Sonntag, 10. Oktober 2010

Fresskoma

Am Samstag war der große Tag. Der Tag der Englischprüfung. Ich habe Ksjoscha einem Verhör unterzogen. Sie antwortete, diese Prüfung würde jedes Jahr stattfinden und bestünde aus 4 Teilen. Einem schriftlichen-,einem Hör-, Grammatik- und mündlichen Teil. Wer diese Prüfung besteht, bekommt ein nettes Papier, auf welchem seine Leistung bestätigt wird.

Da saß ich nun an einem Samstag in einer Schule und schrieb nach erfolgreich überstandenem Schulalltag eine Englischprüfung. Mir schwirrten zahlreiche Gedanken durch den Kopf zum Beispiel: Deutsche sitzt in Russland und legt eine Englischprüfung ab… welch' Nonsens…
Oder:
Alle Welt klagt über Umweltverschmutzung und überflüssige Papierverschwendung und nun schreiben mehrere hundert Schüler einen Test der aus einem ca. 0,5 cm dicken Papierstapel besteht…
Der schriftliche-/hör- Teil war nach 2 Stunden überstanden. Nun war der mündliche Teil an der Reihe. Man reihte sich in lange Warteschlangen ein. Natascha und ich betraten den Gesprächsraum. Wir wurden geprüft und aufgefordert, bestimmte Themen zu diskutieren. Als die zwei Prüferinnern merkten, dass ich Deutsche bin, wurde ich gleich auf Englisch zu meiner Heimat und den Beweggründen meines Austausches verhört. Ich wurde mit den Worten: „Danke, es war uns eine Freude mit dir zu sprechen und viel Erfolg hier!“ entlassen.
Als ich um 6 endlich die Schule verliess konnte ich die Englischprüfung als „gar nicht schlecht gemacht“ abhaken. Viel mehr sage ich nicht dazu, denn ich möchte mich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Als Ksjoscha und ich das russische Heim betraten, saß die versammelte Familie in der Küche und aß. Ich wurde allen vorgestellt. Ein Mann sprach mich an – die Menge an Namen und Familienbeziehungen war zu groß, um mich zu erinnern wie er hieß und welche Rolle er in dieser Familie inne hat. Er sprach auf Englisch und meinte er müsse es für seinen Job etwas auffrischen. Kein Problem, spreche ich eben englisch. Ich unterhielt mich mit ihm, bis meine Gastmutter zu Ksjoscha und mir meinte, wir sollten essen kommen. Aus Gewohnheit sagte ich „Lasst uns essen gehen!“ auf Russisch. Mein Gesprächspartner sah mich mit großen Augen an. Den Blick kenne ich mittlerweile. Er meinte „Du kannst Russisch! Und wie! Ohne Akzent!“ Ich lachte dankbar und war auch erstaunt- das erste mal etwas Akzentfrei gesagt… so oft wird das sicherlich nicht vorkommen.
Der Abend war sehr schön. Ksjoscha, ich und ihr Bruder unterhielten uns den gesamten Abend über. Das Feiern muss man den Russen wirklich lassen- das können sie wirklich gut. Es wurde gelacht, getanzt, geredet und natürlich gegessen.
Ksjoschas Verwandtschaft ist wirklich sehr nett. Alle sind lieb und freundlich. Egal mit wem ich mich unterhalte, ich treffe immer auf angenehme Leute in ihrer Familie.

Auf dem Bild sieht man Nastja und Natascha...und noch Vlad der Natascha ein Elchgeweih zaubert :)

Am Sonntag erklärte meine Gastmutter, es sei Resteressen angesagt. Ich sah auf die Rester. 3 Salate, Pirogen, Fisch, Kartoffelsuppe, Konfekt, Brot, Wurst, Käse, … genug um noch morgen davon zu essen. Den restlichen Tag waren wir nun dazu verpflichtet, zu essen. Ansonsten war es ein ruhiger, ereignisloser Sonntag…endlich mal etwas Ruhe…
Dascha turnte ab und zu wieder auf mir herum und fragte schließlich wieder wo meine Familie sei. Ich antwortete sie sei weit weg in Deutschland und dann erstaunte sie mich. Sie meinte: „Zeig mir Bilder!“ Ich gehorchte und zeigte ihr die Bilder auf meinem Laptop. Das kleine Mädchen kletterte auf meinen Schoß und hörte meiner Erklärung zu und beäugte mit großen, neugierigen Augen die Fotos. In diesem Moment kam sie mir auf einmal so verständnisvoll und „erwachsen“ vor ..keine Spur von dem quirligen Kleinkind.

Am Ende des Sonntages hatten wir erfolgreich alle Rester vertilgt und konnten uns – unfähig etwas anderes mit den überfüllten Bäuchen- dem Fresskoma (Schlaf) widmen.

Fazit: „Hier versteht man was vom Feiern!“

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