Freitag, 24. Dezember 2010

"Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen..."

Ich: „Wir schreiben jetzt einen Test?“
Mascha (Mädchen aus der 7. Klasse, welches in Algebra neben mir sitzt): „Ja…“
Ich in Gedanken: „Na gut…wäre nicht der erste unangekündigte Test…“
Mascha: „… das ist der angekündigte Test über den Unterrichtsstoff des halben Schuljahres.“
Ich. „WAS?!“ Da hab ich anscheinend mal nicht aufgepasst …
Die Lehrerin teilte die Arbeiten aus. Ich löste alle Aufgaben- was ja auch nicht besonders schwer ist in der 7. Klasse… vorrausgesetzt man versteht die Aufgabenstellung. Ich löste sogar die zwei Textaufgaben. Ich bin gespannt ob ich auch auf richtige Ergebnisse gekommen bin.
Anschließend Geschichte. Unterrichtstoff dieses Schuljahr: erster und zweiter Weltkrieg. Was für ein Thema- ihr könnt euch vorstellen wie “pudelwohl“ ich mich jede Stunde fühle. Diese Stunde hat die Lehrerin dem Unterrichtsstoff schon etwas voraus gegriffen und das Thema des zweiten Weltkrieges leicht angeschnitten, indem sie immer und immer wieder betonte, dass es einen Unterschied zwischen Deutschen und Faschisten gibt. Faschismus gab/gibt es auch in anderen Ländern- nicht nur in Deutschland, so sagte sie. Ich hätte die Frau knutschen können.

Im russischen Heim öffnete mir das Mütterchen die Tür. Dascha und Ksjoscha waren krank, weshalb das Mütterchen bei uns wohnte und sich um die Erkrankten kümmerte. Dascha sprang lachend durch die Wohnung und fiel mir quiekend um den Hals. Sie hatte 38 Grad Fieber und ihrer Aussage zu Folge auch Kopfschmerzen. Es ist mir ein Rätsel, wie man da so fidel herumspringen kann.
Meine Gastmutter kam am Abend wieder und erzählte, was ihr über die Amerikanerin, welche ebenfalls an meiner Schule ist, zu Ohren gekommen war: Sie rauche, trinke, käme spät in der Nacht erst nach Hause, schwänze die Schule und verkehre in überwiegend männlicher Begleitung. Na das ist doch mal eine wunderbare Art sein Land zu vertreten…
Meine Gastmutter sah mich an: „Ich werde auch häufig zu dir befragt – vor allem von der Direktorin.“
Mir blieb das Herz stehen. Hab ich was falsch gemacht? Ich sah meine Gastmutter fragend an. Sie erwiderte meinen Blick mit einem strahlenden Lächeln: „Bei dir kann ich antworten, dass du gut russisch sprichst, deine Hausaufgaben erledigst, immer höflich bist, zur Schule gehst, Hausarbeiten übernimmst und pünktlich zu Hause bist. Und wenn man mich dann mit großen Augen ansieht und fragt: Passt sie auch auf Dascha auf?, dann kann ich sagen: Ja!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen. Das nenn' ich 'ne wunderbare Art sein Land zu vertreten, denn bis zu einem gewissen Punkt macht man das während eines Austauschjahres.

