Mittwoch, 15. Juni 2011

Синяя река

Dadurch, dass wir im Dorf Karten spielen wollten, fiel uns allen etwas auf: ich kannte kein „echtes“ russisches Kartenspiel und so brachte man mir das Spiel „Dummkopf“ bei. Fast jeden Abend spielen wir nun Karten und manchmal gelingt es mir sogar nicht permanent der „Dummkopf“ (=Verlierer) zu sein. Und wenn die „Oma“ und ihr Lebensgefährte da sind spielen die auch gleich mit.
Bei solchen Angelegenheiten bekomme ich nun immer öfter zu hören, wie langweilig es ohne mich werden würde, dass man sich das Leben hier ohne mich nur noch schwer vorstellen könne, da man sich an mich wie an ein Familienmitglied gewöhnt hat. Die „Oma“ meinte: „Bald geht es nach Hause und was bleibt sind Erinnerungen, dass du irgendwann mal 10 Monate in Russland gelebt hast.“ Xjuscha meinte nur: „Ich versuche nicht daran zu denken.“ Und ich weiß nicht, ob ich lachen oder heulen soll… noch habe ich schlappe 2 Wochen russischen Landes vor mir…

Aber nun weiter zu den Ereignissen der letzten Tage:

Beim Bauchtanz ist nun endgültig meine Tarnung aufgeflogen. Verraten hat mich mein Name. Eine Frau fragte interessiert, wie meine Eltern auf diesen so ungewöhnlichen Namen gekommen seien, womit ich gezwungen war meine Maske abzunehmen. Die Gesichter werde ich nie vergessen. Verwunderung, Erstaunen, Bewunderung und etwas Entsetzen über die eigene Unwissenheit. Ich hörte Kommentare wie: „17?! Im Ausland wird man aber schnell erwachsen, wenn man dich schon fort gelassen hat…“ . Ich fragte ob man meinen Akzent nicht mitbekommen habe. Antwort: Ja, aber man glaubte ich wäre aus einem der viele kleinen Volksgruppen (Tataren, Tschuwaschen…), welche in Russland leben. Wie gesagt: als Ausländer hat man hier gute Chancen nicht aufzufallen ;-) Eine Frau sah mich sehr ernst an und meinte schließlich: „Nein, nein und nochmals nein! Das glaube ich nicht! Du hast nicht mal nen deutschen Akzent! Ich hätte dich dem Baltikum (ehemaliges Gebiet der UdSSR= u.a. russischsprachiger Raum) zugeordnet!“ Dies hatte mir übrigens schon mal die „Oma“ und Nastina gesagt. Hihi :D

Außerdem war meine gesamte russische Familie und ich shoppen. Xjuscha und meine Gastmutter nutzen die Gelegenheit aus, dass mein russischer Vater dabei war. In Russland scheint diese Regel wirklich gelebt zu werden: Mann bezahlt. Selbst wenn nur Freunde unterschiedlichen Geschlechtes essen gehen – Mann bezahlt und das lässt er sich auch nicht nehmen.
Ich wollte mir ein paar schwarze Absatzschuhe kaufen. Ursprünglich dachte ich an etwas um 5cm, um nicht allzu hoch zu werden. Aber dann zeigte mir Xjuscha ein wunderschönes, gesenktes Paar- einziger Haken: Absatz = 9cm. Ich probierte sie an. Klasse Aussicht von hier oben. 1,80m. Mein Gastvater stellte sich neben mich. Er ist ein paar cm höher. Ich sah fragend in die Runde. Einstimmig sagte man mir ich solle sie unbedingt nehmen - selbst mein Gastvater. Gekauft. Nun gehöre auch ich auch zu den Wesen, welche auf Stelzen über den Asphalt schweben…

Wie bereits erwähnt rückt meine Abreise immer näher und somit auch das Problem des Platzmangels. Im Koffer darf ich nur 20 kg transportieren, was zwangsläufig zur Folge hat, dass der übrige Krempel mit der Post versendet werden muss. Da ich nun mittlerweile weiß, dass ein Paket schon mal einen Monat unterwegs sein kann, kümmerte ich mich bereits voriger Woche darum. In Deutschland kein Thema: Man schnappt sich irgend einen Karton, füllt ihn und schickt ihn ab. Hier ist das etwas umständlicher:
1. Woher Karton? Wir gingen zur Poststelle. Die größten Pakete dort sind zu klein. Man sagte uns, dass man am Bahnhof größere Pakete versenden könne.
Am Bahnhof (übrigens nicht so eklig versifft wie die meisten deutschen) wurde uns nach ca.1 Stunde hin und her gerenne gesagt, dass man von hier nach Deutschland nichts versenden würde.
Wieder zur Post. Wir fragten, ob man einfach irgendeinen großen Karton packen könnte. Antwort: Nein. Wir nahmen drei kleine Kartons.

2. Was darf rein? Während ich die Kartons nun füllte schrieb ich mir sorgsam auf, was ich hinein gepackt hatte, denn man darf hier bei weitem nicht alles verschicken. (z.B.: Flüssigkeiten= mögliche Bombe)
Anschließend füllte ich insgesamt 9 A5 Seiten aus, in denen ich u.a. niederschreiben musste, dass das Paket keine dem Staat schädlichen Inhalte besitzt.

3. Es ist eine Freude Sie kennen zu lernen! Mein Gastvater und ich fuhren schließlich zur Poststelle. Dort wurden die beiden Pakete (ich hatte nur zwei gefüllt) gewogen - insg. 18 Kg. Während das Schaltertantchen die Papiere überprüfte und viele Fragen zum Inhalt der Pakete stellte, verriet mein Gastvater schließlich meine Identität, womit sich auch gleich ein Gespräch über das ach so tolle Deutschland anschloss und dass das Tantchen Bekannte in Deutschland hat. Schließlich meinte sie : „Es ist eine Freude sie kennen gelernt zu haben, Scharlotta!“ Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit scheinen viele hier in die Wiege gelegt zu bekommen. :)


Das Wochenende verbrachten wir in einem kleinen Häuschen, welches der Schwester meiner Gastmutter (welche in Nowotscheboksarsk lebt) gehört. Wir waren eine große Gruppe: Gesamte Austauschfamilie - sogar Dima war dabei, die Schwester meiner Gastmutter, mit Kind und deren Bruder mit Kind.
Mit zwei Autos fuhren wir zu dem kleinen Waldhäuschen, welches sich an einem Seitenarm der Wolga befindet. Insgesamt eine Stunde fuhren wir durch Städte, Dörfer (diesmal habe ich freilaufende Schweine aus dem Fenster sehen können!) und schließlich durch Wald.
Angekommen. Ausgestiegen. Gestochen. Fazit: Nicht dazugelernt. Kaum waren die Stiche vom damaligen Dorfausflug verflogen, würden nun wieder neue dazu kommen.
Wir begaben uns zu Tisch, aßen, grillten und schwatzen. Irgendwann meinte die Schwester: „Scharlotta, du bist so eine aufgeschlossene und fröhliche junge Frau, dass ich wirklich feststellen muss, dass sich meine Einstellung zu Deutschland geändert hat - zum besseren.“ Hihi.
Dascha rannte übrigens freudestrahlend durch den Wald. Schließlich zupfte sie mich aufgeregt am Pullover und meinte: „Looos! Ich zeig dir einen Pilz!“ Zum knutschen: Pilz = grib. Dascha kann immer noch kein „r“ sprechen. Also wollte sie mir einen „glib“ zeigen. Das Wort kombiniert mit Heliumstimme eines Kleinkindes und ihren strahlenden Augen= einfach niedlich.
Gegen 11 gingen die ersten schlafen. Nach etwas Überreden blieb ich mit den übrigen wach und schwang das Tanzbein, denn es wurde ziemlich kalt - zu kalt um entspannt am Tisch zu sitzen und „Dummkopf“ zu spielen…
Um 1 ging auch ich zu Bett. Übrigens ist die Bettensituation sensationell: 1 Zimmer. 4 Betten. 10 Leute. Aus zwei Bänken wurde noch ein Bett gebastelt. Man schlief eben zu zweit oder zu dritt in einem Bett. Nur die Herren der Schöpfung (Dima und der Bruder) genossen den Luxus des Einzelbettes.
Um 6 schlich ich mich aus dem Häuschen, setzte mich ans Ufer und verlor mich in Gedanken. Gegen um 7 stellte mein Gastvater erstaunt fest, dass er nicht der erste auf den Beinen wäre. Nach und nach standen die übrigen auf. Wir frühstückten (nicht etwa Brötchen sondern gleich Plov) und machten uns schließlich auf den Rückweg.


Das Auto von Dima: ein alter Schiguli- ein Auto was noch Charme besitzt!











Auf dem Nummernschuld (untere Kante) ist sogar noch "CCCP" (=UdSSR) geschrieben!







Синяя река (Blauer Fluss)...






Ksentschik und Daschenka








Am unteren Ende saß ich Morgens um 6... :)
















Knuffig :)








Gestern veranstalteten wir ein kleines Abschiedsessen für meinen russischen Vater, da er uns heute wieder verließ. Die Stimmung am Essenstisch war nicht wie gewöhnt fröhlich und ausgelassen, sondern eher wortkarg und nachdenklich.
Heute um eins brach er auf - so sagte man mir - als ich vom Ferienlager wiederkam. Ich hatte ihm am Morgen noch eine kleine Nachricht hinterlassen, um nicht ganz ohne Verabschiedung meinerseits zu sein - schließlich werde ich ihn sobald nicht sehen - frühestens in einem Jahr. Meine Gastmutter meinte am Nachmittag, dass er sich sehr über die Zeilen gefreut habe und sie mit eingepackt habe.

Liebste Grüße aus dem nun wieder männerlosen Haushalt

Lotte


Samstag, 11. Juni 2011

Ein Hauch von Ewigkeit....

