Sonntag, 19. Dezember 2010

Backe, backe Kuchen

Nach der Schule ging es am Samstag ins Restaurant- in das selbe, in welchem ich einst mit Schenja usbekisch essen war. Am Samstag feierten wir dort Lisas Geburtstag. Lisa gab eine Runde Sushi und Eis aus. Es war ein wunderbarer Nachmittag mit den Mädels. Auch hier gibt’s ein Bild zu sehen:
Natscha hasst Fotos...

Den ganzen Sonntag verbrachte ich damit, mir einen Text über Weihnachten in Deutschland aus den Fingern zu saugen und diesen zu übersetzen. Es ist wirklich nicht leicht, Gegenstände, welche es hier nicht zu geben scheint, (Räuchermännchen, Weihnachtsmarkt, Adventskalender usw.), zu übersetzen.
Meinen geschriebenen Text liess ich anschließend von Ksjoscha korrigieren. Wie immer: Grammatik richtig, aber formuliert wird es anders.

Den fertigen und überarbeiteten Text gab ich am Montag der Deutschlehrerin, damit sie überprüfen könne, ob er ihren Vorstellungen entspricht oder ob noch etwas abgeändert werden müsse. Sie nahm ihn entgegen und meinte in einer Stunde solle ich wieder kommen.
Nach vereinbarter Stunde erschien ich in ihrem Klassenzimmer- wie immer begrüßte sie mich mit: „Mein Sonnchen!“ und fuhr fort mit: „Komm rein! Ich habe deinen Text gelesen! Wirklich prima! Ich habe eine Kopie für mich gemacht- ich hoffe das ist in Ordnung?“ Ich bedankte mich und gestand, dass Ksjoscha geholfen habe. Sie lächelte und schien es für unwichtig zu empfinden.

Noch am selben Tag musste ich in Englisch eine kleine Präsentation zum Thema: „Mein Heimatort“ halten. Ein Klacks. Auf Englisch zehn Minuten über meinen Heimatort zu sprechen ist kein Problem. Ich arbeite mit Beamer, wodurch ich meine Präsentation mit Bildern unterstützen konnte. Nach Beendigung meiner Präsentation, sah mich meine Klasse mit großen Augen an. Meine Englischlehrerin meinte: „Wie im Märchen wohnst du da! Die niedlichen Häuschen und so viel Grün!“ Wo sie recht hat, hat sie recht! Je, länger ich hier lebe und jeden Tag Plattenbauten, mit meist grauer Fassade sehe, desto mehr wird mir bewusst, wie schön es in meiner Heimatstadt ist. Wie auch immer- meine Englischlehrerin schrieb mir eine große, geschwungene 5 ins Klassenbuch. Jeha!

Die Temperaturen haben sich mittlerweile bei minus 10°C eingependelt- es schneit oft, dennoch liegt nicht mehr als 20 cm Schnee. Ich höre in den Nachrichten vom Schneechaos in Deutschland und habe mich gleich mal bei Verwandten und Freunden erkundigt. Sogar Schneefrei! Das hätt´ ich auch gern, aber das gibt’s hier vor –35°C nicht. Apropos Winter: Die Winterbekleidung hier ist wirklich anders, als selbige in Deutschland. Es gibt die “normale“ Bekleidung - sprich: Jacke, Bommelmütze und Winterstiefel- und dann gibt es die hier üblichere Variante, welche folgendermaßen zu beschreiben ist:
- Frauen in Pelzmantel oder Jacken mit großem Pelzkragen (hat etwas von eleganten Wildkatzen, wenn sie in ihren Absatzstiefeln über das Eis schweben)
- Pelzmützen
- Glitzerschals
- Männer wie immer die schlichtere Ausgabe- kaum Unterschied zur “normalen“ Bekleidung

