Samstag, 4. Juni 2011

Scharli und die Eisfabrik

Dima lud seine Schwester und mich am Sonntag ins Kino ein. Auf dem Programm stand: Fluch der Karibik Teil 4! Jeha! Auch seine Freundin war mit von der Partie- vermutlich eine Art geschickter „Bekanntmachungs - Schachzug“, da wir hoffentlich bald (dreimal auf Holz klopf) bei ihnen in Wolgograd leben werden.
Nun ja, jedenfalls war der Film super und ich hätte ihn mir am liebsten sofort noch einmal angesehen.
Anschließend seilte sich Xjuscha ab, um mit Sascha den restlichen Nachmittag zu verbringen. Dima, seine Freundin und ich gingen noch in ein kleines Kaffe und danach in einen Park. Wir schwatzen etwas, wobei es sehr schwierig ist die beiden zu verstehen, denn sowohl Dima, als auch seine Freundin sprechen sehr leise. Seltsamer Weise verstehen sie sich untereinander ohne Probleme- nur ich muss die Ohren mächtig spitzen… wer weiß: evtl. findet zwischen ihnen Gedankenübertragung statt… :D

In der Nacht vom Montag zum Dienstag erfüllte sich ein langer Wunsch meiner Gastmutter: Ihr Mann hatte endlich Urlaub bekommen und stand nun vor ihrer Tür, bereit bis zum 15. Juni hier zu verweilen. Und während Dascha fröhlich jubelte, dass ihr so langersehnter Papi endlich da ist, schliefen Xjuscha und ich, denn schließlich war es weit nach Mitternacht.

Und Dienstag war dann auch schon der letzte Schultag für mich. Es ist schön blöd, wenn der Austausch länger dauert, als das Schuljahr. Der Ferienbeginn stellt bereits einen kleinen Abschied dar, da man sich nun nicht mehr täglich sieht und daran erinnert wird, dass sich mein Austauschjahr dem Ende zuneigt.
Im Konzertsaal der Schule fand man sich zusammen und nahm Platz. Die stellvertretende Schuldirektorin hielt eine Rede, in welcher sie noch einmal auf die Wichtigkeit der bevorstehenden Examen hinwies.
Auch die Klassenlehrerin griff dieses Thema wieder auf, als wir im kleinen Kreis meiner 9. Klasse befanden. Allerdings meinte sie noch, dass man sich mit den Bewertenden Lehrern durch kleine Geschenke gut stellen sollte…
Übrigens hat die Neuigkeit, dass ich ein Buch herausbringen möchte, sehr schnell die Runde gemacht. Und so befand ich mich in einem Kreuzverhör, in welchem man versuchte den Grund für meine schriftstellerische Aktivität herauszufinden. Im Endeffekt waren alle total begeistert, als ich den russischen Prototyp vorzeigte und erkundigten sich begeistert, wann das Büchlein denn erwerbbar währe und zu welchem Preis. Hihi.
Und dann verließ ich auch schon die Schule und ging zusammen mit Nastina, Sonja und Nastja in ein Kaffee, um den Abschied des Schuljahres zu zelebrieren. Ich zeigte mein Abschiedsalbum, welches ich für meine Englischlehrerin (und YFU- Freiwillige) angefertigt hatte. Bilder, Erinnerungen, Eindrücke und viel Text. Ich war mächtig stolz, dass ich soviel schriftlich verfasst habe und das ohne irgendwelche Hilfestellungen. Auch habe ich nicht wie sonst zunächst den Txt auf Deutsch verfassen müssen und dann übersetzen, sondern schrieb einfach drauf los, als ich das Album anfertigte. Ich schilderte ihnen die selben Eindrücke, wie auch euch. Z.B.: das Mütterchen mit der Kuh und den Schafen, Zeitreise in russische Dörfchen, Schneetreppen, eisige Temperaturen…, dass ich nicht wusste was ein „Dnevnik“ ist und auch zum ersten mal einen Trolleybus gesehen habe. Meine Freundinnen schmunzelten zunächst und brachten schließlich ihr Bedauern über meine baldige Abreise zum Ausdruck. Doch ich ließ es nicht zu, wegen mir Trübsal zu blasen und wechselte schnell das Thema auf ihre bevorstehenden Examen und dass ich während dessen lecker Eis essen werde - aber dazu später mehr.
Als sich unsere Wege trennten, suchte ich das Kabinett der Englischlehrerin auf, um ihr das Album zu überreichen. Sie freute sich riesig und meinte, dass Mitte Juni, wenn die 9.Klässler ihre Examen erfolgreich bestanden haben, ich (auf selbiger „Examenverleihungsfeier“) offiziell verabschiedet werden würde - na da bin ich mal gespannt. Um ehrlich zu sein hatte ich schon das Gefühl, dass man die Tatsache meiner baldigen Abreise schon völlig vergessen hatte…
Dienstagabend traf ich das erste Mal seit ungefähr einem halben Jahr wieder auf meinen Gastvater. Er scheint sich nicht verändert zu haben: Immer noch ein großer, schlanker Mann, welcher gern und schlau redet, ständig guter Laune ist und Witze erzählt. Auch der „positive Wind“, welcher auch schon bei seinen letzten Besuch wahrnehmbar war, sorgt auch jetzt wieder für eine angenehme Briese in meinem russischen Heim.

