Freitag, 19. November 2010

Klassenfoto

Diesmal sollte es wirklich ein entspannter Faulenzersonntag werden.
Gegen 9 weckte mich Daschas freudiges Gequieke. Ich schlug die Augen auf und kniff sie gleich wieder zusammen, da mir die erstaunlich warme Morgensonne direkt ins Gesicht schien. So gewärmt von der Sonne lag ich noch ein Stündchen in meinem Bett und schmökerte etwas in „Hamlet“, um meinem künftigen Pflichtlektürestress in Deutschland etwas vorzugreifen.
Als ich an den Frühstückstisch schlurfte und mich dort niederließ, erklärte mir meine Gastmutter sie würde mit Ksjoscha Vorhänge aussuchen gehen, hätte aber Angst Dascha mit zu nehmen, da sie immer noch krank ist. Ich sagte zu auf sie aufpassen zu können.
Als Dascha und ich allein waren, machte ich auf Daschas Wunsch hin, den Film „Bjela Snjeschka“- „Schneewittchen“ (in der Disney Trickfilmversion) an. Auch hier ist die Synchronisation wieder brutal, denn die russische Übersetzung ist ausdruckslos gesprochen und der englische Originalton eindeutig hörbar.
Ich sah mir also mit Dascha einen Film an. Ich selbst war begeistert von Disneyfilmen als kleines Mädchen und wenn ich mir jetzt die Disneyverfilmungen ansehe, muss ich schmunzeln. Denn obwohl Schneewittchen schwarze Haare hat, erinnert sie etwas an Marilyn Monroe bzw. allgemein an eine „Vorzeigfrau“ aus den 60ern.
Als besagte Schönheit - aufgrund zweimaligem Sehenswunsch eines bettelnden Kleinkinds- zweimal errettet wurde, kamen meine Gastmutter und Ksjoscha wieder.
Wir kochten- diesmal deutsch! Im Paket meiner Eltern waren zwei Dosen Sauerkraut und Klöße (nur noch kochen) mit enthalten gewesen, weshalb ich beschloss Klöße mit Sauerkraut und Schweinefleisch zu kochen bzw. zu braten. Ich schnibbelte und brutzelte also vor mich hin. Ksjoscha sah fasziniert dabei zu- es war das erste mal überhaupt dass sie sah, wie man Fleisch brät, da ihre Mama Fleisch nur auf andere Weisen zubereitet. Für mich hingegen war es das erste mal Fleisch nur mit Salz und Zwiebeln würzen zu können, da sich im ganzen Haushalt keine weiteren Gewürze- nicht mal Pfeffer- befinden! Das einzige weitere Gewürz in den meisten Haushalten (neben Salz) ist meistens Mayonnaise. Alles wird damit zubereitet. Auf eine hausgemachte Pizza hier kommt statt Tomtatensoße mit Basilikum schlicht und einfach: Mayonnaise.
Mein deutsches Gericht schmeckte allen sehr gut. Vor allem das Sauerkraut schmeckte allen. Die Klöße lösten interessierte Fragten aus woraus sie denn gemacht wären- aber man wollte auch nicht glau
ben, dass sie zum Teil aus Kartoffeln sind.


Am Dienstag hatten wir Physik. Ich bekam eine 5-! Jeha! Diese Leistung führte dazu, dass die Physiklehrerin der Klasse einen furchteinflößenden Vortrag hielt- es könne schließlich nicht angehen, dass ein nicht Muttersprachler bessere Noten bekäme, als Schüler, welche keine Verständigungsprobleme hätten und sich besagte „faule Socken“ mal auf ihren Hosenboden setzten sollen.
Zu mir hingegen ist sie freundlicher denn je. Wer hätte gedacht, dass eine Schülerin, welche für gewöhnlich wirren Formelsalat errechnet, mit dem einige Wissenschaftler evtl. den Anfang der Apokalypse hervorsagen könnten, mal gute Noten schreibt. Hinzu kommt, dass mir das Thema welches wir zzt. bearbeiten in der Ausführung gänzlich unbekannt ist. Denn wir behandeln gerade krummlinige Bewegung (Ich weiss nicht ob es dafür einen Fachbegriff gibt. Ich habe es einfach übersetzt.)
Und da wir grad' bei streberhaften Leistungen sind, kann ich euch gleich noch von meinen zwei 4en berichten. Eine in Algebra und eine in Geometrie. In Geometrie ist die 4 etwas Besonderes. Die Aufgabe verlangte, dass man anhand bestimmter gegebener Werte beweist, dass Dreiecke bzw. bestimmte Elemente zweier Dreiecke, gleich sind. Das Ganze ohne Rechnung, nur mittels erlernten geometrischen Gesetzen. Von mir verlangten die Aufgaben jedoch etwas mehr, als das. Immerhin musste ich Aufgabenstellung und Merksatz verstehen und den verlangten Beweis noch zu Papier bringen. Also wiedereinmal :Jeha!

Am Mittwoch ging Dascha das erste mal seit einem Monat wieder zum Kindergarten. Einen ganzen Monat war sie permanent zu Hause gewesen, da sie erst die Windpocken und dann eine Erkältung hatte. Im Klartext bedeutete das für uns: abgesehen von Schule jeden Tag mit Dascha… anstrengend ist da noch schmeichelnd formuliert.

Am Freitag ging ich nach der Schule mit der Englischlehrerin (und YFU- Freiwilligen) mein Visum abholen. Auf dem Weg zur Behörde unterhielten wir uns. Sie fragte mich, ob ich Fortschritte mache und wie ich in meiner Familie zurechtkomme. Ich antwortete, dass ich bedauerlicherweise keine Fortschritte bemerke- im Gegensatz zu den anderen Austauschlern, welche mittlerweile wesentlich besser sprechen als am Anfang. In meiner Gastfamilie komme ich immer noch bestens zurecht.
Wir unterhielten uns auch über den russischen Winter. Sie beruhigte mich und meinte,-40°C seien selten hier. Es reden nur alle davon, da bei solchen Temperaturen keine Schule stattfindet und deshalb alle auf ihr Eintreten hoffen. Ein Winter verfüge hier für gewöhnlich über Temperaturen von –25 bis –30°C. Das sind doch mal erfreuliche Neuigkeiten….
Wir holten mein Visum ab. Es ist bis Oktober ausgestellt, aber ich werde wohl eher abreisen- wann genau, weiss ich selbst noch nicht.



Das Klassenfoto ist nun auch fertig. Ich habe die Gesichter etwas verwischt- nur Personen von welchen ich mit Sicherheit weiss, dass sie ein Bild von sich in meinem Blog gestatten.
Links unten ist die Schule zu sehen.
Rechts ein Bild von mir, wie ich mich zum 1. September, vor versammelter Mannschaft, vorgestellt habe. (Also wird mich hier niemand vergessen, da die kleinen Bildchen auf jedem Klassenfoto abgedruckt sind)
Und ein Bild von dem Mädchen, welches das neue Schuljahr einläutet (mit den riesigen, an Mickey Mouse erinnernden Schleifen im Haar- als weißer Umriss wahrnehmbar)
Ach und ich bin übrigens in der Mitte ganz hinten. Auffällig groß- alle anderen Mädchen, welche meine Körpergröße besitzen tragen Absatzschuhe. Hier sieht man auch mal die Schuluniform.

Fazit: Sauerkraut mit Klößen kann man auch an der Wolga essen.

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