Ach und da wir grad bei Ungewöhnlichem sind. Mir ist vor kurzem aufgefallen, dass man hier keine Klassenarbeiten schreibt. Alle Noten sind gleichwertig- das macht das Lernen doch gleich viel entspannter. Es gibt keine Noten, welche den gesamten Notendurchschnitt hinunterziehen können- ergo: Zeugnis besser (theoretisch jedenfalls).
Auch in Geometrie noch eine kleine Besonderheit: Der rechte Winkel wird in Deutschland durch einen Bogen mit einem Punkt gekennzeichnet. Ich hätte nie gedacht, dass es eine andere Bezeichnung dafür gibt. Hier wird der rechte Winkel mit zwei Linien gekennzeichnet, sodass diese und der Winkel ein Quadrat ergeben. Aus Interesse fragte ich die Amerikanerin, wie es in ihrem Land wäre- sie malen auch Kästchen… zwar nebensächlich, aber dennoch interessant- meiner Meinung nach.

Am Donnerstag beschloss ich für meine Gastfamilie Weihnachtsplätzchen zu backen, denn schließlich kennt man diese Tradition hier nicht- geschweige denn wie lecker sie ist. Ich fragte meine Oma nach einem Plätzchenrezept, welches sie mir wunderbarerweise per Mail zukommen liess. Ein Hoch auf moderne Technik und meine Großeltern, welche mit ihr umgehen können!
Nun gut, ich buk also Plätzchen- das war allerdings kniffliger, als zunächst angenommen. In meinem russischen Heim liess sich kein Nudelholz und keine Ausstechformen auftreiben. Nudelholz ist noch beim Mütterchen und Ausstechformen wurden nie gebraucht. Zusammen mit Ksjoscha ging ich Zutaten einkaufen. Zunächst im kleinen Supermarkt und dann im Tante-Emma-Laden um die Ecke. In beiden Geschäften ließen sich keine bunten Streusel und keine Mandeln auftreiben (als Verzierung). Geht auch ohne.
Im russischen Heim begann ich dem Rezept meiner Oma Folge zu leisten. Ksjoscha machte zunächst begeistert mit, aber als Sascha uns besuchte, buk ich allein weiter.
Allen (Gastmutter, Dascha, Sascha, Ksjoscha, „Oma“) schmeckten die Plätzchen. Hier Bilder:

Engelchen, Tannenbäumchen, Sterne, Herzen und Kreise- ohne Ausstechformen..
Wenn man keine bunten Streußel o.ä. hat, muss man die Plätzchen eben anders anschaulich gestalten...

Für mein Weihnachtsplakat brauche ich Bilder. Diese habe ich schon- müssen nur noch ausgedruckt werden. Zuhause hätte ich jetzt auf ´nen Knopf gedrückt und meine Bilder entgegengenommen. Hier hat keiner einen Farbdrucker daheim (geschweige denn überhaupt einen Drucker). Nur einer in nächster Umgebung hat einen Farbdrucker: die Direktorin. Im Klartext: am Freitag würde ich das erste mal wirklich mit der Direktorin der Schule, an welcher ich seit fast 4 Monaten lerne, sprechen.
Zunächst musste ich erst mal herausfinden wo sich überhaupt das Direktorat befindet. Ich hatte nicht im geringsten Lust mit dem unsympathischen Menschen auch nur irgendeine Art der Konversation zu führen. Ich liess meine Beziehungen spielen, schließlich musste ich mir was einfallen lassen, denn ich brauche die Farbdrucke und möchte dennoch einen guten Eindruck hinterlassen. (Die Amerikanerin hat es sich bereits mit der Direktorin verscherzt. Die Direktorin kann sie nicht ausstehen und macht daraus kein Geheimnis) Ich fragte zunächst Ksjoscha, ob sie mich nicht begleiten würde, doch sie lehnte ab. Sie ist wirklich eine wunderbare Gastschwester und hilft immer, wenn ich sie um etwas bitte, aber in die Höhle des Löwen würde sie mich nicht begleiten - verständlich. Sie meinte ich solle Sascha fragen, denn schließlich seien seine Mutter und besagte Person befreundet und Sascha hätte somit mehr als nur einen Stein im Brett bei ihr.
Ich suchte Sascha in der darauf folgenden Pause auf und überfiel ihn mit einem flehenden Schwall an Worten und Hundeblick. Seine Antwort: „Klar.“ Na das ging ja einfach!
In der nächsten Pause standen wir vor dem Direktorat und warteten- wir hatten bereits geklopft, aber die Person war beschäftigt. Ksjoscha und Lera kamen vorbei und warteten mit uns. Allesamt quatschte ich mit einem Schwall aus Worten zu von „Schwarzweißdrucke sind auch in Ordnung!“ bis „Ich will noch nicht sterben!“
Meine Gastmutter kam vorbei (ist ja Lehrerin an unserer Schule). Sie öffnete die Pforte zur Höhle, wechselte ein paar Worte mit dem Löwen und schob mich anschließend mit den Worten: „Das ist die Deutsche, welche bei uns lebt.“ hinein. Rumms. Tür zu. Allein. Na das lief aber anders, als geplant.
Die Direktorin sah von oben auf mich herab: „Was ist geschehen?“
ich: „Nichts. Ich wollte nur fragen, ob ich farbig drucken dürfte?“
Sie scannte mich prüfend und erwiderte schließlich, mit einer aufgesetzten Miene des Bedauerns: „Leider ist der Drucker kaputt. Er wird bald repariert. Ist das alles?“
Ich: „Ja- wie schade. Dennoch danke. Auf Widersehen.“ In Gedanken hoffte ich, das besagtes Wiedersehen nicht so bald eintreffen würde.
Als ich die Tür hinter mir schloss und einige Schritte mit meinen Freunden gegangen war, rief ich erleichtert: „Ich lebe! Ich lebe!“ Das sorgte natürlich für Gelächter. Farbkopien hatte ich immer noch nicht. Aber ein Weihnachtsplakat ohne Farben, wie rot, gold und grün geht doch nun wirklich nicht…