Meine Gastmutter hatte am Mittwoch Geburtstag. Zwecks dessen stand ich gegen 8 Uhr auf und ging auf den Markt. Die übrigen Familienmitglieder waren bereits ausgeflogen- sowohl auf Arbeit oder in den Kindergarten - oder wie Xjuscha, welche bevorzugte ihre Flugkünste im kuschelig, weichem Bett unter Beweis zu stellen. Zu Deutsch: sie schlief noch.
Meine russische Mutter hatte mir gesagt, dass es nicht nötig sei, ihr etwas zu schenken, da sie bereits durch die Geschenke meiner Verwandten versorgt sei. So ganz mit leeren Händen wollte ich dann aber doch nicht dastehen und beschloss „Russischen Zupfkuchen“ zu backen, da man selbigen zuletzt in den Himmel gelobt hatte. Da ich allerdings wollte, dass es eine kleine Überraschung wird, stand ich extra früh auf, um alles fertig zu haben, wenn die Vöglein wieder einfliegen.
Nach einer Stunde kam ich vom Markt wieder und hatte alle Siebensachen beisammen. Nun konnte das backen beginnen.
Drei Stunden später: Kuchen fertig. Xjuscha aufgestanden. Festtafel aufgestellt. Erster Salat bereits fertig. Vöglein fehlen. Schließlich flatterten sie ein und wir begannen emsig zu schnippeln und zu kochen.
Um fünf kamen auch schon die Gäste: Kolleginnen aus der Schule und Verwandte. Xjuscha verließ die Festrunde, um mit Sascha spazieren zu gehen, was sehr zur Verärgerung ihrer Mutter sorgte, vor allem, als sie sich noch um 2 Stunden verspätete.
Nachdem wir „Karawai“ getanzt hatten ging ich in Xjuschas und mein Zimmer, dort traf ich bereits Dima an, welcher emsig die auf meinem Computer gespeicherte Forsetzung meines Buches las und mit einem Grinsen bemerkte, dass seine Freundin auch gerade einen Teil des Prototyps lesen würde.

Und schon war der Tag des Russischexamens für meine Gastschwester herangebrochen. Wie ich bereits schon ein mal erwähnte, muss man hier in der 9. Klasse Examen in den Fächern: Russisch, Algebra, Englisch und einem Wahlfach ablegen. Und da standen sie nun. Die 9. Klassen. Einer aufgeregter als der andere. Witzelnd fragte ich in Runde, ob man sich wenigstens mit Spickzetteln ausgerüstet hätte. Prompt rafften ein paar Mädels ihre Rücke hoch und präsentierten ihre beschriebenen Beine - aber auch Arme und Handys waren bestens ausgestattet. Eh… ja…kein Kommentar. Übrigens: Die Größe Russlands hat durchaus ihre Vorteile. Hihi. So saßen viele der 9. Klässler die halbe nacht im Internet um die Prüfungsaufgaben zu suchen. In Deutschland wäre es vergeblich, doch nicht hier. Denn hier gibt es Zeitverschiebung. In gesamt Russland scheint ein- und dasselbe Examen abgelegt zu werden. So kamen in Wladiwostok die selben Prüfungsfragen dran wie hier. Nur, dass man sie in Wladiwostok 7 Stunden eher schrieb und anschließend im Internet veröffentlichte… Und da wir gerade bei – nennen wir es: „interessante Methoden der Bewältigung von Examen“ sind, kann ich euch gleich noch etwas erzählen: Ich habe persönliche Kenntnis von einem Lehrkörper, welcher 1000 Rubel (25 Euro) bezahlte, um einem Schüler ein bestandenes Examen zu erkaufen. Lang lebe Russland! :D
Doch nun mehr zu meinem eigentlichen Aufenthaltsgrund in der Schule:
Eis. Besser gesagt: Tschuwaschisches Eis. Wiedereinmal würde für einige Stunden Zweitklässlerin sein und eine Fabrik besuchen in welcher Milchprodukte- u.a. Eis- hergestellt werden. Die Lehrerin kannte ich bereits, da auch sie bei der gestrigen Geburtstagsfeier meiner Gastmutter dabei war. Am Vortag meinte sie noch scherzend, dass sie mich nur mitnehmen würde, wenn ich ihr das Rezept des Kuchens aushändigen würde, weshalb ich nun vor ihr stand und ihr selbiges überreichte. Sie bedankte sich.
Und schon saßen wir im Bus, welcher uns zur Eisfabrik bringen würde. Eigentlich ist ja mein langersehnter Kindheitstraum mal in eine Schokoladenfabrik zu kommen - aber Eis ist da gar kein mal soo schlechter Anfang.
In der Fabrik angekommen, stiegen wir aus dem Bus aus. Der Busfahrer sah mich verdutzt an und fragte laut in die Runde: „Geht die immer noch in die zweite Klasse?“ Als er die Antwort bekam: „Nein, das ist eine deutsche Austauschschülerin.“ Sah er mich noch verdutzter an und für einen Moment schien es mir fast so, als wolle er mir etwas sagen.
Dann zogen wir weiße Mäntel über und betraten die heiligen Hallen der Eisherstellung. Nun wurden uns die einzelnen Schritte der Eisherstellung erklärt- Angefangen beim Kochen der Vanillefüllung (in einer riesigen Wanne, worin man locker hätte baden können…), über hineinschießen der Holzstiele in das Eis, weiter zu Eis am Stiel, welches in lecker Schoki getaucht wird und schließlich betraten wir eine Kammer, in welcher –30 Grad und waren und künstlicher Wind erzeugt wurde- bis zur Decke gefüllt mit Eis. Die Gruppenführerin meinte, dass sie zurzeit in etwa 100 Tonnen Eis lagern und nun auf die Hitzesaison warten. YUMMI! Gekrönt wurde die Führung mit kostenlosem Eis. Jeha!

