Montag, 6. September 2010

erste Woche bereits vorbei

Heute erst zur dritten Stunde- ein wunderbarer Beginn für einen Montagmorgen. Weniger wunderbar jedoch die dritte Stunde - Algebra. Ksjoscha und ich fuhren mit dem Bus zur Schule. Der Bus war wie immer rappelvoll und überall hörte man es schniefen und husten. Es ist Erkältungszeit und ein Bus ist da nicht nur ein Bus sondern eher eine Bakterienkutsche, in welcher Ksjoscha und ich uns nun jeden Tag 40 Minuten befinden werden. In der Schule angekommen, begrüßen wir wie immer mit einem freundlichen Kopfnicken den Wachmann am Eingang. Diesen habe ich euch bisher vorenthalten, doch er ist sozusagen Teil der Schule. Anschließend begrüßte mich freudestrahlend meine Klassenlehrerin und fragt mich ob ich mich wohlfühle und alles zu meiner Zufriedenheit sei. Ich antwortete bejahend. Sie fuhr fort in dem sie mir sagte, dass ich mich nicht über schlechte Noten ärgern solle, das würde noch werden. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erklärte sie mir das Loren, eine Amerikanerin, am Donnerstag an diese Schule – ebenfalls für ein Jahr - kommen würde. Sehr interessant. Evtl. eine gute Möglichkeit mein Englisch zu verbessern. Zudem meinte sie noch ich würde bald meinen persönlichen Stundeplan, der meinem Verständnis einigermaßen angepasst sein wird, bekommen. Weiter erzählte sie noch, dass die Mathelehrerin neu ist, weshalb diese nicht wisse, wie man mit Gastschülern umgehe und dies noch zu lernen hätte. …Ich würde sagen das bedeutet: Eins zu null für mich!
Wenn man vom Teufel spricht…die nächste Stunde verbrachte ich mit Algebra. Die Mathelehrerin war unverändert emotionslos. Doch auch diese Stunde verging.
In der Pause beschlich mich Mutter Natur - oder anders: ich musste aufs Klo. Ich weiss, ihr fragt euch jetzt wieso ich euch das erzähle. Abwarten! Ich ließ mir die Toilette zeigen. Einmal und niiieee wieder! Schultoiletten sind in Russland nicht mit Türen ausgestattet - Kabine ja - Tür nein. Schrecklich.
In Englisch behandelten wir ein Buch welches alle über die Sommerferien (in Russland 3 Monate) zu lesen hatten: Dr. Jekyll and Mr. Hyde. Zum Glück hat mir mein Vater vor ein paar Jahren das Buch mit den Worten: „Lesen fördert die Bildung und du magst doch spannende Bücher.“ In die Hand gedrückt, sodass ich dem Unterrichtsgeschehen folgen konnte. Wieder fiel mir das seltsame Englisch der Russen auf. Doch diesmal habe ich eine Begründung parat. In der Pause habe ich mir ein aufgehängtes Bild von William Shakespeare angesehen. Darunter stand in kyrillischen Buchstaben : „Uilliam Schekspeare“. Ihre Zeichensetzung und die der Engländer ist einfach nicht konform, weshalb es sehr schwer für einen Russen ist, gutes Englisch zu erlernen.
Nach Englisch war es Zeit, wieder einmal zu essen. Ksjoscha und ich gingen in die Kantine. Ihre Mutter tischte uns Suppe und Salat auf. Durchaus essbar. Ich aß auf, doch als ich auf den Tisch sah, stand bereits ein Teller mit seltsam aufgequollenem Reis und rosafarbenen - ja nackt erscheinenden - Würstchen. Ksjoscha rettete mich vor dem Verzehr dieser Speise in dem sie ihrer Mutter sagte ich sei bereits satt. Danke…
In der Geografiestunde hielt unsere Lehrerin einen Monolog über die an Russland angrenzenden Gewässer und Länder, bis ihr Handy klingelte. Unbeirrt nahm sie das Gespräch an, telefonierte, legte auf und fuhr mit ihrem Monolog fort. Ich sah mich in der Klasse um; keine irritierten Gesichter. Es ist normal. Mitten in der Stunde kam eine Krankenschwester ins Klassenzimmer und bat uns alle zum Arztzimmer. Dort wurden wir gewogen und gemessen. Sehr seltsame Prozedur… das letzte mal habe ich so etwas in der 7. Klasse mitgemacht. Ich komme mir jetzt ein bisschen wie ein Elefant vor. Die meisten Mädels hier wiegen um die 40 Kilo. Ich glaube gerade mal 2 Mädchen wiegen fast so viel wie ich.. Meine Gastschwester ist niedliche 1,58m groß und wiegt bedenkenswerte 39 Kilo. Ich bin praktisch ein ausgewachsenes Mammut im Gegensatz zu ihr mit meinen 1,70m und 53 Kilo.