Am Mittwoch hatte mich meine Gastmutter eingeladen meine Freistunde in ihrer zweiten Klasse zu verbringen, da sie in „das Zimmer des Weihnachtsversprechens“ gehen würden. Bis dato hatte ich keine Ahnung, was das sein soll.
In der Pause vor dem Unterricht betrat ich also das Klassenzimmer. Ich hatte hier schon ein paar Unterrichtsstunden verbracht- man kannte mich also. Über 30 Kinderaugen waren auf mich gerichtet. Und dann stürzten mindestens 20 Kinder auf mich zu, um mich zu umarmen, begeistert meinen Namen zu kreischen und zu winken. Oha. Damit hatte ich nicht gerechnet. Die Freude über meine Anwesenheit ist immer noch nicht erblasst. Man winkt mir fröhlich zu, begrüßt mich oder brüllt: „HAAALLLOOO SCHAARRLOOOOTAA!!“ über den Korridor nur um mich zu begrüßen- und das in den verschiedensten Klassenstufen.
Da stand ich nun umringt von Kindern, welche schonungslos durcheinander auf mich einquatschten und mich löcherten. Ich sah mich um. Die Amerikanerin war auch da- natürlich, da sie Russisch in der 2. Klasse lernt. Sie grinste mich an und sagte auf Englisch: „Das ist normal.“ Wir unterhielten uns. Ich habe mich schon öfter mit ihr unterhalten und muss sagen, dass ich sie gar nicht unsympathisch finde, aber ihr Schwänzen und die Tatsache, das sie sich hier fast ausschließlich auf Englisch unterhält kann ich ebenfalls bestätigen.
Meine Gastmutter- oder besser gesagt: die Lehrerin betrat den Raum. Die vorher hektisch wuselnde Kinderschar war innerhalb eines kurzen Augenblicks mucksmäuschenstill und jedes Kind war an seinem Platz. Fasziniert verfolgte ich das Unterrichtsgeschehen und wie die Lehrerin die Klasse zu absoluter Disziplin gebracht hatte. Die Hausaufgaben wurden kontrolliert. Das Lesen eines Gedichtes sollte geübt werden. Die Amerikanerin und ich wurden aufgefordert laut zu lesen, nachdem zunächst einige der Kinder gelesen hatten. Anschließend wurde beurteilt, wer besser gelesen habe. Ich würde die Auswertung der Kinder mit einem „Gleichstand“ zusammenfassen. Jeha! Immerhin war der Text völlig neu für mich und die Amerikanerin hatte bereits einen Tag zum Üben Zeit gehabt. Übrigens muss man bei so was Ruhe bewahren, denn Kinder neigen zu schonungsloser Ehrlichkeit. Dies bedeutet in dem Fall, dass sie hemmungslos unsere Akzente bemängelten. Russisch mit amerikanischem Akzent ist übrigens sehr witzig anzuhören. :)

Wir gingen also in „das Zimmer des Weihnachtsversprechens“. Ein dunkler Raum- nur Kerzen erzeugten eine gemütliche Atmosphäre. Elftklässlerinnen standen in langen weißen Kleidern da und sollten Feen darstellen. Sie redeten uns auf liebevolle, feenhafte Weise ins Gewissen, besser zu lernen und immer artig zu sein. Jeder sollte sich etwas vornehmen, was er ändern wolle- z.B. immer brav auf Mami hören. Anschließend pusteten wir eine Kerze aus und besiegelten damit unser Versprechen der Besserung. Wirklich niedlich gemacht!

In der darauffolgenden Pause gab mir die Deutschlehrerin die Farbdrucke, um welche ich sie gebeten hatte und meinte, dass mein Poster bis Donnerstag fertig sein müsse. Na klasse. Und das konnte man mir nicht früher sagen? Ach mann… die Unorganisiertheit hier ist teilweise etwas nervig.
Um 14 Uhr wurde ich noch von der Musiklehrerin eingeladen das Weihnachtskonzert mitzuerleben. Es war ein wunderbares, kleines Konzert. Ein Chor sang russische und englische Weihnachtlieder und die Kinder der jüngeren Klassen spielten kurze Stücke. Das niedlichste war ein kleines Mädchen. Sie war ein Engel: lange, zu Locken frisierte, blonde Haare, große, grüne Augen und ein weißes Paar Flügel an ihrem weißen Kleidchen. Bezaubernde Erscheinung. Doch als sie ihr erlerntes Gedicht aufsagen wollte, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Zu niedlich war der Anblick. Ihre oberen Milchzähne waren ausgefallen und nur ein großer Schneidezahn war zu sehen. Dies machte die engelhafte Erscheinung zwar zunichte, aber die Liebenswürdigkeit vergrößerte es.
Nach der Schule wollte ich mich beeilen, denn ich musste noch ein paar Kleinigkeiten einkaufen gehen, um das Poster verzieren zu können. Lena, ihr Freund und Gera (einer ihrer Bekannten aus der 11. Klasse) riefen mir hinterher, ich solle doch warten. Nach einem kurzen Wortwechsel schloss sich Gera meiner an und wir gingen in Richtung Haltestelle. Ich kannte ihn nur vom sehen. Er fragte mich allerhand Dinge: „Gefällt es dir hier? Wie lange bleibst du? Hast du Angst, wenn du hier allein unterwegs bist?“ Er scherzte etwas und meinte abschließend das ich gut russisch könne. Man verabschiedete sich. Ich betrat ein Geschäft.
Ksjoscha hatte mal fallen gelassen, dass sie gern Cola trinken würde und da sie aufgrund leichten Fiebers Ausgangsverbot hat, beschloss ich ihr eine kleine Freude zu machen und kaufte ihr welche. Eigentlich suchte ich noch Weihnachtsdekoration und Watte für das Poster, aber das gab es in dem Laden nicht.
Ich fuhr nach Hause und überraschte Ksjoscha mit der Cola. Sie freute sich sichtbar. Kaum angekommen, verließ ich schon wieder die Wohnung, da ich besagte Dekorationsartikel kaufen ging. Um ein Geschäft, welches Watte führt zu finden, musste ich mich durch zahlreiche Läden fragen , bis man mir schließlich sagte, dass es Watte nur in der Apotheke gäbe. Darauf wäre ich nie im Leben gekommen…schließlich findet man Watte in Deutschland in fast jedem Supermarkt.