Mit dem ersten Juni war es soweit: offizieller Ferienbeginn- mal abgesehen von 9.und 11. Klassen, welche gezwungenermaßen Examen ablegen müssen, und mir, welche im Schulferienlager hilft. Wie es dazu kam? Ich hatte keine Lust den gesamten Juni gelangweilt in meinem russischen Heim zu sitzen, weshalb mir meine Gastmutter schließlich vorschlug, beim Ferienlager auszuhelfen. Auf diese Art und Weise würde ich noch ein paar Museen, Sehenswürdigkeiten - im allgemeinen Tscheboksary - besser kennen lernen.
Und so fand ich mich, gegen 8 Uhr, am ersten offiziellen Ferientag im Trolleybus Nummer 1 auf dem Weg zur Schule wieder.
In der Schule angekommen, wurde ich in die 1. Abteilung des Schulferienlagers eingeteilt. Hier würde ich nun bis zu meiner Abreise freiwillig und unbezahlt die Rolle eines Erziehers erfüllen.
Insgesamt gibt es 5 Abteilungen mit jeweils ca. 30 Schülern. Zunächst dachte sich jede Gruppe einen Namen aus. Meine Gruppe heißt „NLO“ („UFO“), anschließend überlegten wir uns noch ein kleines Sprüchlein, passend zum Gruppennamen. Beides - Name und Sprüchlein - werden jeden Tag bei der Morgenversammlung auf dem Schulinnenhof aufgesagt, zusätzlich wird noch über die Zahl der anwesenden „Kosmonauten“ Auskunft gegeben. Anschließend folgt Morgengymnastik (Gott sei Dank nur für die Kleinen) und Frühstück. Nach dem Essen sind Ausflüge an der Reihe. So waren wir in zwei verschiedenen Theatergebäuden, auf einem Kinderfest, im Kinderspielpark und in Museen. Ich scheine mich ziemlich gut zu machen, denn ab und zu bekomme ich Lob der „echten“ Erzieher zu hören und man schlug mir vor, die Berufsrichtung „Pädagoge“ bzw. „Lehrer“ einzuschlagen. Doch ich glaube mir reicht die Erfahrung, einen Monat auf einen Haufen Kinder der zweiten Klasse aufzupassen, für den Rest meines Lebens…

Wie ich bereits erwähnte: seit mein Gastvater da ist, ist hier permanent was los. Ich komme kaum noch hinterher mit Blog schreiben. Von Morgens um 7 bis Nachmittags um 3 bin ich im Ferienlager und anschließend unternehmen wir meist etwas. Das Wunderbare ist, dass mein Gastvater stolzer Besitzer eines Autos (Hyundai Landrover) ist und ich dadurch Tscheboksarys Straßen auch mal aus einer anderen Perspektive, nicht nur als Fußgänger oder Bus(mit)fahrer kennen lerne.
Bemerkenswertes?

1. Nur die Passagiere auf den vorderen Plätzen müssen sich anschnallen - auf den billigen Plätzen herrscht keine Anschnallpflicht.

2. Die Art Auto zu fahren erinnert mich an den Urlaub in Italien. Habt ihr schon mal italienische Autofahrer erlebt? Jeder fährt wie er will und flucht was das Zeug hält. Das selbe hier. ZB.:
Wir fahren im Auto, wollen wenden. Straßenbild: Wir stehen auf einer geraden Straße. Links ein Parkplatz( unsere Wendemöglichkeit). Auf besagtem Parkplatz ein weiterer Autofahrer, welcher uns den Wendeplatz versperrt. Ringsum: Wiese. Mein Gastvater fragt ihn mit Armgefuchtel durch die Windschutzscheibe, wohin er gedenkt zu fahren, damit wir wenden können. Autofahrer symbolisiert: geradeaus. Geradeaus ist aber Wiese. Wir denken, dass er scherzt, da die einzige Straße, welche mit dem Parkplatz verbunden ist, jene ist, auf welcher wir stehen. Mein Gastvater fährt also ein Stück zurück um Platz zu machen. Und dann passiert es. Der andere Autofahrer (Jeep) latscht aufs Gas und brettert geradeaus über die Wiese bis zur nächsten Fahrbahn. Eh…ja… . Mein Gastvater grinste mich an und meinte: „Von so etwas kannst du dann zuhause berichten!“ – was ich dann hiermit auch getan hätte.

3. Fahrbahn. Es ist ja nun mittlerweile allseits bekannt, dass die Fahrbahnen in Russland zu wünschen übrig lassen, wobei ich sagen muss, dass es da auch Ausnahmen gibt. Allerdings sagte mir neulich mein Gastvater etwas – für mich- völlig Neues: Die Fahrbahnen werden teilweise absichtlich nicht ausgebessert. Grund?
- Man spart Geld
- Es gibt keine Raser - kein Autoliebhaber tut seinem Maschinchen Raserei über die Schlaglöcher an…
Gar nicht mal so unklug… ;-)

4. Polizei. Hach ja… die liebe Straßenpolizei. Neulich war ein Kumpel meines russischen Vaters zu Besuch, welcher als Lehrer an einer Polizeischule arbeitet. Irgendwie kamen wir auf das Thema Korruption in Russland und so berichtete er von einigen Vorfällen, wovon ich euch einen nicht vorenthalten will:
Zweispurige Straße. Eine Fahrbahn = Stau. Andere Fahrbahn (Fahrtrichtung entgegengesetzt) frei. Anstatt den Stau aufzulösen, steht die Polizei an der freien Fahrbahn und wartet, bis entnervte Autofahrer wenden - was an dieser Stelle untersagt ist. Und dann wird abkassiert. Nun könnte man sagen: Kommt doch eh dem Staat zu Gute. Nein, nicht in diesem Fall. Man kann hier verhandeln - in diesem Fall verhandelt man über die Bestechungssumme. Er meinte das komme öfter vor, sei eigentlich fast normal - wenn auch untersagt. Ich sah ihn fassungslos an, was ihn zum lachen brachte. Er begann zu erzählen, dass er mal 3 Jahre in Deutschland lebte:
Straßenbauarbeiten im Vergleich.
Er meinte in Russland trifft man irgendwann entweder auf ein kleines Schild, welches auf die bald folgende Straßenbaustelle hinweist oder sie steht dann einfach aus heiterem Himmel vor dir.
Mit einem Lachen meinte er: „In Deutschland ist das ganz anders. Bereits mehrere hundert Meter vor der eigentlichen Baustelle erscheinen riesige Warnhinweise, Blinkpfeile usw. Ich dacht mir so – was muss das für eine riesige Baustelle sein?! - Ich seh mich um, schaue und schaue, doch kann nichts sehen. Schließlich fahre ich an einer winzig kleinen Baustelle vorbei, wo man lediglich den Asphalt etwas ausgebessert hat.“ Ich musste lachen.

Vom 3.- 4. Juni waren wir wiedereinmal in einem süßen, kleinen russischen Märchendorf. Diesmal lag es nicht in der russischen Republik „Tschuwaschien“, sondern in „Mari El“. Übrigens spricht man dort – logischerweise - nicht Tschuwaschisch, sondern Mari.
Wir machten uns also auf dem Weg zum Geburtsdorf des Vaters meiner Gastmutter, welches den Namen „Nuschenaly“ trägt. Xjuschas Opa verbrachte seine gesamte Kindheit und seine Tochter fast jeden Sommer hier, dem zu Folge können beide fließend Mari - ganz im Gegensatz zu den übrigen Mitreisenden: Gastvater, Xjsucha, Daschul und ich.
Wir fuhren an Felder und Wiesen vorbei, durch andere Dörfer und jedes Mal dachte ich: Das ist es jetzt bestimmt! Doch jedes Mal meinte man: Nuschenaly ist noch kleiner. Dies wiederum wollte ich nicht glauben…
Und dann waren wir da. Mitten in der "Pampa". Nein, Pampa ist nicht der richtige Begriff, denn wenn ich ehrlich bin, finde ich das Dorf wunderschön und wäre am liebsten glatt eine Woche geblieben.
Wir befanden uns nun auf dem Hof, des Grundstücks der Frau des verstorbenen Bruders von Xjuschas Opa. Ich sah mich um. Zum knutschen: Ein altes Holzhaus, welches lediglich aus Küche, Stube und Flur bestand. Der gesamte Stolz der Küche: Ein echter Backofen!!
Weiter sah ich: Ein Banjahaus (Sauna), Stall und ein weiteres Holzhaus, worin wir übernachteten. Toilettenhäuschen. Zum Grundstück gehört auch ein Garten. Auf Leinen wehte frisch gewaschene Wäsche im Wind. Hühner rannten glucksend über den Hof.
Ich bat Xjuscha mir etwas die Gegend zu zeigen und so gingen wir etwas spazieren. Das Dorf verfügt über stolze zwei Straßen, welche allerdings eher als Feldweg zu bezeichnen sind. Zu beiden Seiten der Straßen sieht man ähnliche Gehöfte wie jenes, welches ich euch soeben beschrieb. Über den Feldweg rannten Hühner und Gänse.
Xjuscha zeigte mir den Brunnen, welcher zzt. kein Wasser führt. Ich fragte, woher man nun Wasser bekommen würde, denn schließlich ist hier fließend Wasser Fehlanzeige. Sie führte mich zu einem kleinen Bach, welcher in einem 10 min entfernten Tal plätscherte. Die Bewohner des Dorfes sind allerdings größtenteils bereits über 60, da die Jugend es vorzieht in der Stadt zu leben. Unvorstellbar, dass eine 60 jährige Oma schwere Wassereimer aus dem Tal hinaufhievt… Meine Gastmutter erzählte mir später voller Bedauern, dass früher hier buntes Treiben herrschte, sowohl Alt als auch Jung lebte hier - doch mittlerweile lebt hier nur noch Alt - Jung schaut nur in den Sommerferien vorbei.
Die Führung ging weiter und ich liess mich weiter verzaubern. Xjuscha meinte, dass das nächste Geschäft hier ca. eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt sei.
Wir blieben stehen und sahen hinab auf einen kleinen See. In der Nähe weideten Kühe, welche von einem Mütterchen bewacht wurden.
Am frühen Abend setzen wir uns auf die Bank vor unserem Häuschen. Bald kamen einige Dorfanwohner hinzu, welche sich sehr über den Besuch freuten. Mit großen Ohren lauschte ich Mari. Schon leicht frustrierend. Da kann ich nun halbwegs ordentlich Russisch und verstehe wieder nichts…
Bald darauf trieb das Mütterchen die Kühe von der Weide zu ihren Besitzern, auch Schafe wurden zurückgebracht. Dies sorgte einige Minuten für ein hektisches Treiben in dem so kleinen Dörfchen.
Während ich auf dieser Bank saß und dem Treiben zu sah, glaubte ich jegliches Zeitgefühl verloren zu haben und fühlte einfach nur Unbeschwertheit. Alles hatte einen Hauch von Ewigkeit... Ernsthaft: Wenn jemand über Stress im Alltag klagt und nicht weiß, wohin er seinen Entspannungsurlaub verlegen soll: Ich empfehle russisches Dörfchen.
Abends fanden wir uns in dem Häuschen zusammen. Wir aßen, quatschten und hätten sogar Karten gespielt, wenn wir nicht die Karten vergessen hätten. Nebenbei lief der Fernseher. Ja, ihr habt richtig gehört: fließend Wasser, Heizung = Fehlanzeige. Strom = Fernseher = selbstverständlich. Mich verwundert schon gar nichts mehr :D
Meine gesamte Gastfamilie und ich übernachteten also im Holzhäuschen nebenan - alle in einem Zimmer. Kein Problem. Augen zu. Gute Nacht. *ssssummm* (Summgeräusch) gegen 4:30 am Morgen wachten wir auf und jagten Mücken, welche immer mehr zu werden schienen. Irgendwann schliefen wir wieder ein. Gegen 6:15 hörte ich einen Hahn krähen. Märchenhaft.
Meine russische Mama stand bald auf und half Piroggen zu backen. Xjuscha und ich dümpelten noch in unseren Betten herum, bis wir uns schließlich an den Frühstückstisch (im anderen Haus) begaben. LECKER! Es ist unvergleichlich, wie lecker Piroggen schmecken, welche frisch in einem echten, steinernen Backofen gebacken wurden.
Ich war schon etwas traurig, als wir uns gegen Mittag auf den Rückweg machten.









