Samstag, 14. Mai 2011

Der Tag des Sieges!

Am Montag, dem 9. Mai, schlurfte ich gegen 10 aus meinem Bett zur Küche, um irgend Essbares zum Frühstück zu finden. Ich öffnete die Küchentür. Die „Oma“ stand bereits am Herd und brutzelte Eierkuchen - ein besseres Frühstück hätte es nicht geben können. Ich schnappte mir also ein paar der goldgelben Teigteller und setze mich an den Tisch. Der Fernseher lief. Das fast ununterbrochene Laufen des Fernsehers ist hier nichts ungewöhnliches, weshalb ich mittlerweile schon gar nicht mehr drauf achte. Erst als ich direkt vor dem Fernseher platz nahm, rückte besagtes Kommunikationsgerät in das Zentrum meiner Aufmerksamkeit. Zu sehen war der Rote Platz in Moskau, welcher festlich geschmückt war. Die Marschmusik verstummte. Es folgten geschrieene Anweisungen. Die Soldaten blieben zeitgleich stehen. Medvedjew hielt eine Rede zum Sieg im 2. Weltkrieg und zum Gedenken an die verheerenden Ausmaße dieses Ereignisses. Es folgte eine Schweigeminute. Schließlich gratulierte er allen Veteranen und Staatsbürgern Russlands zum Festtag. Das auf dem Platz versammelte Militär rief exakt zeitgleich „Ura!“ („Hurra“). Es folgten geschrieene Anweisungen und es wurde weiter marschiert. Bemerkenswerterweise änderte sich der Abstand zwischen den Soldaten während des Marschierens nicht. Es folgte ein Luftbild. Hoppla. Das sind aber viele. Und alle im Gleichtakt. Exaktheit. Es folgten Waffen und Fahrzeuge (z.B.: Panzer, Raketen). Der Kommentator bemerkte jeweils welche Zerstörungskraft die jeweiligen Waffen haben und auch welche Soldaten gerade marschieren. Mir verging der Appetit. Es wird einem schon etwas anders, wenn man eine Stunde ausdruckslose, im Gleichtakt marschierende Soldaten, Kampffahrzeuge und Waffen sieht - vor allem wenn die „Oma“ begeistert bemerkt, dass dies nur ein kleiner Teil der eigentlichen Armee ist.
Um 11 war die Parade vorbei. Die „Oma“ schaltete um. Nun sahen wir die Parade in St. Petersburg. Voller Stolz berichtete sie mir, dass einer ihrer Söhne (der Bruder meines Gastvaters) daran teilnimmt. Während die Soldaten marschierten und die Kommentatoren kommentierten, bemerkte der Lebensgefährte der „Oma“ dass hier um 10 Uhr auch eine Parade war. Na klasse. Ist ja nicht so, dass ich mir das nicht gern angesehen hätte…

Gegen Eins traf ich mich mit Nastina. Auf dem Weg zum Treffpunkt erfolgte im Trolleybus eine außergewöhnliche Durchsage. Eigentlich hört man nur Standarddurchsagen wie: „Achtung, die Türen schließen sich. Die nächste Haltestelle ist…“ oder „Liebe Mitfahrer, seien sie aufmerksam und umsichtig! Geben sie ihren Sitzplatz an Behinderte, Ältere, Kinder und Schwangere!“ doch seit einigen Wochen (zeitgleich mit Beginn der Stadtverschönerung durch bunte Fahnen ect.) ist ungefähr folgendes vernehmbar: „Liebe Veteranen, wir gratulieren euch zum Tag des Sieges, wünschen euch Gesundheit, Glück und ein langes Leben! Auch allen Staatsbürgern gratulieren wir zu Festtag!“ Und passend dazu stieg auch gleich ein Veteran ein. Erkennbar in seiner alten Uniform gekleidet (es ist üblich seine alten Uniformen wieder zu tragen, sobald der 9. Mai sich nähert.) Sofort standen drei Leute auf und boten ihm einen Sitzplatz an. Er setzte sich nicht, sonder winkte dankend ab. Ein kleines Mädchen mit Blumenstrauß sprang vom Schoß ihrer Mutter und überreichte die Blumen (Xjuscha erzählte mir später, dass die Grundschulklassen sogar Kriegsveteranen besuchen würden, um ihnen Blumen und Dankesworte zu überreichen). Auch bezahlen musste der Veteran für die Fahrt nicht. Am 9. Mai gibt es hier etliche Vergünstigungen - so mussten Ältere auch nicht für Handyanrufe bezahlen.
Während der Trolly so vor sich hin zuckelte, bekam ich mindestens drei Niesattacken (Dank Allergie) und jedes Mal wünschten mir die umgebenden Mitfahrer „Gesundheit!“ und gratulierten mit zum Festtag - man war spürbar gut gelaunt.
Mein Blick fiel auf die Fahrbahn, als ich eine Polizeisirene hörte. Ein Polizeiauto fuhr vorbei, gefolgt von einem Auto, welches einen „Minipanzer“ auf der Ladefläche hatte - vermutlich noch von der Parade. Übrigens wurde vor nicht allzu langer Zeit die russische Miliz in Polizei umbenannt. So findet man nun die blausilbernen Autos sowohl mit dem Aufdruck „Milizija“ und „Polizija“ vor.

