte ihren Weg über Berge, Wiesen und Nadelwälder. Wir fuhren durch kleine Ortschaften, welche mich schwer an russische Märchen erinnerten. Zu beiden Seiten der Straße standen dann niedliche kleine Backsteinhäuser aus weißem und rotem Backstein und auch kleine Holzhäuser mit bemalten Fensterläden waren zu sehen. Ich habe auf der Rückfahrt ein solches fotografiert- und zwei Mütterchen. Eine Szene wie aus dem Märchenbuch.

Nach vier Stunden waren wir in Nischni Nowgorod. Wir fuhren zunächst zum „Fantastika“- ein riesiges Einkaufzentrum. Dort wollten wir uns zunächst nach wärmerer Kleidung umsehen.
In großen, bunten Buchstaben geschrieben: "Fantastika"
Nu gugge ma schau! Nen Real gibts hier auch!

Die Winterkollektion ist noch nicht in den Läden- also die für –40°C. Kleidung ist in Russland sauteuer. Ich kaufte mir zwei Pullover- ich stell mal Bilder von denen rein, wenn ich sie trage. Der eine ist ein normaler Pulli, welchen ich auch beim deutschen Winter tragen würde. Der andere ist sehr dick gestrickt- in Rollkragenpullover, in dem ich auch kältere Tage abkann. Weitere Kleidung werde ich mir in Cheboksary kaufen, wenn die Temperaturen ins Bodenlose fallen. Während des Shoppens hänkelte sich Tante Tanja bei mir unter, grinste mich an und meinte der Winter würde schon nicht so schrecklich werden…na wenn sie sich da nicht mal irrt…
Unsere Zeit war knapp bemessen- schließlich kommen noch 4 Stunden Rückfahrt hinzu, die man nicht im dunkeln zurücklegen möchte…jedenfalls nicht bei der Straße. Wir stiegen wieder ins Auto und fuhren tiefern in den Ort hinein. Der Teil Nischni Nowgorods, welchen ich gesehen habe, finde ich nicht sonderlich schön. Es ist eine Kombination aus alten Häusern, welche renoviert sind und jenen denen man ihr Alter ansieht. Hinzu kommen Neubaublocks und Holzhüttchen, eine 6 spurige Straße und schlechter Straßenbelag. Noch immer regnete es. Eine Straßenbahn fuhr an uns vorbei. Sie ist nicht mit einer mir bekannten Straßenbahn zu vergleichen. Diese hier bestand aus nur einem Wagon und war weiß, rot und rost- Farben. Zudem quietschte sie beängstigend und ich war froh dort nicht drin zu sitzen. Ksjoscha erzählte, sie sei noch nie mit einer Straßenbahn gefahren…so etwas gäbe es in Cheboksary nicht, man habe Trolleybusse, Marschrutkas, Busse und Taxis. Ich wusste nicht was ich entgegnen sollte.

Wir hielten an und stiegen aus, um uns die alte Stadtmauer zu betrachten. Man hat von der hochgelegenen Stadtmauer eine wunderbare Sicht auf einen Seitenarm der Wolga Namens „Oka“. Dieser Seitenarm ist so breit wie die Elbe, welche durch meinen Heimatort fliesst. Das nenn' ich mal ´nen Seitenarm. Ich will endlich mal an die Stelle der Wolga, wo sie so breit sein soll, dass man das andere Ufer nicht mehr sehen kann. Aber zunächst gibt’s hier ein paar Bilder von der Stadtmauer und dem Ausblick. Leider hatte mich die Technik wieder besonders lieb und mein Fotoapparat beschloss nicht mehr anzugehen- obwohl ich Ersatzakkus mit hatte.
Verpenntes Lottchen an der Wolga (bzw. Oka) in Nischni Nowgorod an einem regnerischen Tag, mit einem gequälten Grinsen.
39 Kilo meets Mammut.
Oka- der Seitenarm
Jaa..gut vielleicht doch bisschen breiter als die Elbe...
Ein alter Wachturm der Stadtmauer