Eine der beiden Straßen.



Kühlschrank. :D




Der Hund des Hauses. Er heißt "Malysch" = "Kleines".





Fernseher. Links Esstisch. Fernster mit blick auf die Staße. Rechts, hinter dem Vorhang ist die Küche. Ebenfalls in der Stube befindet sich das Bett der Hausherrin.



Backofen.



Händewacshen: Wasser in blaues Gefäß. Hände waschen. Wasser fließt in Topf unterm Waschbecken.




Einbruchssicher! :D








Brunnen.



Bächlein im Tal (da wo das Brett (=Brücke) liegt).





Die einzige Verwundunge für einen Heizkörper hier: Als Fußabtreter vor der Haustür.




Ein wenig Hektik. :)





Muh!









Am 5. Juni hatte mein Gastvater Geburtstag. Übrigens, habe ich etwas bemerkenswertes festgestellt: Meine Gastmutter hat im selben Monat Geburtstag, wie meine Mama und mein Gastvater im selben, wie mein Papa. Sachen gibt’s…
Wie gesagt: Mein Gastvater hatte Geburtstag und ich war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Er hatte zwar ebenfalls gesagt, dass man nichts schenken müsse, aber dennoch fand ich es angebracht, da alle Pakete meiner Verwandtschaft nur mit Aufmerksamkeiten für den weiblichen Teil meiner Gastfamilie bedacht waren. Ich zermarterte mir das Hirn. Der Mann scheint einfach alles zu haben. Aber dann fiel mir ein, dass er nicht oft seine Familie sieht und so beschloss ich einige Bilder von seiner kleinen Familie und vor allem von klein Daschenka entwickeln zu lassen. Er freute sich sehr über die gerahmten Erinnerungen.
Den gesamten Vormittag werkelten wir fleißig am Festessen. Ich buk diesmal übrigens Dresdner Eierschecke. Jammi.

Weiteres von meinem aufregendem Leben hier gibts im nächsten Blog.

Lottchen

Fazit: Ein Russe meint was er sagt. Wenn er sagt, er fährt geradeaus, dann fährt er geradeaus.

Samstag, 4. Juni 2011

Scharli und die Eisfabrik

Dima lud seine Schwester und mich am Sonntag ins Kino ein. Auf dem Programm stand: Fluch der Karibik Teil 4! Jeha! Auch seine Freundin war mit von der Partie- vermutlich eine Art geschickter „Bekanntmachungs - Schachzug“, da wir hoffentlich bald (dreimal auf Holz klopf) bei ihnen in Wolgograd leben werden.
Nun ja, jedenfalls war der Film super und ich hätte ihn mir am liebsten sofort noch einmal angesehen.
Anschließend seilte sich Xjuscha ab, um mit Sascha den restlichen Nachmittag zu verbringen. Dima, seine Freundin und ich gingen noch in ein kleines Kaffe und danach in einen Park. Wir schwatzen etwas, wobei es sehr schwierig ist die beiden zu verstehen, denn sowohl Dima, als auch seine Freundin sprechen sehr leise. Seltsamer Weise verstehen sie sich untereinander ohne Probleme- nur ich muss die Ohren mächtig spitzen… wer weiß: evtl. findet zwischen ihnen Gedankenübertragung statt… :D

In der Nacht vom Montag zum Dienstag erfüllte sich ein langer Wunsch meiner Gastmutter: Ihr Mann hatte endlich Urlaub bekommen und stand nun vor ihrer Tür, bereit bis zum 15. Juni hier zu verweilen. Und während Dascha fröhlich jubelte, dass ihr so langersehnter Papi endlich da ist, schliefen Xjuscha und ich, denn schließlich war es weit nach Mitternacht.

Und Dienstag war dann auch schon der letzte Schultag für mich. Es ist schön blöd, wenn der Austausch länger dauert, als das Schuljahr. Der Ferienbeginn stellt bereits einen kleinen Abschied dar, da man sich nun nicht mehr täglich sieht und daran erinnert wird, dass sich mein Austauschjahr dem Ende zuneigt.
Im Konzertsaal der Schule fand man sich zusammen und nahm Platz. Die stellvertretende Schuldirektorin hielt eine Rede, in welcher sie noch einmal auf die Wichtigkeit der bevorstehenden Examen hinwies.
Auch die Klassenlehrerin griff dieses Thema wieder auf, als wir im kleinen Kreis meiner 9. Klasse befanden. Allerdings meinte sie noch, dass man sich mit den Bewertenden Lehrern durch kleine Geschenke gut stellen sollte…
Übrigens hat die Neuigkeit, dass ich ein Buch herausbringen möchte, sehr schnell die Runde gemacht. Und so befand ich mich in einem Kreuzverhör, in welchem man versuchte den Grund für meine schriftstellerische Aktivität herauszufinden. Im Endeffekt waren alle total begeistert, als ich den russischen Prototyp vorzeigte und erkundigten sich begeistert, wann das Büchlein denn erwerbbar währe und zu welchem Preis. Hihi.
Und dann verließ ich auch schon die Schule und ging zusammen mit Nastina, Sonja und Nastja in ein Kaffee, um den Abschied des Schuljahres zu zelebrieren. Ich zeigte mein Abschiedsalbum, welches ich für meine Englischlehrerin (und YFU- Freiwillige) angefertigt hatte. Bilder, Erinnerungen, Eindrücke und viel Text. Ich war mächtig stolz, dass ich soviel schriftlich verfasst habe und das ohne irgendwelche Hilfestellungen. Auch habe ich nicht wie sonst zunächst den Txt auf Deutsch verfassen müssen und dann übersetzen, sondern schrieb einfach drauf los, als ich das Album anfertigte. Ich schilderte ihnen die selben Eindrücke, wie auch euch. Z.B.: das Mütterchen mit der Kuh und den Schafen, Zeitreise in russische Dörfchen, Schneetreppen, eisige Temperaturen…, dass ich nicht wusste was ein „Dnevnik“ ist und auch zum ersten mal einen Trolleybus gesehen habe. Meine Freundinnen schmunzelten zunächst und brachten schließlich ihr Bedauern über meine baldige Abreise zum Ausdruck. Doch ich ließ es nicht zu, wegen mir Trübsal zu blasen und wechselte schnell das Thema auf ihre bevorstehenden Examen und dass ich während dessen lecker Eis essen werde - aber dazu später mehr.
Als sich unsere Wege trennten, suchte ich das Kabinett der Englischlehrerin auf, um ihr das Album zu überreichen. Sie freute sich riesig und meinte, dass Mitte Juni, wenn die 9.Klässler ihre Examen erfolgreich bestanden haben, ich (auf selbiger „Examenverleihungsfeier“) offiziell verabschiedet werden würde - na da bin ich mal gespannt. Um ehrlich zu sein hatte ich schon das Gefühl, dass man die Tatsache meiner baldigen Abreise schon völlig vergessen hatte…
Dienstagabend traf ich das erste Mal seit ungefähr einem halben Jahr wieder auf meinen Gastvater. Er scheint sich nicht verändert zu haben: Immer noch ein großer, schlanker Mann, welcher gern und schlau redet, ständig guter Laune ist und Witze erzählt. Auch der „positive Wind“, welcher auch schon bei seinen letzten Besuch wahrnehmbar war, sorgt auch jetzt wieder für eine angenehme Briese in meinem russischen Heim.