Schließlich stieg ich an der Haltestelle in der Nähe der Wolga aus und fand mich in einem Gedränge von Menschen wieder. Es ist normal und verständlich, dass der hier sogenannte „Golf“ (da, wo das Denkmal der Mutter Tschuwaschien steht - an der Wolga) viele Besucher anzieht, schließlich ist er wunderschön. Man sah Alte, Junge, Familien und Veteranen. Auch andere, welche eine Uniform als Dienstkleidung tragen, trugen diese heute.
Am vereinbarten Treffpunkt begegnete ich Nastina. Sie trug u.a. eine orange-/schwarz gestreifte Schleife. Das Zeichen des Tages, welches überall zu sehen ist (z.B.: als Autowimpelchen oder an Kleidung). Nastina hatte supergute Laune und meinte zunächst einmal, dass sie es klasse fände, das ich den Ausflug vorgeschlagen hätte. Die letzten Jahre wäre sie am 9. Mai nicht vor die Tür gegangen. Sie gestand kein sonderlicher Patriot zu sein. Wir bahnten unseren Weg durch die Menschenmengen und schlenderten am Ufer entlang. Alles war festlich dekoriert, es ertönten alte Kriegslieder, Buden boten Souvenirs, Essen und Sonstiges an. Hüpfburgen, Kutschfahren, Künstler usw. waren auch vor Ort. Ein reges, heiteres Treiben. Zudem hatten wir riesiges Glück mit dem Wetter: 22°C und Sonnenschein!

Später am Nachmittag trafen wir noch eine Freundin von Nastina. Sie hatte schon viel von mir gehört und freute sich sehr, mich kennen zu lernen. Kurz bevor ich mich auf den Heimweg machte meinte sie: „Ich hab zwar von Nastina gehört, dass dein Russisch gut ist, aber glauben wollt' ich’s nicht… Doch als ich dich begrüßt hab' und du antwortetest „Privjet!“ hätte ich für nichts auf der Welt gewettet, dass du nicht von hier bist!“
(Ihr habt keine Ahnung wie gut es nach wie vor tut, so etwas zu hören:)

Im russischen Heim angekommen setze ich mich an den gedeckten Festtagstisch. Die anderen Großeltern waren zum Besuch. Wir aßen gemeinsam. Es war so ein schöner Tag!




Plakate in der Stadt mit der Aufschrift: 9. Mai. Tag des Sieges.



Plakate, welche über die Straße gespannt wurden. Hier ein Plakat auf Tschuwaschisch.


Trolleybusswindschutzscheibe (rechts): kleines Plakat mit der Aufschrift: 9. Mai










Straßenlaternen mit Russischer und Tschuwaschischer Flagge dekoriert. Außerdem seht ihr auf dem Bild eine der weißen (komfortableren) Marschrutken.






Nastina. Augenmerk auf die Schleife (rechts).








Kutsche.








Zum Tag des Sieges!










Künstler, Menschen, Buden.












Bootsfahrten.








Die vollgestopfte Brücke zum Mutterdenkmal.










Denkmal der Mutter Tschuwaschiens.






:)
























So. In zwei Stunden geh ich Eurovision schauen.




Fazit: "Am Tag des Sieges geht es nicht nur um das Feiern des Sieges im Zweiten Weltkieg, sondern auch um Gedenken und Erinnerung. Denn nur wer weiß, was in der Vergangenheit geschah, kann verhindern, dass die selben Fehler in der Zukunft erneut gemacht werden!"




Quietschvergnügte Grüße




Lottchen




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