Donnerstag, 23. September 2010

Ich verstand alles!

Heute Morgen ging der Fahrstuhl nicht! Ich wohne hier in der 7. Etage und der Aufzug geht nicht! In den letzten Tagen hatte er immer ein schleifendes Geräusch von sich gegeben, welches so laut war, dass meine Gastmutter nicht schlafen konnte, sobald jemand den Fahrstuhl benutzte. Aber ein schleifendes Geräusch ist hier weiter nichts Dramatisches! Ich würde heute noch zum Sport gehen. Unvorstellbar wie ich nach einer Stunde kraftraubendem Sport in die 7. Etage ohne Fahrstuhl kommen soll. Aber noch war ja nicht aller Tage Abend und Treppen runter laufen ist nicht schlimm….

Ich habe den Fahrstuhl mal fotografiert. Er ist also nicht gruselig vergammelt oder etwas in der Art. Es ist ein normaler, ca. 2 m² großer Fahrstuhl.



In der ersten Unterrichtstunde des Tages, welche Russisch war, schrieben wir ein Diktat. Die Lehrerin sah mich erstaunt an, als ich todesmutig ein Blatt Papier zückte, um mitzuschreiben. Sie fragte, erfreut ob ich es wirklich versuchen wolle und ich sagte, dass ich es zumindest probieren werde. Der Text handelte von Jungs, Schiffen, einer Expedition und Piraten. Ich habe sogar einen vollständigen Satz aufschreiben können! Ich merkte, dass sich die Lehrerin große Mühe gab- sie wiederholte oft was sie diktiert hatte und gab acht auf ihre Aussprache. Sehr lieb von ihr, aber dennoch hatte ich aller drei Worte Wortlücken zu verzeichnen- aber das wird noch. :) Als ich an ihren Tisch kam, um das Diktat –welches durch die mit drei Punkten gekennzeichneten Wortlücken eher aussah wie ein Morsealphabet- schenkte sie mir ein Kompliment bezüglich meines Schals. Ihr wisst schon, der „Designerschal“. Ein Kompliment am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, kann ich dazu nur sagen.

Sonja war heute wieder da. Sie war eine Woche nicht in der Schule gewesen, da sie krank war, doch heute war sie anwesend. Ihr wisst doch noch, wer sie ist? Das von Grund auf liebenswerte und ehrliche Mädchen, welches genauso wenig auf Schleifen und Glitzerkram steht wie ich. Sie und ein paar weitere Mädels luden mich zum Sushi essen am Samstag ein- wird bestimmt prima!

In Sport spielte ich wieder mit Kolja und dem Jungen Basketball- wobei mir diesmal klar geworden ist, warum ich den Namen des einen nicht kannte. Sein Name ist ebenfalls Kolja. Ich schreibe hier übrigens immer nur von Spitznamen- nicht das ihr glaubt, jede zweite heiße Mascha oder Natascha. Kolja ist die Kurzform für Nikolai. Also, wie dem auch sei, ich spielte mit den beiden Basketball- meine Spielart war wie gewohnt „Mädchenbasketball“ aber egal, es machte Spaß.

In der darauf folgenden Pause gesellte ich mich zu einer Gesprächsrunde hinzu. Man fragte mich, ob ich schon mal „Scharlottka“ gegessen hätte - ich sagte ich hätte bereits. Sonja meinte darauf hin „Egal! Wir machen noch mal Scharlottka für dich und diesmal wird Scharrrlotta mit Scharrrrlottka fotografiert!“ Ich grinste- mal sehn, ob wir das wirklich am Samstag machen. Anschließend wurde ich ausgefragt welche russischen Märchen ich kennen würde und ob ich hier schon mal im Kino war. Ich zählte ein paar Märchen auf- z.B,; „Der Kloß“ also „Kolobok“- und gestand, hier noch nie im Kino gewesen zu sein. Die Mädels plapperten nun hastig durcheinander was man noch alles für mich kochen müsste und mir zeigen müsste. Ich grinste erneut- bin mal gespannt wie lange der „Hype“ um mich anhält. Dann wechselte ich das Thema und meinte, dass mir die Schokolade, welche es nur hier gibt, sehr gut schmecke. Sonja lächelte und meinte: „Ja dann kaufen wir dir Schokolade! Und du nimmst russisches Konfekt mit nach Deutschland! Wir eröffnen ein Business!“ Ich lachte und wir begannen nun darüber zu philosophieren wie wir unsere Firma nennen und wann wir eröffnen.