Meine Gastmutter hatte am Mittwoch Geburtstag. Zwecks dessen stand ich gegen 8 Uhr auf und ging auf den Markt. Die übrigen Familienmitglieder waren bereits ausgeflogen- sowohl auf Arbeit oder in den Kindergarten - oder wie Xjuscha, welche bevorzugte ihre Flugkünste im kuschelig, weichem Bett unter Beweis zu stellen. Zu Deutsch: sie schlief noch.
Meine russische Mutter hatte mir gesagt, dass es nicht nötig sei, ihr etwas zu schenken, da sie bereits durch die Geschenke meiner Verwandten versorgt sei. So ganz mit leeren Händen wollte ich dann aber doch nicht dastehen und beschloss „Russischen Zupfkuchen“ zu backen, da man selbigen zuletzt in den Himmel gelobt hatte. Da ich allerdings wollte, dass es eine kleine Überraschung wird, stand ich extra früh auf, um alles fertig zu haben, wenn die Vöglein wieder einfliegen.
Nach einer Stunde kam ich vom Markt wieder und hatte alle Siebensachen beisammen. Nun konnte das backen beginnen.
Drei Stunden später: Kuchen fertig. Xjuscha aufgestanden. Festtafel aufgestellt. Erster Salat bereits fertig. Vöglein fehlen. Schließlich flatterten sie ein und wir begannen emsig zu schnippeln und zu kochen.
Um fünf kamen auch schon die Gäste: Kolleginnen aus der Schule und Verwandte. Xjuscha verließ die Festrunde, um mit Sascha spazieren zu gehen, was sehr zur Verärgerung ihrer Mutter sorgte, vor allem, als sie sich noch um 2 Stunden verspätete.
Nachdem wir „Karawai“ getanzt hatten ging ich in Xjuschas und mein Zimmer, dort traf ich bereits Dima an, welcher emsig die auf meinem Computer gespeicherte Forsetzung meines Buches las und mit einem Grinsen bemerkte, dass seine Freundin auch gerade einen Teil des Prototyps lesen würde.

Und schon war der Tag des Russischexamens für meine Gastschwester herangebrochen. Wie ich bereits schon ein mal erwähnte, muss man hier in der 9. Klasse Examen in den Fächern: Russisch, Algebra, Englisch und einem Wahlfach ablegen. Und da standen sie nun. Die 9. Klassen. Einer aufgeregter als der andere. Witzelnd fragte ich in Runde, ob man sich wenigstens mit Spickzetteln ausgerüstet hätte. Prompt rafften ein paar Mädels ihre Rücke hoch und präsentierten ihre beschriebenen Beine - aber auch Arme und Handys waren bestens ausgestattet. Eh… ja…kein Kommentar. Übrigens: Die Größe Russlands hat durchaus ihre Vorteile. Hihi. So saßen viele der 9. Klässler die halbe nacht im Internet um die Prüfungsaufgaben zu suchen. In Deutschland wäre es vergeblich, doch nicht hier. Denn hier gibt es Zeitverschiebung. In gesamt Russland scheint ein- und dasselbe Examen abgelegt zu werden. So kamen in Wladiwostok die selben Prüfungsfragen dran wie hier. Nur, dass man sie in Wladiwostok 7 Stunden eher schrieb und anschließend im Internet veröffentlichte… Und da wir gerade bei – nennen wir es: „interessante Methoden der Bewältigung von Examen“ sind, kann ich euch gleich noch etwas erzählen: Ich habe persönliche Kenntnis von einem Lehrkörper, welcher 1000 Rubel (25 Euro) bezahlte, um einem Schüler ein bestandenes Examen zu erkaufen. Lang lebe Russland! :D
Doch nun mehr zu meinem eigentlichen Aufenthaltsgrund in der Schule:
Eis. Besser gesagt: Tschuwaschisches Eis. Wiedereinmal würde für einige Stunden Zweitklässlerin sein und eine Fabrik besuchen in welcher Milchprodukte- u.a. Eis- hergestellt werden. Die Lehrerin kannte ich bereits, da auch sie bei der gestrigen Geburtstagsfeier meiner Gastmutter dabei war. Am Vortag meinte sie noch scherzend, dass sie mich nur mitnehmen würde, wenn ich ihr das Rezept des Kuchens aushändigen würde, weshalb ich nun vor ihr stand und ihr selbiges überreichte. Sie bedankte sich.
Und schon saßen wir im Bus, welcher uns zur Eisfabrik bringen würde. Eigentlich ist ja mein langersehnter Kindheitstraum mal in eine Schokoladenfabrik zu kommen - aber Eis ist da gar kein mal soo schlechter Anfang.
In der Fabrik angekommen, stiegen wir aus dem Bus aus. Der Busfahrer sah mich verdutzt an und fragte laut in die Runde: „Geht die immer noch in die zweite Klasse?“ Als er die Antwort bekam: „Nein, das ist eine deutsche Austauschschülerin.“ Sah er mich noch verdutzter an und für einen Moment schien es mir fast so, als wolle er mir etwas sagen.
Dann zogen wir weiße Mäntel über und betraten die heiligen Hallen der Eisherstellung. Nun wurden uns die einzelnen Schritte der Eisherstellung erklärt- Angefangen beim Kochen der Vanillefüllung (in einer riesigen Wanne, worin man locker hätte baden können…), über hineinschießen der Holzstiele in das Eis, weiter zu Eis am Stiel, welches in lecker Schoki getaucht wird und schließlich betraten wir eine Kammer, in welcher –30 Grad und waren und künstlicher Wind erzeugt wurde- bis zur Decke gefüllt mit Eis. Die Gruppenführerin meinte, dass sie zurzeit in etwa 100 Tonnen Eis lagern und nun auf die Hitzesaison warten. YUMMI! Gekrönt wurde die Führung mit kostenlosem Eis. Jeha!

Wieder in der Schule angekommen ging es für mich gleich weiter zum tschuwaschische Fernsehen - diesmal mit der zweiten Klasse meiner Gastmutter. Ein Mann erzählte uns zunächst die Geschichte zur Entwicklung des Fernsehens und zeigte uns dann ein echtes Fernsehstudio. Ich muss sagen, dass ein Fernsehstudio kleiner ist, als ich es mir vorgestellt habe. Eine Ecke des Raumes ist schick und vorzeigbar (da, wo auch später die Moderatoren stehen) und der übrige Teil des Zimmers ist verramscht mit Kabelsalat und Technik.
Beides sehr interessante Führungen- wenn es auch beim Fernsehen kein Gratiseis gab…

Im russischen Heim half ich bei den Vorbereitungen zu zweiten, allerdings etwas kleineren Geburtstagsfeier meiner Gastmutter. Heute würden nur die „Oma“, ihr Lebensgefährte und der Vater meiner russischen Mama kommen. Auch die „Oma“ kam bei Zeiten und half mit bei den Vorbereitungen, denn schließlich hat das Geburtstagskind sich auszuruhen und die Männer (dank klassischer Rollenverteilung) nichts zu suchen in der Küche. Wir unterhielten uns. Das kommt übrigens in letzter Zeit häufiger vor. Die „Oma“ ist ein super Gesprächspartner! Am Ende der Vorbereitungen meinte sie, ich sei ein seltenes junges Mädchen und ihr gefalle meine Art zu denken…
Und auch dieser Abend ging vorüber- gefüllt von Witzen und interessanten Erzählungen meines Gastvaters, Gelächter und viel frischem Wind…

Sonntag gingen meine Gasteltern, klein Daschul und ich Shashlik essen. Diese kleine Veranstaltung war als eine Art Klassenfeier der Schüler meiner Gastmutter gedacht und fand unweit von den Ufern der Wolga statt. Es war ein sehr sonniger, sommerhafter Tag mit Temperaturen bis 30 Grad. Wir spielten Handball, grillten, aßen wie immer viel zu viel.

Ach und was mir gerade noch einfällt: Die Woche war wirklich gerade zu gefüllt mit blöden Fragen! Hier zwei Beispiele:

- Auf welcher Sprache sprecht ihr in Deutschland?
Denk mal logisch nach!
- Auf Englisch!
Ja…genau…

- Klaut man in Deutschland?
Kommt vor.
- Stimmt es, dass man dem Dieb dann zur Strafe die Hand abhackt?

Ich möchte mich entschuldigen, dass es so lange mit dem jetzigen Post gedauert hat. Aber es ist immerhin der letzte Monat in Russland und den möchte ich ausschöpfen- und seit mein Gastvater hier ist sind wir ständig auf Trab. Im nächsten Post erzähle ich euch von meiner Arbeit im Ferienlager, von meinem neuen Haarschnitt und von meinem Erlebnissen nachts in einem russischen Dorf- und alles unterlegt mit gaaanz vielen Bildern! :)

Lottchen

PS.: Ein besonderer Gruß geht noch an meinen Opa und meine Mama, welche beide letzte Woche Geburtstag hatten. Alles Gute nachträglich! Ich hoffe ihr habt schön gefeiert!

Sonntag, 22. Mai 2011

Hip Hop!



