Sonntag, 19. September 2010

Nishni Nowgorod

Der Wecker klingelte um 6 Uhr. An einem Sonntag Morgen! Wie bereits letzte Woche festgestellt, komme ich hier vermutlich nie zu meinem Ausschlafen bis um 10 oder um 11 Uhr. Ich machte ein Foto vom Sonnenaufgang und von einer Leuchtschrift, welche mir auffiel.

Stellt euch mal vor in Deutschland gäbe es ein Haus auf dessen Dach "DEUTSCHLAND" steht...
auf diesem Dach steht jedenfalls "RUSSLAND"



Im Schlaftaumel verließen Ksjoscha und ich Lisas Wohnung und liefen etwa 10 Minuten bis zu der Wohnung von Ksjoschas Vater. Wir stiegen in den KIA des Vaters ein. Sehr sauber und ordentlich- ein normales, komfortables Auto eben. Das ist mir auch schon aufgefallen, als er mich mit diesem zum erstem mal zur Wohnung fuhr- damals vor 3 Wochen. Seine Freundin Tanja- von allen Tante Tanja genannt- stieg zusammen mit ihrer Tochter Jana ein. Tante Tanja klingt auf russisch sehr lustig, denn Tante heißt hier: „Tjötja“ Also heißt sie „Tjötja Tanja“. Alles bereits vertraute Gesichter- ich war ja schon mal zu Besuch bei Ksjoschas Vater.
Wir fuhren um 7 Uhr los. In Russland gibt es keine Autobahn- die Fahrt würde 4 Stunden dauern.

Kaum hatten wir Cheboksary verlassen, fuhren wir durch Wald. Wald, Wald, Wiese, Wald und nochmals Wald. Die Straße war zwei bzw. dreispurig und meist von schlechter Qualität. Es begann zu regnen, weshalb ich keine Bilder machen konnte. Aus einem fahrenden Auto bei Regen, da sind gute Fotos mit meinem Fotoapparat unmöglich. Einmal fuhren wir durch ein Schlagloch, welches so tief war , dass das Wasser bis zur Windschutzscheibe schwappte. Doch nach dem Passieren einer Straßenausbesserungsbaustelle wurde die Fahrbahn besser, um nicht zu sagen qualitativ hochwertig- insofern ich das mit meinen zarten 16 Jahren einschätzen kann. Die Straße schlängelte ihren Weg über Berge, Wiesen und Nadelwälder. Wir fuhren durch kleine Ortschaften, welche mich schwer an russische Märchen erinnerten. Zu beiden Seiten der Straße standen dann niedliche kleine Backsteinhäuser aus weißem und rotem Backstein und auch kleine Holzhäuser mit bemalten Fensterläden waren zu sehen. Ich habe auf der Rückfahrt ein solches fotografiert- und zwei Mütterchen. Eine Szene wie aus dem Märchenbuch.

Nach vier Stunden waren wir in Nischni Nowgorod. Wir fuhren zunächst zum „Fantastika“- ein riesiges Einkaufzentrum. Dort wollten wir uns zunächst nach wärmerer Kleidung umsehen.
In großen, bunten Buchstaben geschrieben: "Fantastika"
Nu gugge ma schau! Nen Real gibts hier auch!

Die Winterkollektion ist noch nicht in den Läden- also die für –40°C. Kleidung ist in Russland sauteuer. Ich kaufte mir zwei Pullover- ich stell mal Bilder von denen rein, wenn ich sie trage. Der eine ist ein normaler Pulli, welchen ich auch beim deutschen Winter tragen würde. Der andere ist sehr dick gestrickt- in Rollkragenpullover, in dem ich auch kältere Tage abkann. Weitere Kleidung werde ich mir in Cheboksary kaufen, wenn die Temperaturen ins Bodenlose fallen. Während des Shoppens hänkelte sich Tante Tanja bei mir unter, grinste mich an und meinte der Winter würde schon nicht so schrecklich werden…na wenn sie sich da nicht mal irrt…
Unsere Zeit war knapp bemessen- schließlich kommen noch 4 Stunden Rückfahrt hinzu, die man nicht im dunkeln zurücklegen möchte…jedenfalls nicht bei der Straße. Wir stiegen wieder ins Auto und fuhren tiefern in den Ort hinein. Der Teil Nischni Nowgorods, welchen ich gesehen habe, finde ich nicht sonderlich schön. Es ist eine Kombination aus alten Häusern, welche renoviert sind und jenen denen man ihr Alter ansieht. Hinzu kommen Neubaublocks und Holzhüttchen, eine 6 spurige Straße und schlechter Straßenbelag. Noch immer regnete es. Eine Straßenbahn fuhr an uns vorbei. Sie ist nicht mit einer mir bekannten Straßenbahn zu vergleichen. Diese hier bestand aus nur einem Wagon und war weiß, rot und rost- Farben. Zudem quietschte sie beängstigend und ich war froh dort nicht drin zu sitzen. Ksjoscha erzählte, sie sei noch nie mit einer Straßenbahn gefahren…so etwas gäbe es in Cheboksary nicht, man habe Trolleybusse, Marschrutkas, Busse und Taxis. Ich wusste nicht was ich entgegnen sollte.