In Biologie bekam ich wieder ein Biologiebuch zum durchlesen. Jede Stunde gibt mir die freundliche Biologielehrerin ein Buch zum lesen. So langweile ich mich nicht, während sie die ganze Stunde diktiert, was die Schüler auswendig zu lernen haben, und lerne auch noch ein paar Vokabeln. Fledermaus und Herz gehört jetzt mit zu meinem Wortschatz.

Die siebte Stunde war Business- English. Meine erste Stunde Business- English überhaupt! Es war eine lustige Stunde, denn keiner passte auf. Wir gingen Reisevokabeln durch wie zB.: Visum, Gepäcksammelstelle, Flugticket… aber da ich viel reise (lieben Dank an meine Eltern) sind mir solche Begriffe auf Englisch bereits geläufig. Also nutze ich die Stunde, um mit Lisa, Seda und Kolja rumzublödeln. Am Ende der Stunde hatte Kolja mein- ich zitiere: „Original in Deutschland gekauftes Tuch“ um und ich seinen Schlips. Wieder eine neue Vokabel „Schlips = Galstuch“…erinnert etwas an das deutsche Wort „Halstuch“ oder? Anschließend brachte ich Kolja bei wie man auf deutsch seine Krawatte wiederverlangt- er kann es vielleicht brauchen, denn er hat Deutsch als Unterrichtsfach.

Nach der Schule fuhr ich allein zur Wohnung- Ksjoscha und Lera gingen bei Mc Donalds was essen. Da ich mittlerweile weiss, wie lange sich ein kurzes Essen bei den beiden hinziehen kann, ging ich nicht mit. Heute würde ich wieder Sport haben und ich wollte- dank der guten deutschen Erziehung- nicht zu spät kommen.

Ich kam auch nicht zu spät. 10 Minuten zu früh- dass nenn' ich doch mal pünktlich. Eigentlich kommt man hier immer 10 Minuten zu spät- man ist eben entspannt…aber ich werde nicht absichtlich zu spät kommen! So- wo war ich? Ach, ja. Also machte ich wieder 60 Minuten Sport. Nach ca. 30 Minuten tat mir bereits alles weh und ich musste die Zähne zusammen beißen. Die Zeit verging und meine Puste mit ihr. Dann kam noch ein Liedremix namens: „I will survive“ – also: „ich werde überleben“ –sehr passend. Nach einer Stunde hatte ich es überstanden und fühlte mich gar nicht mal so schlecht. Die Trainerin bat mich wieder zu sich. Ich bezahlte für diesen Monat und führte anschließend ein Gespräch mit ihr- wann wir mein Gewicht messen würden, wann ich trainieren kann, was ich zu beachten hätte und so weiter. Und hier kommt die Sensation des Tages: Ich verstand alles! Bei einigen Worten habe ich nachfragen müssen und sie hat andere Worte gewählt aber ich habe wirklich verstanden was sie mir erklärte. Wenn man sie Sprache nicht richtig beherrscht, so gewöhnt man sich irgendwann an Mimik, Gestik und Tonfall zur richtigen Reaktion zusammen zureimen. Manchmal reicht schon ein erstauntes „Ja?“ und das Gegenüber ist zufrieden. Aber diesmal musste ich kein gekünstelt verständnisvolles Lächeln aufsetzten- es war echt. Ich unterschrieb den Zahlungsbeleg mit meinem Namen- und Abstammung „Udovna“ … immer noch befremdlich wie viel Wert hier darauf gelegt wird, dass man die Tochter von Udo ist.

Ich betrat das Wohnhaus und hoffte, dass der Fahrstuhl funktioniert- er tat es...welch ein Glück!


Als ich in der Wohnung ankam wurde ich stürmisch von Dascha begrüßt. Sie rannte auf mich zu während sie schrie: „Schalooootttaaaa!“ Und wumms war sie an meine Beine gestoßen und hatte diese auch sofort fest umklammert. Niedlich.
Meine Gastmutter hatte Freundinnen zu Besuch. Sie begrüßten mich herzlich und fragten mich wie der Sport war. Ich meinte nur: „Ich sterbe!“ und sorgte damit für erheiterte Gemüter. Ich wollte etwas essen. Doch sie wiesen mich gleich darauf hin das nach Sport für 2 Stunden essen gestrichen ist- ansonsten nimmt man zu statt ab. Na klasse.
Ich duschte und quatschte mit Ksjoscha. Eine Stunde nach meinem Sportprogramm gab´s dann doch Abendessen- soviel zu den zwei Stunden.

Nach dem Sandmann ging ich erschöpft zu Bett.

Tagesfazit: „Nach Sport: Essen= gestrichen!“
Ich habe heute wieder das Mütterchen mit der Kuh und den Schafen gesehen- hier noch ein Foto.

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