Wieder in der Schule angekommen ging es für mich gleich weiter zum tschuwaschische Fernsehen - diesmal mit der zweiten Klasse meiner Gastmutter. Ein Mann erzählte uns zunächst die Geschichte zur Entwicklung des Fernsehens und zeigte uns dann ein echtes Fernsehstudio. Ich muss sagen, dass ein Fernsehstudio kleiner ist, als ich es mir vorgestellt habe. Eine Ecke des Raumes ist schick und vorzeigbar (da, wo auch später die Moderatoren stehen) und der übrige Teil des Zimmers ist verramscht mit Kabelsalat und Technik.
Beides sehr interessante Führungen- wenn es auch beim Fernsehen kein Gratiseis gab…

Im russischen Heim half ich bei den Vorbereitungen zu zweiten, allerdings etwas kleineren Geburtstagsfeier meiner Gastmutter. Heute würden nur die „Oma“, ihr Lebensgefährte und der Vater meiner russischen Mama kommen. Auch die „Oma“ kam bei Zeiten und half mit bei den Vorbereitungen, denn schließlich hat das Geburtstagskind sich auszuruhen und die Männer (dank klassischer Rollenverteilung) nichts zu suchen in der Küche. Wir unterhielten uns. Das kommt übrigens in letzter Zeit häufiger vor. Die „Oma“ ist ein super Gesprächspartner! Am Ende der Vorbereitungen meinte sie, ich sei ein seltenes junges Mädchen und ihr gefalle meine Art zu denken…
Und auch dieser Abend ging vorüber- gefüllt von Witzen und interessanten Erzählungen meines Gastvaters, Gelächter und viel frischem Wind…

Sonntag gingen meine Gasteltern, klein Daschul und ich Shashlik essen. Diese kleine Veranstaltung war als eine Art Klassenfeier der Schüler meiner Gastmutter gedacht und fand unweit von den Ufern der Wolga statt. Es war ein sehr sonniger, sommerhafter Tag mit Temperaturen bis 30 Grad. Wir spielten Handball, grillten, aßen wie immer viel zu viel.

Ach und was mir gerade noch einfällt: Die Woche war wirklich gerade zu gefüllt mit blöden Fragen! Hier zwei Beispiele:

- Auf welcher Sprache sprecht ihr in Deutschland?
Denk mal logisch nach!
- Auf Englisch!
Ja…genau…

- Klaut man in Deutschland?
Kommt vor.
- Stimmt es, dass man dem Dieb dann zur Strafe die Hand abhackt?

Ich möchte mich entschuldigen, dass es so lange mit dem jetzigen Post gedauert hat. Aber es ist immerhin der letzte Monat in Russland und den möchte ich ausschöpfen- und seit mein Gastvater hier ist sind wir ständig auf Trab. Im nächsten Post erzähle ich euch von meiner Arbeit im Ferienlager, von meinem neuen Haarschnitt und von meinem Erlebnissen nachts in einem russischen Dorf- und alles unterlegt mit gaaanz vielen Bildern! :)

Lottchen

PS.: Ein besonderer Gruß geht noch an meinen Opa und meine Mama, welche beide letzte Woche Geburtstag hatten. Alles Gute nachträglich! Ich hoffe ihr habt schön gefeiert!

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