Die restliche Woche, nach dem „Tag des Sieges“, lebten noch die „Oma“ und ihr Lebensgefährte mit uns. Wenn ich zuvor glaubte, dass meine Gastmutter wert auf „viel essen“ legt, so musste ich feststellen, dass sogar noch „viel mehr wert“ auf „viel mehr essen“ gelegt werden kann. Kurz gesagt: Es gab vier Mahlzeiten am Tag. Zum Frühstück begann man mit deftiger Suppe und Abends um 9 verabschiedete man den Tag mit viel Fleisch und zum Nachtisch Süßem. Was bleibt da noch zu sagen? „Figur adieu!“

Samstags gingen Natascha, Xjuscha und ich in die Mega Moll, um ein Geburtstagsgeschenk für Lera zu kaufen. Die Geburtstagsfeier würde bereits am nächsten Tag statt finden. Also noch reichliche 24 Stunden um ein brauchbares Geschenk zu finden. Vor 8 Monaten wäre ich bestimmt schon vor einer Woche gestresst durch die Läden gerannt. Jetzt nicht mehr. In diesem Land kann man glaube ich gar nicht an Herzkasper Aufgrund von Stress sterben. Man macht sich nämlich keinen und das ist auch besser so. :)

Und schwupp war Sonntag und ich saß im „Bar Duck“ (Restaurant) zusammen mit Lera, Xjuscha, Lena, Natascha, Seda und Lisa und feierte Geburtstag. Xjuscha, Natascha und ich schenkten Lera übrigens einen großen Wecker, damit sie Samstags mal pünktlich zur Schule kommt. Hihi. Viele Schüler kommen an Samstagen absichtlich zu spät zur Schule oder schwänzen ganz. Man geht eben ungern sechs Tage die Woche zur Schule, was ich absolut verständlich finde.
Zurück zur Geburtstagsfeier: Mit vollgeschlagenen Bäuchen fiel uns nichts besseres ein, als auf den nahegelegenen, kleinen Rummel zu gehen, welcher am Golf aufgebaut wurde. Hier ein Bild des wunderbaren Gerätes mit welchem ich fuhr. Es heißt „HipHop“:


Ein wunderbares Gerät! Die Sitze sind in einer Trommel befestigt, welche sich dreht und diese wiederum ist an den großen STanken befestigt, welche sich drehen. Natascha und ich hatte vviiiieel Spaß!! :D



Rechts sitze bzw hänge übrigens ich.



Sichtlich gut gelaunt mit Zuckerwattebart....






Am Sonntagabend verabschiedeten sich die „Oma“ und ihr Lebensgefährte und reisten ans Schwarze Meer. Xjuscha und ich freuten uns über Sturmfrei, sahen bis um zwei Uhr nachts Filme und quatschten über Gott und die Welt.
Meine Gastmutter und Dascha kehrten am Folgetag aus ihrem Familienurlaub zurück. Beide sahen wesentlich entspannter und frischer aus als sonst. Offenbar hatten sie sich gut erholt. Beide berichteten von ihren Erlebnissen und meinten, auf meine Frage hin, dass mein Gastvater in ca. einer Woche nachkommen würde.

Seit der Abreise meiner Gastmutter lag hier ein Zettel, ausgestellt von der Post, rum. Zu Deutsch: Paket ist da, Paket ist da! Wir stiefelten also zur Poststelle. Wieder hieß es Schlangestehen. Als wir endlich an der Reihe waren, meinte das Schaltertantchen, dass das Paket bereits seit einem Monat nicht abgeholt worden sei und deshalb zurück geschickt worden wäre. Bäm. Schlag ins Gesicht. Meine Gastmutter gab sich so schnell nicht geschlagen.
„Es ist kein Monat vergangen. Ich war zwischendurch für 10 Tage verreist und nicht für 30! Das ist überhaupt nicht möglich! Außerdem sind sie dazu verpflichtet mindestens einen „Erinnerungszettel“ an uns zu schicken, um uns an das Paket zu erinnern.“

„Ich kann es nicht ändern. Das Paket lag einen Monat hier und keiner hat es abgeholt. Ich persönlich habe 6 Ermahnungszettel ausgefüllt.“

„Unmöglich! Wir haben nur einen!“

„Das kann ich nicht ändern. Das Paket befindet sich nicht mehr in unserer Obhut.“


Erfolglos verließen wir das Postamt, gingen ins nächste Geschäft und erledigten kleine Einkäufe. Meine Laune war im Eimer- wie jedes mal, wenn es Gezeterte auf der Post gab, nur weil ich einen Gruß aus der Heimat abholen wollte. Xjuschas Mutter war auf 180, was schließlich dazu führte, dass wir noch einmal zur Post gingen: Mit entschlossenem, tödlichen Blick marschierte sie direkt auf das Schaltertantchen zu, ignorierte die Warteschlage und verlangte sofort den Vorgesetzten sprechen zu wollen:

Sie: „Es kann ja wohl nicht war sein, dass es hier jedes mal Probleme gibt, nur weil das Kind seine Pakete abholen möchte! Wieso haben wir keine Erinnerungszettel bekommen und warum befindet sich das Paket nicht mehr in ihrer Obhut?!“

Vorgesetzte: „Ich kann da auch nichts machen. Wenn die Kollegin sagt, sie habe persönlich sechs Zettel ausgefüllt…“


Schließlich fand man heraus, dass die sogenannte Kollegin den Wisch falsch ausgefüllt hat und so aus Wohnung 180, Wohnung 780 wurde. Sehr schlau. Das Stadtbild Tscheboksarys ist förmlich von Wolkenkratzern, mit bis zu 780 Wohnungstüren, geprägt….

Vorgesetzte: „Oh, dann handelt sich es um ein Versehen unsererseits. Sie können das Paket morgen abholen. Dazu müssen sie zum Hauptpostamt fahren, welches sich im Stadtzentrum…“

Gastmutter: „ Ich fahr nirgendwo hin! Sie schicken das Paket hier her zurück!“

Vorgesetze: „Ach hier ist übrigens noch ein anderes Paket für sie…“

Gastmutter: „Wie bitte?! Noch ein anderes? Da haben wir aber auch keinen Zettel bekommen!“

Vorgesetzte: „Ja, es wurde uns erst heute zugestellt. Sie können es gleich in empfang nehmen, wenn sie möchten. Ich bräuchte dann nur ihren Ausweis…“

Das Paket wurde uns ausgehändigt. Gastmutter immer noch auf 180- oder mittlerweile schon auf 200.

„Das Kind ist übrigens deutsche Staatsbürgerin! Jedes mal so ein Stress! Was wird das Kind wohl zu Hause erzählen…“

Wir verließen das Postgebäude.
Dascha und ihre Mutter machten sich nun auf dem Weg zu „Mütterchen“, wo sie übernachten würden. Ergo: Xjuscha und ich hatten wieder Sturmfrei. Jeha!

Im russischen Heim angekommen öffnete ich das Paket meiner Eltern. Es enthielt: ein Schreiben meines Vaters und meiner Mutter, jede Menge Süßkram (u.a.: Nutella. Xjuschas Augen funkelten, als ich jubelnd das Schokokremglas aus dem Paket zauberte.), ein Spielzeugeinhorn für Dascha, Osterhasen für Xjuscha, ein Ring von meiner Schwester an mich (mit Gravur, als Zeichen unserer Verbundenheit. Haaach Schwesterliebe… xD ) und ein Buch. Aber nicht irgendein Buch- nein…sondern mein Buch. Mein Vater hatte meine Texte bereits binden lassen. Da hielt ich es nun in der Hand. Mein Buch. Unwirklich. Nun weiß ich seit ca. 8 Monaten, dass ich ein Buch veröffentlichen werde, bringe meine Erlebnisse zu Papier und kann’s trotzdem noch nicht realisieren. Realisieren hin oder her- ich musste es noch irgendwie meiner Gastfamilie beibringen. Zum Glück hatte mein Vater eine Übersetzerin ausfindig gemacht, welche den Text ins russische brachte. So hielt ich nun schon zwei Bücher in der Hand, von deren Existenz hier noch niemand etwas wusste. Ich schritt also zur Tat:
Hinter meinem Rücken versteckte ich die Bücher und ging zu Xjuscha. Sie saß ahnungslos auf dem Sofa, unseres Zimmers, und surfte im Internet. Als sie bemerkte, dass ich regungslos vor ihr stand, sah sie mich fragend an:

Sie: „Ist was ?“

Ich (kurz und schmerzlos): „ Ich bringe ein Buch raus.“

„Was?! Worüber?“

„Über mein Austauschjahr hier.“

„Hm. Und wieso?“

Und nun begann ich ihr zu erklären, dass ich damals, als ich mich entschied nach Russland ging, verzweifelt Lektüre suchte, welche mich auf das Bevorstehende Russlandabenteuer vorbereiten würde. Vergeblich. Ich erklärte ihr, dass man da, wo ich her komme, eigentlich keine Vorstellung hat, wie das Leben heutzutage in Russland aussieht und, dass es letzten Endes alles durch meinen Vater ins rollen gebracht wurde.
Sie hörte es sich ruhig an. Ich gab ihr das Buch. Ihre Augen weiteten sich:

„Was- etwa schon fertig?“

„Nein, das ist nur ein Prototyp.“

Sie begann noch am selben Abend zu lesen.
Am nächsten Tag erklärte ich meiner Gastmutter mein Vorhaben. Sie reagierte ruhiger, als ich zunächst annahm. Auch sie begann zu lesen.
Am nächsten Tag meinte sie schließlich, dass sie die ganze Nacht durchgelesen habe und nicht aufhören hätte können. Mit einer Mischung Verwunderung und Anerkennung lobte sie meinen Schreibstil.
Am Nachmittag holte ich nun endlich das Paket meiner Großtante ab. Dieses war randvoll gefüllt mit Süßigkeiten und Backutensilien (u.a. eine Springform!). Vielen Dank, es kommt wie gerufen, denn bald hat meine Gastmutter Geburtstag und da werde ich wieder backen! Danke! :)

Themenwechsel: Schulalltag:
Mein Schuljahr in Russland nähert sich dem Ende, doch viel Zeit zum Trübsalblasen habe ich nicht. Warum? Abschlussarbeiten. In allen Fächern wird gegen Ende des Schuljahres eine Arbeit geschrieben, welche den Lernstoff des gesamten Schuljahres umfasst. Und so war auch für mich die Abschlussarbeit in Russisch unumgänglich. Am 19.05.11 saß ich mit rauchendem Kopf, im Russischklassenzimmer der dritten Etage, am vorletzten Platz der mittleren Reihe und versuchte u.a. verzweifelt die Partizipkonstruktionen in dem zuvor diktierten Text farblich hervorzuheben… Bauchgefühl? Gibt’s nicht. Ist schreiend weggerannt…