Wir alle waren hungrig und auch das Wetter veranlasste uns nicht länger durch die Stadt zu laufen, sondern zum „Mega“ zu fahren- eine weitere Einkaufsmeile. Ksjoscha rief begeistert „Ikea!“. Ich sah sie grinsend an und fragte was so toll am Ikea ist. Sie erwiderte sie war erst zwei mal dort und wäre total begeistert von dem Laden. Mir schlief das Gesicht ein. Ich selbst war sooft im Ikea, dass ich keine Ahnung mehr habe wie oft das war. Man erklärte mir in Cheboksary gäbe es kein Ikea (Gedächtnisstütze: Cheboksary ist die Hauptstadt von der russischen Republik Tschuwaschien!). Mein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Veränderte sich jedoch, als Ksjoschas Vater meinte er selbst sei noch nie in einem Ikea gewesen. Anschließend scherzte er: „Das ist eben Tundra, da gibt’s nicht überall ein Ikea!“ Ich lachte und schlug vor im Ikea was essen zu gehen. Die Preise sind niedrig und das Essen ist gut. Ich aß Pommes, mit kleinen Schnitzeln und einem Stück Schokokuchen. Ich bezahlte selbst- zwar lasse ich mich nach Nischni Nowgorod kostenlos kutschieren, aber mein Essen lasse ich nicht auch noch spendieren. Sichtlich zufrieden mit dem Ikeaessen machten wir uns auf den Rückweg- es war bereits 5 Uhr. Höchste Zeit zu fahren!

Noch immer regnete es. Ich finde es etwas schade, nur so wenig, bei so schlechtem Wetter gesehen zu haben. Ich glaube ich komme hier kein zweites Mal her- für Ksjoscha war es das 3. Mal in Nischni Nowgorod.

Wir kamen erst um neun in der Wohnung an. Meine Gastmutter erwartete uns. Sie hatte neue Bettwäsche rausgelegt also begann ich 9 Uhr nachts mein Bett zu beziehen. Ich dachte nun, mich könnte nichts mehr schocken. Keine schlechten Straßen, zu viel Essen, große Familienzusammenkünfte, keine Straßenbahnfahrten, keine Ikeabesuche. Aber falsch gedacht! Meine Gastmutter fragte mich doch tatsächlich, ob ich meine Bettwäsche nicht bügeln wolle. Meine Bettwäsche b ü g e l n ? aaa… das ist ernst gemeint? Ich lehnte dankend ab und meinte es genüge mir so.

Ich war todmüde und fiel wie ein Stein ins Bett. Hier eine kleine Entschuldigung, dass die Blogeinträge so spät kamen- aber ihr seht ich hatte volles Programm. :)

Tagesfazit: „Erwarte das Unerwartete!“

Samstag, 18. September 2010

Mädelsabend

Und wieder quälte ich mich an einem Samstag zur Schule.
Ich hatte die Nacht deutlich besser geschlafen, da ich mich selbst behandelt habe. Anstatt gurgeln, Tee und Tabletten, habe ich einfach warme Milch mit Honig getrunken und schlief wie ein Stein. Dennoch endete der Schlaf zu früh und die Schule rief.
Die Mädels unterhielten sich heute in der Pause hauptsächlich darüber, welcher Schauspieler am heißesten ist - wie gesagt manchmal merkt man eben, dass sie erst 9. Klasse sind. Irgendwann fiel der Name von Till Schweiger. Ich fragte erstaunt nach und bekam eine Lobeshymne auf den Film „Keinohrhasen“ zu hören. Was nicht alles bis nach Russland rüberschwappt! Der Schultag zog sich scheinbar absichtlich in die Länge - wie an jedem Samstag. In der Russischstunde malte ich vor mich hin- aus Langeweile - und wurde prompt ermahnt- das erste mal hier...fast ein denkwürdiger Augenblick.