Ebenfalls ein Tag, welchen ich so schnell nicht vergessen werde, war Samstag. Denn ich bekam meine erste Note in mein Hausaufgabenheft geschrieben. Mündliche- oder Stundennoten werden dort in eine spezielle Spalte eingetragen und vom Lehrer signiert. Ich sagte die Newtonschen Gesetzte, ein paar Formeln und die Darstellung dieser Gesetzte mit Vektoren auf. In der Pause zuvor hatte ich alle um den Verstand gebracht, da ich wie eine Irre alle Gesetzte vor mich hin brabbelte. Ksjoscha meinte nur grinsend: „Wenn du was vergisst, sagst du einfach weiter auf Deutsch auf und fängst an über das Wetter zu quatschen- fällt sowieso keinem auf.“ Na, zum Glück war das nicht nötig, denn ich bekam eine vier, weil ich nur zwei der 3 Gesetze auswendig gelernt hatte- alles andere war richtig. (Übrigens ist das in Deutschland Stoff der 11. Klasse, also gänzlich Neuland für mich) Jeha!
Nach der Schule besuchten wir Ksjoschas Vater und die Gutmütige (andere Oma). Wir unterhielten uns über alles Mögliche. Angefangen bei den Vorteilen mehrere Sprachen zu können und aufhörend bei dem Glauben an Übernatürliches- speziell um Nostradamus, einen Mann, welcher verschiedene Dinge vorhersagte, welche wirklich eintraten. Ihr könnt den Begriff ja mal googeln.
Am späten Abend rief ich meine Mails ab. Mein Vater sendet Grüße und Bilder aus meiner im Schnee versinkenden Heimatstadt- wie ungewohnt. Und da wir grad wieder mal beim Wetter sind: die Temperaturen sind mittlerweile wieder auf –17 abgesunken, aber von solchen Schneebergen, wie bei euch bin ich hier noch weit entfernt. Zumal der Schnee hier von den Straßen mittels kleiner Laster weggekarrt wird.

Liebste Grüße aus Tscheboksary


Fazit: „Seht euch um! Ihr lebt wie im Märchen!“


Ein besonderer Gruß geht an meinen Cousin Valentin, welcher am 18.12. Geburtstag hatte. Alles Gute, jetzt bist du wieder ein Jahr näher an der Rente. :D

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