Wir schreiben Samstag, den 21.05.11, ein historischer Tag für mich. Der letzte Samstag meines Lebens, welchen ich in der Schule verbringen werde. Jeha! Ich bin so was von froh, das man in Deutschland nur 5 Tage in der Woche zur Schule geht!
In der Pause lief ich der Schulärztin über den Weg. Sie fragte mich nach meinem Befinden und irgendwie entwickelte sich daraus schließlich ein Gespräch über die niedrige Bezahlung von Ärzten. Im Durchschnitt verdient ein Arzt hier 6 000 Rubel (150 Euro), ein Grundschullehrer 8 000 Rubel (200 Euro), ein Busfahrer 10 000- 12 000 Rubel (250-300 Euro).Als ich später meine Gastmutter fragte wie viel denn notwendig sei, um ein „normales“ Leben zu führen, meinte sie 20 000 Rubel (500 Euro). Ich war geschockt! Es ist für mich unbegreiflich, wie ein Arzt, ein studierter, wissender Mensch, welcher im Stande ist Leben zu retten, weniger verdient, als ein Busfahrer! Im weiteren Verlauf des Gespräches meinte sie das Gehalt sei deshalb so niedrig, weil besagter Mann bzw. Frau der Medizin nichts herstellt. Er nimmt nur Staatsgelder, gibt aber nichts zurück. Im späteren Gespräch mit meiner Gastmutter fragte ich sie, warum ein Busfahrer dennoch mehr verdient, obwohl er ebenfalls nichts herstellt. Soweit ich verstanden habe ist der Entscheidende Unterschied folgender: Lehrer und Ärzte bekommen ihr Geld aus einem Budget ausgezahlt, worin zuvor u.a. der Steuerzahler eingezahlt hat. Da dieser „Topf“ allerdings eher halbleer, als halbvoll zu sein, ist auch das Gehalt nicht üppig. Der Busfahrer allerdings arbeitet mit „lebendigem“ Geld. Es fährt, nimmt Leute mit, Passagiere bezahlen, Busfahrer bekommt Geld. Nach diesen Gesprächen wurde mir auch klar, warum ich im Krankenhaus fast ausschließlich weibliche Ärzte antraf: Die Rollenverteilung in Russland ist klassisch: Mann ernährt Familie. Aber wenn Mann ein gewöhnlicher Arzt ist, reicht das Geld vorn und hinten nicht um diese „Ernährerrolle“ zu erfüllen.

Am Nachmittag kam Dima, Xjuschas Bruder, zu Besuch und brachte mit sich frohe Kunde: Xjuscha und ich fahren zu ihm nach Wolgograd! Damit geht ein Traum für mich in Erfüllung! Jeha! Mag sein, dass einige unter euch meine Freude nicht nachvollziehen können- noch nicht. Wolgograd ist eine Millionenstadt an den Ufern der Wolga, ca. 1000km entfernt von Cheboksary, und trug bis 1961 den Namen Stalingrad. Im Gedenken der siegreichen „Schlacht von Stalingrad“ wurde ein gigantisches Denkmal, von 84 Metern Höhe und 7900 Tonnen Gewicht, errichtet. Das will ich unbedingt mit eigenen Augen sehen! Einzelheiten der Hin- und Rückfahrt, sowie Aufendhalt müssen noch Ausgekaspert werden, aber ich freu mich jetzt schon RIESIG!
Übrigens begann auch er sofort den Prototyp zu lesen. Meine Gastmutter kam zwischendurch belustigt ins Zimmer und meinte:
„Dima sitzt da und liest. Er will nichts essen, keinen Tee und auch nicht mehr weg fahren. Er liest.“
Hihi.

Lotte

Fazit: Ein Arzt verdient weniger, als ein Busfahrer. Verdrehte Welt…

PS.: Ein besonderer Gruß geht an mein Schwesterlein, welches diese Woche eine OP über sich ergehen lassen musste. Ich bin froh, dass alles gut geklappt hat und, dass es dir gut geht! Ich liebe dich. Du fehlst.

Samstag, 14. Mai 2011

Der Tag des Sieges!

Am Montag, dem 9. Mai, schlurfte ich gegen 10 aus meinem Bett zur Küche, um irgend Essbares zum Frühstück zu finden. Ich öffnete die Küchentür. Die „Oma“ stand bereits am Herd und brutzelte Eierkuchen - ein besseres Frühstück hätte es nicht geben können. Ich schnappte mir also ein paar der goldgelben Teigteller und setze mich an den Tisch. Der Fernseher lief. Das fast ununterbrochene Laufen des Fernsehers ist hier nichts ungewöhnliches, weshalb ich mittlerweile schon gar nicht mehr drauf achte. Erst als ich direkt vor dem Fernseher platz nahm, rückte besagtes Kommunikationsgerät in das Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Zu sehen war der Rote Platz in Moskau, welcher festlich geschmückt war. Die Marschmusik verstummte. Es folgten geschrieene Anweisungen. Die Soldaten blieben zeitgleich stehen. Medvedjew hielt eine Rede zum Sieg im 2. Weltkrieg und zum Gedenken an die verheerenden Ausmaße dieses Ereignisses. Es folgte eine Schweigeminute. Schließlich gratulierte er allen Veteranen und Staatsbürgern Russlands zum Festtag. Das auf dem Platz versammelte Militär rief exakt zeitgleich „Ura!“ („Hurra“). Es folgten geschrieene Anweisungen und es wurde weiter marschiert. Bemerkenswerterweise änderte sich der Abstand zwischen den Soldaten während des Marschierens nicht. Es folgte ein Luftbild. Hoppla. Das sind aber viele. Und alle im Gleichtakt. Exaktheit. Es folgten Waffen und Fahrzeuge (z.B.: Panzer, Raketen). Der Kommentator bemerkte jeweils welche Zerstörungskraft die jeweiligen Waffen haben und auch welche Soldaten gerade marschieren. Mir verging der Appetit. Es wird einem schon etwas anders, wenn man eine Stunde ausdruckslose, im Gleichtakt marschierende Soldaten, Kampffahrzeuge und Waffen sieht - vor allem wenn die „Oma“ begeistert bemerkt, dass dies nur ein kleiner Teil der eigentlichen Armee ist.
Um 11 war die Parade vorbei. Die „Oma“ schaltete um. Nun sahen wir die Parade in St. Petersburg. Voller Stolz berichtete sie mir, dass einer ihrer Söhne (der Bruder meines Gastvaters) daran teilnimmt. Während die Soldaten marschierten und die Kommentatoren kommentierten, bemerkte der Lebensgefährte der „Oma“ dass hier um 10 Uhr auch eine Parade war. Na klasse. Ist ja nicht so, dass ich mir das nicht gern angesehen hätte…

Gegen Eins traf ich mich mit Nastina. Auf dem Weg zum Treffpunkt erfolgte im Trolleybus eine außergewöhnliche Durchsage. Eigentlich hört man nur Standarddurchsagen wie: „Achtung, die Türen schließen sich. Die nächste Haltestelle ist…“ oder „Liebe Mitfahrer, seien sie aufmerksam und umsichtig! Geben sie ihren Sitzplatz an Behinderte, Ältere, Kinder und Schwangere!“ doch seit einigen Wochen (zeitgleich mit Beginn der Stadtverschönerung durch bunte Fahnen ect.) ist ungefähr folgendes vernehmbar: „Liebe Veteranen, wir gratulieren euch zum Tag des Sieges, wünschen euch Gesundheit, Glück und ein langes Leben! Auch allen Staatsbürgern gratulieren wir zu Festtag!“ Und passend dazu stieg auch gleich ein Veteran ein. Erkennbar in seiner alten Uniform gekleidet (es ist üblich seine alten Uniformen wieder zu tragen, sobald der 9. Mai sich nähert.) Sofort standen drei Leute auf und boten ihm einen Sitzplatz an. Er setzte sich nicht, sonder winkte dankend ab. Ein kleines Mädchen mit Blumenstrauß sprang vom Schoß ihrer Mutter und überreichte die Blumen (Xjuscha erzählte mir später, dass die Grundschulklassen sogar Kriegsveteranen besuchen würden, um ihnen Blumen und Dankesworte zu überreichen). Auch bezahlen musste der Veteran für die Fahrt nicht. Am 9. Mai gibt es hier etliche Vergünstigungen - so mussten Ältere auch nicht für Handyanrufe bezahlen.
Während der Trolly so vor sich hin zuckelte, bekam ich mindestens drei Niesattacken (Dank Allergie) und jedes Mal wünschten mir die umgebenden Mitfahrer „Gesundheit!“ und gratulierten mit zum Festtag - man war spürbar gut gelaunt.
Mein Blick fiel auf die Fahrbahn, als ich eine Polizeisirene hörte. Ein Polizeiauto fuhr vorbei, gefolgt von einem Auto, welches einen „Minipanzer“ auf der Ladefläche hatte - vermutlich noch von der Parade. Übrigens wurde vor nicht allzu langer Zeit die russische Miliz in Polizei umbenannt. So findet man nun die blausilbernen Autos sowohl mit dem Aufdruck „Milizija“ und „Polizija“ vor.