Nach der Schule gingen Ksjoscha und ich zu ihrer Oma. Ich kannte sie- und Ksjoschas opa- bereits flüchtig. Erinnert ihr euch, ich habe sie als typisch russisches Mütterchen beschrieben.
Beim Mütterchen waren bereits Dascha und meine Gastmutter. Der Kindergarten hat in Russland Samstags geschlossen, was denkbar blöd für alle Lehrer mit Kindern ist. Deshalb war Dascha den Vormittag über beim Mütterchen und ihre Mutter (und gleichzeitig die Tochter des Mütterchens) kam nach der Schule hinzu.
Es gab Pirogen mit Gehacktem und Kohl als Füllung. Sehr lecker. Dabei dürft ihr euch jetzt keine Klischee Teigtasche vorstellen. Das Wort „Pirog“ bedeutet nichts weiter als „Kuchen“ und ungefähr genau so sahen die Pirogen auch aus. Ein Blech mit Teigmantel- in dem Teigmantel die Füllung. Man schneidet – wie bei einem Blechkuchen- Stücke heraus. Sehr lecker. Dann gab´s noch Melone. Später kam noch die Schwester von meiner Gastmutter vorbei. Jetzt war auch die zweite Fuhre Pirogen fertig - diesmal mit Apfelfüllung. Hat etwas von Apfelstrudel. Außerdem heißen diese Apfelpirogen „Scharlottka“. Charlotte isst Scharlottka… Ich sagte es sei sehr lecker und erwähnte gleichzeitig, dass es in Deutschland keine Pirogen gibt. Man sah mich an und lachte. Schließlich fragte man mich ob wir nur Brot essen würden und von was wir überhaupt leben würden. Dima (Ksjoschas Bruder) kam auch noch vorbei- auch die Tochter der Schwester meiner Gastmutter und deren Tochter kamen zu Besuch. Bald war auch Mütterchen´s Mann zu Hause. Also eine große Runde und immer mehr Essen wurde angekarrt. Ich gab mich irgendwann geschlagen und erklärte mich für satt- egal ob das nun unhöflich ist oder nicht.
Um vier verabschiedeten Ksjoscha und ich uns und bekamen prompt noch einen Apfel als Wegzehrung mit- wir könnten nach der Fressorgie ja auf einem 20 min Weg zu Lisa verhungern. Ja, wir waren auf dem Weg zu Lisa. Mädelsabend mit Übernachtung war angesagt.
Lisas Wohnung ist klein aber sehr modern eingerichtet. Ihre Mutter war an dem Abend nicht zu Hause - so ein Glück aber auch. Lisa erzählte mir, sie habe ihrer Mutter Bilder von mir gezeigt und sie habe erwidert ich sei sehr schön. Keine typische deutsche Frau. Ich fragte was Lisas Mutter damit gemeint habe. Man erklärte mir, dass deutsche Frauen im allgemeinem selbstbewusste Mannsweiber sind- in dem Sinne grüße ich meine Mannsweiber zu Hause.
Es war ein toller Abend. wir machten bisschen Party, bestellten uns eine viel zu große Pizza und sahen irgend einen russischen Film an. Typischer Mädelsabend eben. Lisa meinte irgendwann es komme ihr vor, als sei ich nicht erst seit ein paar Wochen sondern schon seit Jahren hier und mit ihnen befreundet- Lera, Seda (Sjeda ausgesprochen), Ksjoscha, Natascha und Nastja stimmten zu. Ganz ehrlich ich hab sie Mädels lieb gewonnen- ich kann sie zweifelsohne als Freundinnen bezeichnen. Wir blödelten noch bis um 2 Uhr. Dann beschlossen wir schlafen zu gehen, da Ksjoscha und ich um 6 Uhr aufstehen mussten, weil ihr Vater uns mit nach Nischni Nowgorod nehmen würde. JEHA!

Gute Nacht!

Tagesfazit: „Ich hab' meine Mädels lieb!“

Ein Besonderer Gruß geht an dieser Stelle an meine Oma, welche heute Geburtstag hat. Alles Gute zum Geburtstag! Ich wünsch dir Gesundheit, viel Freude und weiterhin solch endlose Geduld mit uns! Deine Enkelin

Freitag, 17. September 2010

Wieso versteht sie etwas?