Am Donnerstag stand ich um 6 auf, um eine Stunde eher zur Schule zu fahren und dort mein Plakat beenden zu können.
Wie seltsam. Ein fast leerer Trolleybus. Nur ein paar Menschen auf den Straßen. Stille.
Ich traf eine Lehrerin meiner Schule. Ihr kennt sie bereits. Sie war mit einer weiteren Freundin meiner Gastmutter bei uns zu Besuch gewesen.
Sie begrüßte mich fröhlich und ging mit mir zur Schule. Wir unterhielten uns auf dem Weg, wobei sie u.a. erstaunt fragte, was ich um die Uhrzeit auf dem Weg zur Schule mache.
7:10 Uhr war ich in der Schule. In Deutschland würde in 20 Minuten der Unterricht beginnen - hier steht man um die Uhrzeit gerade mal auf.
Ich werkelte an meinem Plakat und schaffte es, selbiges zur ersten Unterrichtsstunde fertigzustellen. Ich zeigte es der Deutschlehrerin- sie war begeistert. Gemeinsam brachten wir das Plakat in das Museum zum Thema „Weihnachten“, welches in der Bibliothek der Schule eingerichtet wurde. Hier ein Foto




Überschrieben ist das Plakat mit: Weihnachten in Deutschland
Hinter jedem Bild steht ein kleiner Text geschrieben. Die Texte habe ich zu den Themen Dekoration, Nikolaustag, Weihnachten allgemein, Advent, Adventskalender, Wunschzettel, Backen, Weihnachtsmarkt, Weihnachtsmann und Heilig Abend verfasst.
Auf die Watte habe ich ncoht rote und goldene Sterne angebracht.

In der Freistunde lud mich meine Klassenlehrerin ein, im Weihnachtsmuseum der Schule, einen Vortrag zu selbigem Thema anzuhören. Ich folgte ihrer Einladung.
Schüler hielten Vorträge über die Art Weihnachten zu feiern. Präsentiert wurde dabei Australien, England, Frankreich und Deutschland. Wusstet ihr, dass man in Deutschland den Weihnachtsbaum ausschließlich mit Äpfeln, Nüssen und Spielzeug schmückt? Man lernt doch nie aus ;-)
Anschließend hatte ich Physik. Doch an Stelle Physik sahen wir uns ein Märchen und My Fair Lady (in beiden Fällen von Schülern inszeniert) an. Vor allem My Fair Lady hat mich beeindruckt. Sehr gut gemacht- ich hab' direkt Lust bekommen es mir noch einmal anzusehen! Hier Bilder:



Fazit: "Bisher scheine ich hier einen guten Eindruck hinterlassen zu haben."

Hier ein paar Bilder der dekorierten Schule- schließlich ist hier bald Neujahrsfest.




С Новым Годом! Merry Christmas!
Neujahrsglückwünsche und eine Frohe Weihnacht, als große Plakate über dem Schuleingang.


Mehr Schmuck schien nicht auf den Neujahrsbaum (schließlich feiert man hier kein Weihnachten) draufgepasst zu haben....


Schneekönigin...


Gemütlicher Eingangsbereich der Schule.

In diesem Sinne wünsche ich allen eine frohe, besinnliche Weihnacht. Jetzt skype ich erstmal mit meiner Familie. :)

Ein frohes Fest!



An dieser Stelle noch ein besonderer Gruß an "Tante Pudel". Ich habe gehört, Du liest hier auch mit. (Die betreffende Person wird wissen, dass sie gemeint ist).

Herzlichen Glückwunsch zum 90. Geburtstag!

1 Kommentar:

  1. Hey =)
    find deinen blog klasse :) konnt garnich mehr aufhörn zu lesen^^ Obwohl ihr das in Russland jetzt nicht wirklich feiert: ich wünsch dir auch noch frohe Weihnachtsfeiertage :)
    lg aus Deutschland/Radebeul
    Jason

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