Schließlich stieg ich an der Haltestelle in der Nähe der Wolga aus und fand mich in einem Gedränge von Menschen wieder. Es ist normal und verständlich, dass der hier sogenannte „Golf“ (da, wo das Denkmal der Mutter Tschuwaschien steht - an der Wolga) viele Besucher anzieht, schließlich ist er wunderschön. Man sah Alte, Junge, Familien und Veteranen. Auch andere, welche eine Uniform als Dienstkleidung tragen, trugen diese heute.
Am vereinbarten Treffpunkt begegnete ich Nastina. Sie trug u.a. eine orange-/schwarz gestreifte Schleife. Das Zeichen des Tages, welches überall zu sehen ist (z.B.: als Autowimpelchen oder an Kleidung). Nastina hatte supergute Laune und meinte zunächst einmal, dass sie es klasse fände, das ich den Ausflug vorgeschlagen hätte. Die letzten Jahre wäre sie am 9. Mai nicht vor die Tür gegangen. Sie gestand kein sonderlicher Patriot zu sein. Wir bahnten unseren Weg durch die Menschenmengen und schlenderten am Ufer entlang. Alles war festlich dekoriert, es ertönten alte Kriegslieder, Buden boten Souvenirs, Essen und Sonstiges an. Hüpfburgen, Kutschfahren, Künstler usw. waren auch vor Ort. Ein reges, heiteres Treiben. Zudem hatten wir riesiges Glück mit dem Wetter: 22°C und Sonnenschein!

Später am Nachmittag trafen wir noch eine Freundin von Nastina. Sie hatte schon viel von mir gehört und freute sich sehr, mich kennen zu lernen. Kurz bevor ich mich auf den Heimweg machte meinte sie: „Ich hab zwar von Nastina gehört, dass dein Russisch gut ist, aber glauben wollt' ich’s nicht… Doch als ich dich begrüßt hab' und du antwortetest „Privjet!“ hätte ich für nichts auf der Welt gewettet, dass du nicht von hier bist!“
(Ihr habt keine Ahnung wie gut es nach wie vor tut, so etwas zu hören:)

Im russischen Heim angekommen setze ich mich an den gedeckten Festtagstisch. Die anderen Großeltern waren zum Besuch. Wir aßen gemeinsam. Es war so ein schöner Tag!




Plakate in der Stadt mit der Aufschrift: 9. Mai. Tag des Sieges.



Plakate, welche über die Straße gespannt wurden. Hier ein Plakat auf Tschuwaschisch.


Trolleybusswindschutzscheibe (rechts): kleines Plakat mit der Aufschrift: 9. Mai










Straßenlaternen mit Russischer und Tschuwaschischer Flagge dekoriert. Außerdem seht ihr auf dem Bild eine der weißen (komfortableren) Marschrutken.






Nastina. Augenmerk auf die Schleife (rechts).








Kutsche.








Zum Tag des Sieges!










Künstler, Menschen, Buden.












Bootsfahrten.








Die vollgestopfte Brücke zum Mutterdenkmal.










Denkmal der Mutter Tschuwaschiens.






:)
























So. In zwei Stunden geh ich Eurovision schauen.




Fazit: "Am Tag des Sieges geht es nicht nur um das Feiern des Sieges im Zweiten Weltkieg, sondern auch um Gedenken und Erinnerung. Denn nur wer weiß, was in der Vergangenheit geschah, kann verhindern, dass die selben Fehler in der Zukunft erneut gemacht werden!"




Quietschvergnügte Grüße




Lottchen




Donnerstag, 12. Mai 2011

Herrin der Flammen

Und wieder quälte ich mich an einem Samstag Morgen aus dem Bett und machte mich mit Xjuscha auf den Weg zur Schule. Als ich in dem wie immer vollgestopften Trolli vor mich hin tuckerte und mich mit dem Gedanken aufheiterte, dass heute nur zwei Unterrichtsstunden stattfinden würden, hatte ich eigentlich noch keine Ahnung was genau mich an diesem Samstag erwartete.
Nach Informatik und Literatur versammelten wir uns auf dem kleinen Innenhof der Schule, wo auch am 1. September die kleine Begrüßungsfeier stattfand und ich das erste Mal eine kleine Ansprache zu meiner Persönlichkeit und meinem Aufenthaltsgrund hielt. Mit einem kleinen Schmunzeln erinnerte ich mich zurück: Als mir damals meine Englischlehrerin sagte, ich solle mich vorstellen, wäre ich fast gestorben vor Aufregung. Meine deutschen Gedanken bastelten eine Rede zusammen, welche ich auf dem Weg zur Bühne verzweifelt versuchte zu übersetzen und meiner Gastschwester Löcher in den Bauch fragte. Während ich an diesen Tag vor nun ungefähr 8 Monaten dachte, bemerkte ich, dass sich doch eine Menge verändert hat: Hätte mich jetzt jemand gebeten etwas auf russisch zu sagen, wäre ich auf die Bühne gegangen, hätte mir das Mikro geschnappt und drauf los geplappert. Wenn ich allerdings etwas auf deutsch hätte sagen sollen, wäre es vermutlich etwas schwieriger geworden. Warum? Diesmal müsste ich meine russischen Gedanken ins Deutsche übersetzen…
Na ja, seine Muttersprache verlernt man nicht so schnell - wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Und so standen wir nun auf dem Innenhof. Versammlungsgrund war der bevorstehende Feiertag „Tag des Sieges“, welcher hier am 9. Mai gefeiert wird. Die Vorbereitungen zu diesem Feiertag konnte man bereits einige Wochen zuvor in der Stadt ausmachen. Überall wurden bunte Fahnen aufgestellt, Plakate mit der Aufschrift „9. Mai - Tag des Sieges“ – sowohl auf Russisch als auch auf Tschuwaschisch aufgehängt.
Ungefähr eine Stunde wurde ein kleines Programm aufgeführt. Die Direktorin hielt eine Ansprache, man sang Kampflieder und trug Gedichte vor. Sogar sechs Jungs in Uniform marschierten auf. Übrigens muss ich hierbei mal etwas Wichtiges anfügen: Obwohl es „Tag des Sieges“ heißt, geht es eigentlich weniger um das Feiern des Sieges (trotzdem man hier nach wie vor stolz darauf ist) sondern eher um die Erinnerung an das geschehene Leid. Zum Schluss liess man Luftballons aufsteigen. Nach der Veranstaltung kamen einige Schüler auf mich zu und fragen mich, ob man den 9. Mai auch in Deutschland feiern würde und wie ich mich gerade bei dem Programm gefühlt hätte. An sich kann ich dazu sagen: Ich hab mich eigentlich ganz normal gefühlt- nicht pudelwohl aber auch nicht unwohl. In den Ansprachen wurde nur auf das „faschistische Deutschland“ geschimpft und da fühle ich mich einfach nicht angesprochen. Geschichte. Aus und vorbei. Wiederholungen gilt es zu verhindern.


Versammlung.







Diesmal hatte ich einen Fotoapperat dabei. Ich hatte schon am 1. Spetember von "an Mickey Mouse erinnernden Kopfschmuck der Mädchen" gesprochen. Hier mal ein Bild, damit ihr mich nachvollziehen könnt.




Marsch!










Ansprache der Direktorin.







Sechs "Engel" für Scharli.





Sonntag waren wir dann grillen. Xjuscha, Lisa, Lena, ihr Freund, Seda, Nastja, Timur und ich schmissen unser Geld zusammen und kauften Würstchen, Brot und sonstiges zum Schnabulieren. Wir gingen in einen Park, in welchem ich zuvor noch nie war, und wo Grillen/Lagerfeuer erlaubt ist.
Problem: Hier hat noch keiner ein Lagerfeuer gemacht geschweige denn selbst angezündet. Also musste ich ran. (Liebe Grüße an meine Eltern, welchen ich danken möchte, dass man mir bei gebracht hat wie so etwas geht. - keine Sorge: Für Löschwasser hatten wir auch gesorgt) Nun ja. Trockenes Gras, dünne Zweige und das Lagerfeuer brannte. Die „Kerle“ sahen mich entgeistert an. Tja als Pfadfinder eignen die sich nicht…
Seda hatte zum Glück an ein scharfes Messer gedacht, also schnitzen wir noch ein paar Stöcke zum aufspießen der Würstchen zurecht.
Es war ein sehr schöner Tag, gefüllt von Lachen, beschienen von Sonne und Temperaturen um 22°C !


Ich bin die Herrin der Flammen :D













Nastja (Sonnenbrille) und Lisa (rosa Sonnenbrille) .







Es war so schön sonnig :)





Seda beim Würstchenspieß schnitzen.








Einer der wenigen Schnappschüsse, auf welchem Xjuscha und ich zu sehen sind.









Den Eintrag zum 9. Mai stelle ich später online.


Sonnigste Grüße aus Russland (ich weiß, dass bei euch kurzzeitig Schneefall war .haha.)

Lottchen

PS.: Ein besonderer Gruß geht an meinen Opa, welcher zzt. im Krankenhaus liegt. Ich hoffe


es geht dir den Umständen entsprechend gut und du erholst dich bald wieder! Ich denke an dich und sende einen schnell- gesund- werd- Gruß zu dir. :)
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Freitag, 6. Mai 2011

Volksschule





Nun also endlich der langersehnte Blogeintrag zu meinem Ostererlebnis in Russland:
Ostern ist hier einer der wichtigsten Feiertage, weshalb sich auf diese Feierlichkeit gründlich vorbereitet wird. Zum Beispiel nimmt man das Fasten hier sehr ernst. Sogar ind er Schulkantine wurde eine extra „fastengerechte“ Mahlzeit angeboten!
Vor dem Ostersonntag wird die Wohnung gründlichst geputzt, gewienert und gebohnert.
Für den Feiertag der Auferstehung Jesus Christus hatte sich bei uns die gesamte Familie angekündigt- nur mein Gastvater wurde nicht in den Urlaub entlassen, weshalb er nicht kommen konnte.
Wie immer stand ich, dank Dascha, an einem Sonntag gegen 8 Uhr auf. Es gab eine Menge vorzubereiten, denn schließlich muss man die Meute irgendwie satt bekommen. Ich half also meiner Gastmutter und machte Sushi. (wer hätte gedacht, dass ich die Zubereitung von Sushi ausgerechnet in Russland erlerne…).
Als Xjuscha sich gegen 11 endlich aus dem Bett bewegte meinte meine Gastmutter:
„So, ihr könnt jetzt suchen gehen!“
Xjuscha: „Was hast du denn verloren?“
„Nichts. Scharlotta hat erzählt, dass man an Ostern in Deutschland Süßigkeiten und kleine Geschenke versteckt, also könnt ihr jetzt suchen gehen.“