Ich ging heute wieder zur Schule, denn schließlich bin ich unter anderem hier, um die Sprache zu lernen. Unter Leute kommen schadet auch nicht.
Die erste Stunde Algebra. Wir schreiben einen Test. Ein wunderbarer Start in einen Freitagmorgen. Das Spicken hier ist übrigens sensationell. Es wird über Bänke hinweg getuschelt, von den Spickzetteln auf den Handinnenseiten abgeschrieben, Zettel vom Klassenbesten mit bereits gelösten Aufgaben durchgereicht und sogar Fotos werden gemacht, welche per SMS an eine der höheren Klassen geschickt wird und man so nur noch auf eine Lösungs-SMS warten muss. Jedes Mal faszinierend!
Nach dem Test wurden wir von der Referendarin unterrichtet. In Deutschland hätten alle Jungs sabbernd mit Stielaugen an ihrer Schulbank gesessen- aber hier war ihre Erscheinung normal. Sie trug eine fliederfarbene Bluse, einen engen, knielangen Rock, Nylonstrümpfe und an den Füßen schwarze mind. 10cm Pumps. Ihre braunen, glatten Haare reichten bis zur Taille - sie trug sie offen. Insgesamt eine bildschöne Erscheinung- nur ihre Augen ließen eine gewisse Härte erkennen. Im Mittelalter hätte man sie für ihr bezauberndes Äußeres und den Fakt ihres offenbar erfolgreichen Mathematikstudiums sicherlich als Hexe verbrannt. Aber wir leben im 21. Jh. Und ich bin in Russland- keinem außer mir schien ihr Wissens- Schönheitscocktail aufzufallen.
In der darauffolgenden Pause bekam ich von Sonja ein Armband mit der Aufschrift: „Charly (Scharli)“ geschenkt. Sie freue sich sehr, dass ich hier bin. Ich mag Sonja auch sehr- mit eine der wenigen Personen hier mit welchen ich wirklich auf einer Wellenlänge bin. Sie ist nur 1.60m groß. Trägt ihre braunen Haare meist geflochten und ist ebenfalls Brillenträgerin. Sie scheint nicht viel von Absatzschuhen, Schleifen, Rüschen, rosa Schminke usw. zu halten. Sehr erfrischend. Eine von Grund auf liebe und ehrliche Persönlichkeit.

In der Essenspause gingen Sascha, Ksjoscha, Lera und ich Essen fassen. Heute schmeckte es wieder besonders scheußlich- man konnte es dem Essen sogar ansehen. Der zweite Gang war Kartoffelbrei, seltsam gräulich verfärbt und ohne Beilage. Ich sah das Essen angewidert an, als einer von Saschas Kumpels kam. Er sagte zu mir: „Russisch! Russisch! Kartoffeln! Russische Kartoffeln! Hm lecker!“ Wobei ich erwähne sollte, dass er schrie, als ob ich taub sei. Ich fühlte mich etwas, nun ja, unterschätzt, oder für schwachsinnig erklärt. Ich grinste den Spargeltarzan an und erwiederte: „Idiot. Glaubst du ich bin blöd?“ Sein Gesicht schlief ein. Er tuschelte zu Sascha: „Woher kennt sie russische Schimpfwörter und wieso versteht sie etwas?“ Ich übernahm das Antworten: „Sascha hat sie mir beigebracht und russisch lerne ich in der Schule.“ Er schaute irritiert an und ging fort. Ich zog es vor, die russischen Kartoffeln nicht zu essen- auch die versalzene Suppe sagte mir nicht zu. Ich aß Salat mit Brot.
Wir wollten gerade den Speiseraum verlassen, als ein kleines Mädchen- vermutlich 7 Jahre alt- mich kleinlaut von der Seite mit : „Hallo!“ begrüßte. Ich sah sie an. Sehr klein, lange blondbraune Haare zu einem Zopf zusammengebunden und mit einer riesigen, weißen Schleife fixiert. Sie trug einen blauen Karo-Falten rock und eine weiße Bluse. Ihre großen braunen Augen betrachteten mich neugierig. Ich sagte : „Hallo!“ Sie ging nicht weg. Sie sah mich an. Ich war irritiert und fragte mit einem freundlichen Lächeln: „Wie geht es dir?“ Sie antwortete, dass es ihr gut gehe und fragte mich dann ob es mir hier gefalle und was mein Lieblingsfach sei, bevor sie sich schnell wieder zu ihren Freundinnen an den Essenstisch setzte. Ich finde vor allem die letzte Frage sehr süß. Ich möchte von einem Fremden auch immer zuerst wissen, welches sein Lieblingsfach ist.
Bevor ich den Raum verließ, winkte ich dem Mädchen zu. Es strahlte und winkte zurück.

