Donnerstag, 9. September 2010

Lotte allein zuhaus´

Wir hatten heute erst zur dritten Stunde. Die Pause nach unserer ersten Unterrichtsstunde des Tages, welche Englisch war, stand ich in einer Gruppe von Mädchen meiner Klasse und unterhielt mich. Eines der Mädchen schenkte mit plötzlich ein Armband- eines der selbstgemachten Freundschaftsarmbänder. sie meinte sie hätte es für mich gemacht. Wieder war ich gerührt, bedankte mich und liess es mir umbinden- nun also noch ein Freundschaftsarmband welches mein Handgelenk ziert. Unser Gesprächsthema war übrigens der russische Winter. Man erzählte mir allerhand Horrorgeschichten. Anfangend bei einfrierenden Frisuren und aufhörend bei in dicker Daunenjacke, Stiefel, Schal, Handschuhen und Mütze in der Schule sitzen. Letztes Jahr seien es –30°C gewesen- das doppelte von dem was ich eigentlich gewöhnt bin. Ich hoffe, dass die Heizung in meiner Wohnung bei solchen Temperaturen noch mitspielt!
In Chemie mussten wir (bzw. meine russischen Klassenkameraden) auswendiggelernte Definitionen aufsagen- und dazu aufstehen! Es ist schon seltsam. So etwas habe ich, um ehrlich zu sein, nur im Film gesehen. Wie man aufgerufen wird, sich hinstellt und runterrattert, wartet bis der Lehrer „setzten“ sagt und sich setzt. Ja, in einer russischen Schule herrscht halt noch "Zucht und Ordnung".
Die Mathematiklehrerin hatte heute in Algebra einen Anflug von Menschlichkeit, denn sie lächelte ein bisschen (zumindest konnte ich ein nervöses nach oben Zucken ihrer Mundwinkel wahrnehmen) als sie die neue Mathereferendarin vorstellte. Besagte Referendarin setzte sich im Klassenzimmer nach hinten und beobachtete nun das Unterrichtsgeschehen. Und während ich nun Formeln von der Tafel abpinselte, die ich nicht verstand, da die Definition auf russisch war, lachte sie plötzlich. Die Mathelehrerin lachte. Sie lachte ein warmes - wenn auch kurzes – Lachen. Befremdlich aber schön.
In der Mittagspause gab es Borschtsch. Sehr lecker. Dazu gabs ein Mischbrot, welches ein bisschen nach Pumpernickel schmeckte- übrigens das einzige dunkle Brot, was ich hier bisher gesehen habe. Als die Schulklingel uns zur nächsten Stunde rief, aßen wir gemütlich weiter. Mit Pünktlichkeit hat man es hier nicht so. Wir kamen 10 Minuten zu spät zu Biologie - aber die Lehrerin auch.
Die Biologielehrerin ist sehr nett. Sie gab mir ihr Lehrbuch zum durchblättern und lesen, während sie etwas für die anderen diktierte, dem ich sowieso nicht hätte folgen können. Ich muss feststellen, dass ich alles darin bereits behandelt habe: Fotosynthese und Genetik. Also theoretisch glaube ich darüber bescheid zu wissen.


Nach Bio waren Ksjoscha und ich noch beim Schluarzt. Nach wie vor ungewohnt, dass es hier einen festangestellten Schularzt gibt. Der Arzt ist mit seinem Latein am Ende. Er meinte er höre keine seltsamen Lungengeräusche und wisse nicht woher mein Husten kommt. Er meinte, wir sollen zu einem anderen Arzt gehen und Blut abnehmen lassen, um dieses zu untersuchen. --> kleine Zwischennotiz: Ich fühle mich nach wie vor gut.
Weil Ksjoscha heute ein Date mit Sascha hat, fuhr ich allein zur Wohnung. Während der Busfahrt bemerkte ich, wie groß der Unterschied zwischen Männlein und Weiblein hier ist. Frauen hier habe ich euch oft beschrieben- obwohl ich dazu noch ergänzen muss, dass es durchaus „normale“ Frauen in Jeans und ungeschminkt oder sogar Übergewichtige gibt. Diese fallen allerdings zwischen den aufgestylten Gazellen nicht auf. Die Männer hier dagegen tragen entweder jobbedingt Anzug oder einen Jogginganzug- dies ist nicht jobbedingt. Einige sehen mit Fokuhila und Rotzbremse (Schnauzbart) ein bisschen aus wie aus der DDR geklaut. Auch hier gibt es wieder die Ausnahme: es gibt auch ordentlich Gekleidete (nicht im Jogginganzug), aber diese fallen zwischen den vielen Männern, welche weniger Wert auf ihr Äußeres legen, nicht auf.

Ich trat aus dem Fahrstuhl, schloss die Tür auf, zog sie hinter mir zu. Allein! JEHA! Ich drehte die Musik auf meinem Laptop laut, öffnete eine Tafel Milkaschokolade, welche mir Anne geschenkt hat- lieben Dank!- aß etwas und tanzte hemmungslos durch die leere Wohnung. Ich wusch das Geschirr und meine Wäsche- beides per Hand. Wir haben noch keine Waschmaschine, aber heute Abend wird die sehr schwer waschbare Kleidung (z.B.: Jeans) zu den Eltern meiner Gastmutter gebracht, da diese eine Waschmaschine haben. Dann räumte ich die Wohnung auf, machte Hausaufgaben und verbrachte die restliche freie Zeit damit, die Süßigkeit…welche ich so vermisst habe… deutsche, leckere, köstliche, zartschmelzende Milkaschokolade mit Karamell, zu verzehren und schief zur Musik mit zu singen.



Gegen um 6 kam meine Gastmutter mit Dascha nach Hause. Bevor wir wieder zu Abend aßen, spielte ich mit Dascha. Es ist schon fast beeindruckend zu sehen, wie sehr sich ein Mensch darüber freuen kann auf einem Drehstuhl gedreht zu werden. Und nachdem ich sie als böser Wolf zum Essenstisch gejagt hatte, aß sie brav.
Danach war ihre Mutter der Wolf, als sie gebadet wurde.

Ksjoscha kam um 9 nach Hause. Sie erzählte von ihrem Date und wir aßen erneut. Sandmann wurde während des Essens geschaut.

Tagesfazit: „Russische Frauen müssen sich für die wenigen hübschen Männer so aufstylen, damit sie einen Anständigen abbekommen
.“

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