Ich freute mir ein Loch in den Bauch- ist schon süß, was meine Gastmutter manchmal so amcht, damit ich mich heimisch fühle. –Sie versteckte übrigens eine kleine Schokoladentafel für jeden.
Gegen 1 kamen dann die „Oma“ und ihr Lebensgefährte und halfen beim schnippeln und kochen.
Um 3 kamen dann die Gäste: Mütterchen und ihr Mann, die beiden Schwestern meiner Gastmutter mit Familie und noch weitere Personen, deren genaue Position im Familienstammbaum ich vergessen habe. Wir nahmen Platz am Tisch. Als die „Oma“ den Blick über den, mit Essen zugestellten, Tisch schweifen ließ, meinte sie zu mir:
„An Ostern werden hier sehr viele ins Krankenhaus eingeliefert.“
Ich (verdutzt): „Wieso?“
„Heute endet die Fastenzeit und überall sind die Tische so reicht gedeckt wie hier. Der Grund für die Einliferungen ins Krankenhaus ist schlicht und ergreifend: man überfrisst sich.“

Haha. Ich bin bald nicht mehr geworden! :D
Um euch vorstellen zu können, was hier ein „reichgedeckter“ Tisch ist, beschreibe ich euch, was auf der Speisekarte stand:
3 Salate, Obst, Gemüse, Brot, Wurst und Käse, Sushi, Fleischpirogen, Apfelpirogen, Plow, Huhn, eine Torte, Schokolade und Russischer Zupfkuchen. Letzteres habe ich zum Festessen beigesteuert (Danke an meine Großtante, welche wieder das Rezept beigesteuert hat :)). Diesen Kuchen kennt man hier übrigens nicht und er fand höchste Begeisterung. Ich bekam sogar einen Handkuss, vom Lebensgefährten der „Oma“, welcher begeistert meinte, dass in Deutschland mir die Kerle bestimmt in Scharen hinterher laufen, bei solchen Kochkünsten. Hihi.
Nachdem Xjuscha und ich kurz vorm platzen waren, gingen wir zu Xjuschas Vater, um uns dort wieder an einen gedeckten Tisch zu setzen und zu platzen.
Übrigens begrüßt man sich an Ostern nicht mit „Hallo“ sondern mit: „Christus ist auferstanden“ und man erwidert: „Wahrhaftig auferstanden.“
Es war ein wundervoller Tag.





Selbst an der Kirche wurde über der Tür der Schriftszug "Христос Воскрес" (Christus ist auferstanden) angebracht.







Man färbt hier übrigens auch Eier un verschenkt sie sogar. Dies hatte allerdings zur Folge das ca. 20 Schüler meiner Gastmutter beschlossen ihr jeweils ein Ei zum Osterfest zu schenken, auch Verwandte schenkte die kleinen Kunstwerke. Es gab bei uns anschließend alle Variationen von Eiergerichten....





Die darauffolgende Woche verlief ohne besondere Ereignisse, nur am Donnerstag hatten wir Schulfrei, da die 11. Klassen bereits in einem Fach ihre Abschlussprüfung ablegten- die restlichen Fächer werden Ende Mai/ Anfang Juni geprüft.
Ich nutzen den wunderbar sonnigen Tag um viele kleine, geheime Mitbringsel für ganz geheime Verwandte zu besorgen. :)
Am Wochenende (ist ja leider nur Sonntag) ging ich mit Xjuscha an der Wolga spazieren und widmete mich lästigen Hausaufgaben.


Montag holte ich wieder mal Daschenka vom Kindergarten ab. Den ganzen Heimweg sprudelte sie fröhlich vor sich hin und wiederholte dabei immer wieder: „Wir fahren mit Papa in den Süden!“ Und das stimmt. Mein Gastvater hat endlich Urlaub bekommen, weshalb meine Gastmutter, er und seine Tochter ans Schwarze Meer fahren.
Die überglückliche Dascha und ihre Mutter verließen am Dienstagabend die Wohnung. Man belehrte Xjuscha und mich auf die „Oma“ zu hören (welche nun auf uns aufpassen wird) du verschwand schließlich in Richtung Moskauer Flughafen.

In Russisch lernte ich etwas- meiner Meinung nach- wirklich interessantes. Und zwar: Im Lehrbuch stand geschrieben, dass man in Deutschland, wenn man etwas an einer Hand abzählt, mit dem Daumen beginnt und die Finger dabei ausstreckt. In Russland beginnt man mit dem Kleinen Finger und klappt die Finger während des Zählens ein. Mir ist zuvor nicht mal in den Sinn gekommen den Daumen nicht als ersten, sondern als letzten Finger einer Hand anzusehen…




Was das Wetter hier angeht, so kann ich folgendes sagen: Hurra! Der Schnee ist endlich weg! Allerdings hat das den unerwünschten nebeneffekt, dass nun die im Schnee versteckten Müllberge, verursacht durch Ignoration der Mülleimer, zum Vorschein kommen. Ich hab das mal für euch fotografiert- so sieht es hier fast überall aus, aber die Aufräumarbeiten laufen bereits.









Übrigens: Das Zeitungsinterview wurde gedruckt. In der Zeitung «Народная Школа» „Volksschule“ fülle ich nun eine gesamte A 4 Seite und im nächsten Heft folgt die Fortsetzung. Ich habe euch den Text übersetzt, wobei ich anmerken muss, dass meine Sprachgewandtheit dem Niedergeschrieben leider nicht entspricht.



Ein Foto des Zeitungscovers. Die obere Zeile wird in etwa "Chaloch schkulje" ("ch" wie bei "Loch") ausgesprochen und bedeutet das selbe wie "narodnaja schkola"- "Volksschule" .


Übrigens: Das Cover zeigt die selbe Kapsel, welche ich im letzten Blogeintrag fotografiert habe, nur diesmal ist besser zu erkennen , wie klein der Raum für den Kosmonauten war.













Meine A4 Seite :)











Gast aus Deutschland: über den Zauber in Tschuwaschien

Die gute Tradition weiterführend, sich mit Ausländern, Lesern, Autoren, Pädagogen der Republik, sowie mit Gästen aus dem Ausland zu treffen, traf sich diesmal unser Journal „Chalach schkule- narodnaja schkola“ mit Scharlotta R. (17 Jahre, Deutschland). Scharlotta lernt schon ein halbes Jahr im Tscheboksary und spricht wunderbar Russisch. Über das, was dem jungen Gast Russlands verwunderte, was sie antraf, welchem Zauber sie in Tscheboksary und Tschuwaschien begegnete, erfahrt ihr in unserem Interview mit ihr.

- Meine Eltern - gab Scharlotta zu- lernten in ihrer Jugend Russisch, deshalb wählte ich, als vor mir die Wahl der Zweitsprache (nach Englisch), zwischen Französisch oder Russisch, in meiner Heimatschule in Deutschland, stand, Russisch. Französisch wollte ich nicht wirklich lernen, mir schien, sie sei schwer, da sich die Schreib- und Sprechweise sehr unterscheidet. Ich dachte, dass Mama und Papa mir mit Russisch helfen. Doch es erwies sich, dass sie viel vergessen haben. Also muss ich es allein meistern. Meine Zwillingsschwester lernt zzt. in Deutschland, ebenfalls Russisch, aber es scheint, dass sie die Sprache noch nicht gut kann. Ja und wenn ich ehrlich bin, spreche auch nicht gut.
- Scharlotta, wie kannst du nur! Deine Pädagogen haben doch eben erst bemerkt, dass du eine wunderbare Grammatik und Aussprache hast!
- Hm, ich weiß nicht…
- Das heißt, du glaubst, Russische ist eine leichte Sprache?
- Ha-ha-ha, so dachte ich, doch als ich das erste mal nach Russland kam, erwies es sich natürlich anders. Vor zwei Jahren war ich in St. Petersburg für 10 Tage. Damals habe ich gerade erst angefangen Russisch zu lernen. Überhaupt träumen viele in Deutschland in die USA zu fahren. Ich weiß nicht, was sie so begeistert, vielleicht hat sich bei allen der Amerikanische Traum festgesetzt „nach dem Motto: so ein cooles Land“, gefüllt von Kino- und Musikstars. Und eben genau deshalb, weil viele nach Amerika wollen, wollte ich nicht. Ich brauchte ein besonderes, ungewöhnliches Land. Und ich fand so eines- Russland.
- Welche Fächer lernst du an der hiesigen Schule?
- Algebra, Geometrie, Russisch, Englisch, Physik, Geografie, Geschichte, Biologie, Literatur.
- Was gefällt dir am meisten?
- Geschichte und Russisch.
- Und Sport?
- Oh, nein! Das Fach habe ich nicht und das ist auch gut so!
- Womit beschäftigst du dich neben der Schule?
- Ich lernte 8 Jahre Flöte, doch hörte dann auf. Dann ging ich tanzen: Walzer, Samba, Cha-cha… Und hier gehe ich zum Bauchtanz und sticke.
- Hattest du zu Anfang Probleme mit der Aufnahme in deine Gastfamilie?
- Nein, alles war seit Beginn gut. Man brachte mir bei Pirogen zu backen, Borschtsch zu kochen usw. Und ich habe für meine tschuwaschische Familie Pudding aus Milch, Kartoffelstärke, Kakao und Zucker. Im allgemeinen mag und kann ich kochen.
- Hast du schon mit deiner zukünftigen Lebensauswahl, nach der Schule auseinandergesetzt ?
- Ich habe darüber nachgedacht. Nach der Schule möchte ich die Universität besuchen. Höchst wahrscheinlich wird es irgendwas in Verbindung mit Sprachen.

(Ende im nächsten Heft)
Aufbereitung
Olga Nikitina




Liebste Grüße


Lottchen