In Deutsch habe ich heute eine 5 bekommen. Jeha (wieder daran denken: 5 beste Note- 2 schlechteste). Es wäre auch echt peinlich gewesen, wenn’s keine 5 geworden wäre. Deutsch (bzw. Französisch- je nach Wahl) hat man hier nur einmal die Woche- ist meiner Meinung nach etwas sinnlos…

Nach der 7. Stunde hatte ich´s endlich geschafft und fuhr mit Ksjoscha zur Post, um nach zu fragen wie viel ein Paket nach Deutschland kostet. Das Weihnachtpaket scheint wohl flachzufallen- einfach zu teuer.

Ksjoscha fuhr zu Sascha- ich zur Wohnung. Ich aß etwas und schrieb am Blog. Bald kam auch Ksjoscha nach Hause. Wir quatschten ein bisschen bis meine Gastmutter nach Hause kam. Wir machten Tomatensalat mit Champignons und Pelmeni (aus der Tüte). Sehr lecker- wir essen übrigens immer warm hier. So etwas wie: "Ich habe eine Scheibe Brot und suche mir Wurst oder Käse dazu" gibt es hier nicht.
Nach dem Essen schrieb ich etwas an meinem Blog, als Dascha mit einer Banane angerannt kam, sie mir in die Hand drückte und mit vollem Bananenmund sagte: „Iss!“ Tja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – wie es so schön heißt. Denn schließlich ist „Iss!“ das meistgesagte Wort meiner Gastmutter.

Nach dem Sandmann hieß es wieder ab ins Bett.

Tagesfazit: "Nach Regen folgt auch wieder Sonnenschein."

Hier zwei Bilder von den Fluren meiner Schule, damit ihr eine bessere Vorstellung bekommt, wie es dort aussieht.

Donnerstag, 16. September 2010

ein blöder Tag

Ich habe fast die gesamte Nacht durchgehustet. Ich lag bis drei Uhr wach und konnte nicht aufhören zu husten. Ich versuchte Tee und Gurgeln- beides half nichts. Wenn man nachts in einem fremden Land, in einer fremden Wohnung, in einer fremden Familie wach liegt, es einem schlecht geht und man Schuldgefühle hat, weil man glaubt alle Familienmitglieder zu wecken, hat man nur einen Gedanken: nach Hause. Man will nach Hause- ohne Umwege, ohne 10 Monate Wartezeit- nur sofort nach Hause. Man will in sein eigenes Bett und das Gefühl jemandem zur Last zufallen will man auch los haben. Gestern Naht lag ich also bis 3 Uhr wach und wollte nach Hause- zu meinen Lieben.
Meine Gastmutter kam irgendwann ins Zimmer- ich hatte sie also wirklich geweckt. Sie gab mir Tee. Ich trank. Das Husten wurde weniger. Erschöpft schlief ich ein.

Heute ging ich nicht zur Schule. Ich ruhte mich aus.

Ich schlief bis um 12.
Um wenigstens irgendwie von Nutzen zu sein – wenn ich schon in der Wohnung bin- räumte ich auf und spülte das Geschirr- mittlerweile fast tägliche Routine.
Gestern hat mir meine Gastmutter gesagt, dass sie mich aufgenommen haben, obwohl sie wenig Geld haben. Das Reiche sowieso nie Gastschüler aufnehmen würden. Sie sagte, die Wohnung sei unfertig und alles koste Geld- trotzdem hätte man mich aufgenommen. Die Englischlehrerin (und gleichzeitig YFU-Freiwillige) sei auf sie zugekommen und hätte gefragt. Sie erzählte sie habe nein gesagt- erst nächstes Jahr, wenn die Wohnung fertig eingeräumt ist. Aber man hätte sie überredet.
Meine Gastfamilie nahm mich also auf, obwohl sie wenig Geld haben und obwohl sie es offenbar gar nicht so wollten. Da fühle ich mich gleich viel besser- ich weis nicht was ich davon halten soll.

Nach der Schule kam Ksjoscha und brachte Sascha mit. Ich war einfach nur müde und legte mich wieder schlafen. Ich beschäftigte mich anschließend mit Hausaufgaben und russischem Fernsehprogramm. Wir aßen zu Abend, als meine Gastmutter mit Dascha gegen 10 nach Hause kam.
Gute Nacht