Donnerstag, 2. September 2010

Erkältung

Heute Morgen habe ich gedacht ich muss sterben. Mein Hals tat weh und meine Ohren auch. Ksjoschas Mutter war bereits auf Arbeit- wir hatten drei Stunden später, da 3 Lehrer krank geworden waren. Ich teilte Ksjoscha meine Erkrankung mit. Sie gab mir Medizin. Russische Medizin. Medizin, vor welcher mich mehrere Leute schon gewarnt hatten. Ich nahm sie dennoch, trank eine Tasse Tee (wie immer hier), mischte Vitamin C aus Deutschland unter und stopfte mir einen Löffel Honig in den Mund. Das muss reichen. Einen Vorteil hatte die ganze Angelegenheit: Ich musste nicht zu Sport. Der Tag war gerettet. Wir frühstückten, zogen uns an und verließen die Wohnung- ich setzte vorbildlich eine Mütze auf und band ein Tuch um, um Schadensbegrenzung zu betreiben. Mit dem bekannten Trolleybus fuhren wir zur Schule- diesmal habe ich Bilder vom Schulweg gemacht. Nach dreißig Minuten stiegen wir aus und holten, wie bereits am Vortag Lera vor ihrer Wohnung ab und liefen zur Schule. Hier ein paar Bilder.














Der Bus














Schulweg (Ja die Straße ist 6-spurig)














Ein Bahnhof




















Eine etwas grünere Gegend














Solche Autos sieht man hier öfter- auch grüne Armeefahrzeuge keine Seltenheit.












Das flache in der Mitte ist die Schule..lies sich leider nicht anders fotografieren




















Mal ein Bild von Ksjoscha

Meine erste Stunde im fremden Schuljahr war Englisch. Russisches Englisch hört sich sehr witzig an. Hier kann man kein „r“ kein „h“ „nk“ oder „ng“… sprechen. Meine Lehrerin kann zum glück gutes Englisch. Wir bekamen eine Aufgabe. Wir erfüllten sie. Ich so gut, dass ich am ersten Tag in der Fremden Schule eine 5- also eine 1 bekam. Prima! So kann das weiter gehen… Danach hatten wir Sport. Ich war etwas erstaunt, als ich in einem mit Holzfußboden versehenem, großen Zimmer stand, welches nun die Sporthalle ist. (siehe Fotos)














Sporthalle















Eine von Ksjoschas Freundinnen...wie alle Mädchen hier..sehr dünn und endlos lange Haare

Auch die Umkleideräume sind unheimlich. An dieser Stelle möchte ich einen Gruß an Frau Hack senden- ich weiß ihren komfortablem Sportunterricht nun zu schätzen. Ich setzte mich an den Rand- zusammen mit ca 5 anderen Mädchen, welche ich bereits kannte. Sie erklärten sie hätten keine Lust und würden deshalb nicht mit machen. Ein paar andere Mädchen spielten etwas „Volleyball“- wenn man das überhaupt so bezeichnen darf, denn es war eher: Hilfe! Der Ball kommt! Renn weg! Ich hab Angst!…sehr niedlich. Einige von ihnen trugen nicht einmal Sportkleidung. Die Mädchen, die mit mir am Rand saßen fragten mich nun aus. Wie es mir geht, wie es in Deutschland ist, wie die Schule ist, ob ich eine Schwester habe, wie die Aussieht, ob es mir hier gefällt, ob ich russisches Essen mag, wie lange ich bleibe, wie ich meine Haare zusammen gesteckt habe und wie wunderbar schlank ich sei. Ich beantwortete alle Fragen. Nun begannen Diskussionen, wer neben mir in der nächsten Stunde sitzen darf. Vor allem in Deutsch bin ich ein begehrter Banknachbar. Anschließend kehrten die Mädels wieder zum Alltagsgeschwätz zurück…also zu meiner Taschenuhr, meinen weiten Reisen und ihren Haaren. Man gewöhnt sich dran….
Noch ein paar Bilder vom Innenleben der Schule















Essensraum















Klassenzimmer
Danach Mathe. Eine Lehrerin, welche dem Wort „Mathematiklehrer“ alle Ehre macht. Regungsloser Gesichtsausdruck und scharfer Ton. Wiederholung- binomische Gleichungen, wie es scheint. Das kann ich…jedenfalls so fast- wenn mich auch das Hintergrundgerede auf einer Fremden Sprache etwas ablenkt. Es folgte eine Stunde Biologie, bei einer Lehrerin welche die gesamte Stunde durchredete. Sie unterhielt sich zu anfangs mit mir. Fragte mich nach meinem Befinden, woher ich komme (sie dachte zuerst aus Russland), ob ich schon Genetik und Ökologie in der Schule gehabt hätte und noch etwas anderes was ich mit einem lächelnden Kopfnicken beantwortete aber nicht verstand. Später gab sie mir die Aufgabe Informationen über das Hochwasser in Deutschland zusammen zu tragen und der Klasse vorzustellen. Als ich entsetz fragte: „Auf russisch?!“ lachte die Biologieklasse verständnisvoll. Na das kann was werden… nach 45 Minuten hatte ich auch das überstanden- jede Stunde hier dauert übrigens kurze 45 Minuten. Also man kann ja viel Schlechtes über das Deutsche Schulsystem sagen, aber unsere 90 Minuten sind erstklassig.
Dann kam noch eine Überraschung. Wir mussten alle zum Schularzt und uns auf Kopfläuse untersuchen lassen. Seltsam. Aber ich habe keine- welch Wunder. Dann kam meine Gastmutter an. Schnappte mich und schleifte mich erneut zum Arzt, um meine Halsschmerzen untersuchen zu lassen. Herrgott an Halsschmerzen ist noch keiner gestorben- von meinen Ohrenschmerzen wusste sie ja nichts. Es kam raus- oh Wunder- dass alles harmlos ist und bald weggehen würde. Na das hätt´ ich auch ohne Arzt sagen können….
Anschließend gingen wir in der Schulkantine Etwas essen. Hier ein Gruß an die deutsche Schulspeisung: Gelobt und gepriesen sei das schuhsohlenartige Fleisch deiner Kantine! Verehrt sei deine versalzene Suppe!… Ich aß Nudeln mit Wurst. Also mit Wurstscheibe. Wurstscheibe schmeckte ekelhaft- Vorstellungskraft für meine Eltern und Schwesterli: schmeckt wie die Wurst an der Tankstelle in der Slowakei. Die Nudeln schmeckten nicht mal nach Pappe aber besaßen ihre Konsistenz.
Lera, Natasha, Ksjoscha und ich gingen hinaus. Wir suchten ein Geschäft auf um mir russische Schulhefte zu kaufen, damit falls etwas eingesammelt wird, nicht immer mein ganzer Block weg ist. Ich hielt es für eine sinnvolle Anschaffung, da vor allem unsere Mathelehrerin zu Einsammeln neigt. Hier ein paar Fotos (da hier ohne Kopien gearbeitet wird schreiben hier alle in Hefte)
3- Hefte A5
Anschließend suchten wir ein Kino auf. Man fragte mich was ich sehen wolle- ich antwortete egal, da ich sowieso nicht verstehen würde. Anscheinend gehen wir erst Morgen einen Film ansehen…ich bin mal gespannt.