Wir hielten an und stiegen aus, um uns die alte Stadtmauer zu betrachten. Man hat von der hochgelegenen Stadtmauer eine wunderbare Sicht auf einen Seitenarm der Wolga Namens „Oka“. Dieser Seitenarm ist so breit wie die Elbe, welche durch meinen Heimatort fliesst. Das nenn' ich mal ´nen Seitenarm. Ich will endlich mal an die Stelle der Wolga, wo sie so breit sein soll, dass man das andere Ufer nicht mehr sehen kann. Aber zunächst gibt’s hier ein paar Bilder von der Stadtmauer und dem Ausblick. Leider hatte mich die Technik wieder besonders lieb und mein Fotoapparat beschloss nicht mehr anzugehen- obwohl ich Ersatzakkus mit hatte.
Verpenntes Lottchen an der Wolga (bzw. Oka) in Nischni Nowgorod an einem regnerischen Tag, mit einem gequälten Grinsen.
39 Kilo meets Mammut.
Oka- der Seitenarm
Jaa..gut vielleicht doch bisschen breiter als die Elbe...
Ein alter Wachturm der Stadtmauer

Wir alle waren hungrig und auch das Wetter veranlasste uns nicht länger durch die Stadt zu laufen, sondern zum „Mega“ zu fahren- eine weitere Einkaufsmeile. Ksjoscha rief begeistert „Ikea!“. Ich sah sie grinsend an und fragte was so toll am Ikea ist. Sie erwiderte sie war erst zwei mal dort und wäre total begeistert von dem Laden. Mir schlief das Gesicht ein. Ich selbst war sooft im Ikea, dass ich keine Ahnung mehr habe wie oft das war. Man erklärte mir in Cheboksary gäbe es kein Ikea (Gedächtnisstütze: Cheboksary ist die Hauptstadt von der russischen Republik Tschuwaschien!). Mein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Veränderte sich jedoch, als Ksjoschas Vater meinte er selbst sei noch nie in einem Ikea gewesen. Anschließend scherzte er: „Das ist eben Tundra, da gibt’s nicht überall ein Ikea!“ Ich lachte und schlug vor im Ikea was essen zu gehen. Die Preise sind niedrig und das Essen ist gut. Ich aß Pommes, mit kleinen Schnitzeln und einem Stück Schokokuchen. Ich bezahlte selbst- zwar lasse ich mich nach Nischni Nowgorod kostenlos kutschieren, aber mein Essen lasse ich nicht auch noch spendieren. Sichtlich zufrieden mit dem Ikeaessen machten wir uns auf den Rückweg- es war bereits 5 Uhr. Höchste Zeit zu fahren!

Noch immer regnete es. Ich finde es etwas schade, nur so wenig, bei so schlechtem Wetter gesehen zu haben. Ich glaube ich komme hier kein zweites Mal her- für Ksjoscha war es das 3. Mal in Nischni Nowgorod.

Wir kamen erst um neun in der Wohnung an. Meine Gastmutter erwartete uns. Sie hatte neue Bettwäsche rausgelegt also begann ich 9 Uhr nachts mein Bett zu beziehen. Ich dachte nun, mich könnte nichts mehr schocken. Keine schlechten Straßen, zu viel Essen, große Familienzusammenkünfte, keine Straßenbahnfahrten, keine Ikeabesuche. Aber falsch gedacht! Meine Gastmutter fragte mich doch tatsächlich, ob ich meine Bettwäsche nicht bügeln wolle. Meine Bettwäsche b ü g e l n ? aaa… das ist ernst gemeint? Ich lehnte dankend ab und meinte es genüge mir so.

Ich war todmüde und fiel wie ein Stein ins Bett. Hier eine kleine Entschuldigung, dass die Blogeinträge so spät kamen- aber ihr seht ich hatte volles Programm. :)

Tagesfazit: „Erwarte das Unerwartete!“

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