Die nächste Stunde war Tschuwaschisch. Das ist die Ursprache dieser Region. Ich war sehr gespannt darauf diese Sprache zu hören. Doch als ich sie hörte, musste ich mir ein lautes Auflachen verkneifen. Tschuwaschisch klingt wie ein Mix aus Türkisch und Chinesisch. Es besitzt die „ü“ aus dem Türkischen und das abgehackt Schnelle aus dem Chinesischen. Sehr lustig. Hier ein paar Worte, deren Bedeutung ich bereits wieder vergessen habe : scharach, nüro, sülchan.
Die Schule war vorbei und Ksjoscha, Lera und ich gingen in einen Supermarkt. Zu meiner Überraschung sah er aus wie ein gewöhnlicher, deutscher Supermarkt: groß, hell, zu große Auswahl, sauber. Wir gingen hinein- doch bevor wir den Eingang passieren durften wurden unsere Schultaschen mit zwei Plastikbeuteln eingepackt und anschließend zugetackert…vermutlich gegen Ladendiebstahl. Man kommt sich schon leicht veräppelt vor, wenn diese Arbeit von einem Menschen, in einer Uniform mit der Aufschrift : „saubere Umwelt“, durchgeführt wird. Wir kauften Süßes und Sushi.
Letzteres aßen Ksjoscha und ich als wir in der Wohnung waren. Anschließend war Hausaufgaben machen angesagt.
Ksjoscha verabschiedete sich bald darauf, um mit ihrer Mutter Lampen einkaufen zu gehen. Man ließ mich allein in der Wohnung - ein wahrer Vertrauensbeweis. Ich vertrieb mir die Zeit mit dem Schauen von russischen Komödien und anderen sinnlosen Serien, von denen ich sogar ein bisschen verstand.
Meine Gastfamilie kehrte heim. Es gab Essen. Meine Gastmutter meinte ich esse wie ein Spatz- und das obwohl ich das Doppelte meiner üblichen Portion verzehrte. Da ich Sport hasse, werde ich wohl darauf hoffen müssen, dass der bitterkalte russische Winter meinen Energieverbrauch so stark fordert, dass zukünftige überschüssige Pfunde verbrannt werden. Nach dem Essen übergab ich meiner Gastfamilie eine Tafel deutscher Milkaschokolade. Zu meinem Glück liebt man diese hier über alles - mein halber Koffer ist voll davon. Ich übergab Ksjoschas Lieblingsschokolade, als kleines Dankeschön, dass die erste Woche so wunderbar verlaufen ist. Und das ist sie wirklich! Ksjoscha hat heute erzählt, dass Lera ein bisschen traurig war, als sie hörte, dass ich bald einen eigenen Stundeplan haben werde und kaum noch mit ihr im selben Unterrichtsraum sein werde. Ich dagegen finde es prima- um ehrlich zu sein habe ich etwas Angst, meiner Gastschwester allzu bald auf die Nerven zu fallen. Immerhin teilt sie zur Zeit Zimmer, Freunde und Schule mit mir.
Meine Gastmutter sagte mit, dass morgen Elektriker eintreffen werden. Wie bereits erwähnt- meine Gastfamilie ist erst kürzlich umgezogen und somit ist alles hier unfertig. Ich bin mal gespannt, wie es ist die Wohnung mit russischen Handwerkern voll zu haben. Ksjoscha und ich werden wie immer allein sein, da ihre Mutter arbeitet…ich bin gespannt…
Heute Abend werde ich noch den Sandmann mit Dascha anschauen. Ohne Spaß- ich freu mich drauf. In dem Sinne gute Nacht!

Tagesfazit: „Alles hat zwei Seiten. Einen neuen Stundenplan zu bekommen ist vermutlich aus schulischer Sicht leichter, doch man ist auf sich gestellt. Allein in der Wohnung zu sein ist Vertrauen aber auch Verantwortung. Den Sandmann anzusehen ist kindisch aber auch sprachfördernd.“



Hier noch ein Bild von einem der Denkmäler, welche meinen Schulweg zieren. Dieses ist von Juri Gagarin. (man berücksichtige: es ist aus einem fahrenden Bus fotografiert)

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