Lera, Natasha und Ksjoscha vor dem Kino
Als wir bis zur Busstation schlendernden fiel mir auf, wie breit hier die Fußwege sind. Sie sind so breit wie zu Hause die Fahrbahn. Heute war übrigens ein angenehm warmer Tag.. 20°C!
Wir fuhren wieder mit dem Bus zur Wohnung. Ich bin übrigens nun stolze Besitzerin einer Monatskarte. Wodurch ich nicht jedes Mal den horrenden Preis von 10 Rubel (ca. 2,5 ct) löhnen muss.
Besagte Monatskarte...und mein Bein^^
Nach dem üblichen Tässchen Tee machte ich Mathe Hausaufgaben….oder besser ich riet was die Aufgabenstellung bedeuten könnte und löste die Aufgabe nach meinem Ermessen.
Meine Gastmutter kam mit Dascha nach Hause. Wir aßen zu Abend. Es gab wieder Pizza- wobei ein russische Pizza etwas anders zu beschreiben ist, als eine Deutsche. Eine russische Pizza ist so dick wie ein Stück Blechkuchen- wobei nur ca. 5mm aus Belag bestehen….trotzdem sehr lecker.
Dascha rannte permanent zu mir. Nachdem wir gegessen hatten und Hausaufgaben fertig waren wollte sie immer mit mir spielen. Sie warf mit Plüschtieren nach mir, spielte mit mir Ball, umarmte mich, rief meinen Namen immer und immer wieder, zupfte an meiner Hand um mir etwas zu zeigen usw. Nun hatte auch ich begriffen, dass sie mich lieb gewonnen hatte. Meine Gastmutter sah es mit Wohlwollen. Dann kam wieder Daschas Oma vorbei. Man stelle sich hierbei aber bitte keine alte runzlige Frau vor. Sie ist vermutlich 59. Sie hat blondierte, schulterlange Haare, viel Lippenstift, Liedschatten und eine Top Figur….das nenn ich mal Oma …Auch sie nahm voll entzücken zur Kenntnis wie lieb mich Dascha bereits hatte. Und noch begeisterte war sie, als ich auf den Nieser meiner Gastmutter mit: „будь сторовие!“Also: „Gesundheit!“ reagierte.
Daschas „Oma“ wollte mein Geburtsdatum wissen. Zu erst dachte ich sie notiere sich es um es nicht zu vergessen, weil sie mir etwas schenken wollen würde. Doch sie schrieb und schrieb. Sie bastelte die zahlen auseinander und zusammen..keine Ahnung was sie genau anstellte. Sie sah auf und erklärte mir, was ihr die Zahlen verraten haben;

Ich kann keine Naturwissenschaften. Ich musste grinsen, denn das stimmte. Sie meinte ich könne mittelmäßige Ergebnisse erzielen, aber würde es nie verstehen.

Ich habe normal viel Energie …was auch immer das heißen mag.

Ich habe einen starken Geist und eine große Aura.

Ich habe ein trauriges Herz.

Ich habe 0 Temperament, weshalb mir die Kerle in Scharen nachlaufen würden. (Nein das habe ich nicht falsch übersetzt, denn ich lies es mir von Ksjoscha ins Englische übersetzen….für mich ergibt das allerdings keinen Sinn…oder doch?!)

Mein sexuelles Interesse ist gleich 0. Ich beschäftige mich lieber mit Menschen und helfe ihnen oder lerne….Diesen Fakt fand meine Gastmutter sehr sympathisch.

Nun gut es halte jeder davon was er mag.
Daschas „Oma“ ging und ich werde noch mit Dascha die Gute Nacht Geschichte ansehen.

Ich habe heute übrigens wieder das Mütterchen ihre eine Kuh und Schafe vor unserem Wohnblock hüten sehen- diesmal hatte ich einen Fotoapparat dabei.


















Tagesfazit:

Man weiß erst was man hatte, wenn man es nicht mehr hat….
Wie wahr wie wahr.

1 Kommentar:

  1. Hey,
    das klingt ja alles ganz lustig, was du da schreibst. ;)
    Hoffe dir gehts bald besser und überstehst deine 1. Krankheit im russischen Raum.

    Grüßee

    AntwortenLöschen