Am Donnerstag dem 04.11.2010 war hier Feiertag- um genau zu sein „Tag der Einheit des Volkes“. Niemand musste arbeiten- wiedereinmal Schülerpech, wenn ein Feiertag in die Ferienzeit fällt.
Wir wurden zum Essen beim Mütterchen eingeladen. Ein nicht weiter spektakuläres Familienzusammenkommen. Man aß viel und redete. Meine Gasteltern verabschiedeten sich nach dem Essen und verließen gemeinsam die Wohnung. Auch Ksjoscha und ich verabschiedeten uns bald darauf und machten uns auf den Heimweg. Dascha blieb beim Mütterchen.
Sascha kam zu Besuch. Ich verkrümelte mich in die Küche, sah russisches Fernsehprogramm und liess die beiden in Ruhe.
Als Ksjoschas Mutter und ihr Mann am Abend die Wohnung betraten, rief mein Gastvater: „Na wo ist denn der Kavalier?“ Mit seinem gewohnten Grinsen begrüßte er Sascha- die beiden kennen sich bereits. Seit der Ankunft meines Gastvaters weht hier ein anderer Wind- ein positiverer. Meine Gastmutter ist fröhlich und Dascha sowieso. Mein Gastvater scherzt oft. Er ist übrigens auch sehr spendabel. So kann sich Dascha über eine neue Jacke, Mütze, Strickjacke, Handtasche, meine Gastmutter über zwei Kleider, Schmuck, Parfum, neues Handy, neue Winterjacke und Ksjoscha über Schmuck und bezahltes Internet freuen. Krass! Er begründete alles mit einer Redensart unter Männern: „Wenn du kein Geld hast, bleib' zu Hause!“ Russische Männer scheinen wirklich gern zu schenken- auch Sascha überhäuft Ksjoscha mit Schmuck und sonstigen Accessoires.
Am Freitag war ich Schuhe kaufen mit Natascha. Meine Chucks fallen langsam auseinander und die Ugi sind so warm, dass ich die nicht bei matschigem Herbstwetter mit gelegentlichem Schneefall tragen kann. Wir trafen uns an der „Mega Moll“. Dort kaufte ich zunächst ein Geburtstagsgeschenk für Ksjoscha (welches ich noch nicht verrate, da sie diesen Blog lesen könnte). Dann liefen Natascha und ich etwas ziellos durch die 5 etagige "Mega Moll" auf der Suche nach ein paar Schuhen, welche nicht 5000 Rubel (ca. 130 Euro) kosten. Da wir natürlich nicht stillschweigend nebeneinander her stiefelten, erzählte mir Natascha etwas, was ich durchaus erwähnenswert finde. Sie meinte: „Ihr habt solche coolen Omas in Deutschland!“ Ich lachte- das ist mir ,seit ich hier bin, auch schon aufgefallen. Der Begriff „Mütterchen“ wird hier gelebt. Eine Oma ist hier eine kleine, gekrümmte Frau, welcher das Alter anzusehen ist. Ein Kopftuch, großer Anorak, langer Rock , sowie dicke Wollstrümpfe, welche aus seltsam ausgelatschten Schuhen ragen sind verallgemeinert ihre Kleidung. Natascha war mal in Deutschland und meinte weiter: „Eure Omas! Zurechtgemacht – alle sehen aus wie 50!“ An dieser Stelle wieder einen lieben Gruß an meine coolen, zurechtgemachten Großeltern und auch an Natascha, welche meinen Blog verfolgt.
Anschließend gings wieder zum Sport. Die Übungen sind so kompliziert, dass selbst die Trainerin auf dem Monitor ab und zu ins stolpern kommt!
Ich war frisch geduscht und saß im bequemen Jogginganzug und mit nassen Haaren im Zimmer, als mein Gastvater fragte, ob Ksjoscha und ich mit ins Kino kämen. Ksjoscha rief: „Ja!“ Er darauf hin: „Gut dann beeilt euch in einer halben Stunde fängt der Film an!“
Ich hastete zum Fön, stolperte in meine Klamotten und hoffte mit „vorzeigbar machen“ fertig zu sein, bevor man anfangen müsste mich zu ermahnen.
Zehn Minuten später waren meine Haare trocken und hochgesteckt und ich trug vorzeigbare Kleidung. Rekord! Ich selbst wusste nicht, dass ich so schnell sein kann! Ich war früher fertig als meine Gastfamilie.
Mit einem Taxi fuhren wir zum Kino. Auch dieses Taxi hob sich, durch einen Steinschlag, welcher fast die gesamte Windschutzscheibe durchquerte, von allen mir bisher bekannten Taxis ab.
Während der Fahrt erklärte mir mein Gastvater, worum der Film gehen würde: um den 2. Weltkrieg. Um genau zu sein um die Festung Brest, welche 1941 von deutschen Truppen eingenommen wurde. Jeha! Als ob einem dieser Teil der deutschen Geschichte nicht so schon unangenehm wäre…
Eine makabere Situation wie sie im Buche steht. Deutsche sitzt zwischen Russen und schaut sich einen Film an, in welchem das Wüten und Abgemetzel der nationalsozialistischen Truppen zu sehen ist. Der Film hat- soweit ich das beurteilen kann- nichts verfälscht dargestellt. Es ist bei weitem nicht der erste Film, welchen ich zum Thema 2. Weltkrieg sehe, aber dennoch war es eine neue Erfahrung. Ich habe bisher nur Filme gesehen, wie andere Truppen in Deutschland wüteten, aber nie, wie die deutschen Truppen vorgingen. Insgesamt ein guter Film- wenn auch sehr brutal.
Meine Gastmutter meinte nach Ende des Films: „Fu! Ich mag solche schweren Filme nicht!“ Dann sah sie mich an „Mein Mann hatte Angst dich mit ins Kino zu nehmen.“
Ich: „Wieso?“ dabei sah ich zu ihm.
Er: „Ich habe Angst du verstehst es so, als ob alle Russen Deutsche hassen und wir dir deshalb den Film gezeigt haben.“
Ich schmunzelte: „Das ist Geschichte! Das war so- wichtig ist nur das es momentan nicht so ist und nicht wieder so wird!“
Mein Gastvater lächelte erleichtert.
Er: „Der Film kam zum Feiertag „der Einheit des Volkes“ in die Kinos- wir wollten ihn uns einfach ansehen- wie gesagt ich hoffe du verstehst es nicht falsch…“
Wieder beruhigte ich ihn. Wir führten anschließend ein Gespräch über den zweiten Weltkrieg und die Situation innerhalb der beteiligten Länder heute. Bzw. er erzählte und wenn ich etwas verstand trug ich etwas zum Thema bei. Wieder mal eine bereichernde Erfahrung, welche ich hier sammeln durfte.
Der Samstag war ein ruhiger Tag. Ich skypte mit meinen Eltern. Leider ist mein Internet wirklich schrecklich langsam, sodass die Verbindung zwischendurch abbrach oder stockte. Dennoch scheint es zu Hause allen gut zu gehen- und es tut sehr gut das zu hören.
Hier ist auch alles super. :)
Fazit: „ 70 Jahre vergingen und noch immer ist der Krieg ein heikles Thema. 70 Jahre vergingen und einem einstigen Feind ist es nun möglich, glücklich auf russischem Boden zu leben und Freunde zu finden.“
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