Samstag, 5. Februar 2011

Die heilige Quelle

Am Sonntag rief Xjuschas Vater an und lud seine Tochter und mich ein, mit ihm und seiner Frau an die Wolga zu fahren. Wir sagten natürlich zu. Aber selbstverständlich kommt alles etwas anders als geplant, denn als das Auto abholbereit vor der Tür stand, war bereits leichter Nebel gefolgt von Schneefall aufgezogen. Xjuschas Vater änderte seine Pläne, denn er hatte Angst wir würden uns verirren auf der breiten, zugefrorenen Wolga.
So fuhren wir ins Ungewisse - das heißt: alle wussten wohin die Reise geht, nur ich nicht. Als ich nachfragte, grinste Xjuscha mich geheimnisvoll an und meinte: „Das wirst du schon sehen…“ Wir fuhren durch kleine, märchenhafte Dörfchen und waren nach ca. einer Stunde Fahrt am Ziel: „die heilige Quelle“
Wir stiegen aus. Soweit das Auge reichte, schneebedeckte Felder. Ich ließ meinen Blick weiter gleiten und erblickte schließlich unser Ziel. Wir liefen zu dem Häuschen. Unterwegs erklärte mir Xjuscha, warum ausgerechnet diese Quelle heilig ist: sie friert nicht zu. Ich dachte nun an so etwas wie eine heiße Quelle, doch als wir an dem Bächlein ankamen, dampfte es nicht, wie es sich für eine heiße Quelle in Kombination der kalten Außentemperaturen gehört. Xjuschas Vater füllte nun Quellwasser in eine Plastikflasche ab. Auch wir füllten unsere mitgenommene Flasche. Nach überliefertem Glauben ist dieses Wasser heilig und hilft auch Krankheiten zu mildern.
An diesem heiligen Ort befanden sich noch drei kleine Becken (eins Außen und zwei in einem Holzhäuschen), welche mit besagtem Wasser gefüllt waren. Hier, so erklärte man mir, könne man sich von aller Schuld rein waschen.
Ob nun heiliges Wasser oder nicht - es ist schon sehr faszinierend, warum das Wasser trotz –10°C Außentemperatur nicht zufriert. Jeder berührte nun das Quellwasser. Es war kalt - bestimmt bloß 5°C …
Zu einem heiligen Ort gehört natürlich auch ein religiöses Gebäude und so befand sich unweit der Quelle, auf einem Hügel, eine kleine Kathedrale. Xjuscha und ich kraxelten den Hügel hinauf, machten ein paar Fotos und stellten enttäuscht fest, dass die Kathedrale geschlossen war.
Hier Bilder vom Ausflug:



An so einem Ort gibt es natürlich jede Menge Verbote und Richtlinen. Hier also das Hinweisschild. (das übliche: nicht rauchen, trinken, fluchen, laut lachen, laut reden, anzügliche Kleidung, Müll ordnungsgemäß entsorgen usw.)





In diesem Häuschen sind noch zwei Becken




Die Quelle




Kathedrale




Kathedrale und ich



Ich...





Fröhliches Baden *bibber*





Alles in allem waren wir nicht sehr lange an der Quelle, sodass Xjuschas Vater beschloss auf dem Rückweg einen Abstecher zur Wolga zu machen. Ehrlich, hätte mir mal jemand gesagt, dass die Wolga direkt vor meiner Nase fließt, wäre ich schon längst mal selbst dahin gefahren… sie ist wirklich sehr breit - aber das andere Ufer ist noch erkennbar. Hier, am Ufer der Wolga gibt es auch einen Platz, an welchem Verliebte ihre Namen hinschreiben - oder sagen wir besser: kritzeln. Bilder:


Die Wolga.(Ich werde wohl noch einmal hingehen) Darauf fuhren sogar einige Ski! Übrigens ist hier Eisangeln ein beliebtes Hobby - vorallem bei Rentnern. Es ist nicht unüblich ältere Herren mit Esbohrer und Angelrute im Trolleybus anzutreffen.




Liebesschwüre - das gesamte Geländer ist mit diesen "verziert"

Bei uns geht zzt. die Grippe um. Jedenfalls gibt es hier bereits so viele Krankheitsfälle, dass einige Schulen kurzzeitig geschlossen wurden - leider trifft das nicht für meine Schule zu - wäre ja auch zu schön gewesen frei zu haben…

Dienstagabend sahen Xjuscha und ich wieder einen Film an, welcher sowohl hier als auch in Deutschland sehr bekannt ist: „Zweiohrkücken“ bzw. auf Russisch „Schönling“. Wer hätte gedacht, dass ich den deutschen Kinofilm, welcher bei uns den gesamten Sommer in den Kinos auf und ab gespielt wurde, das erste Mal auf Russisch in Russland sehen würde. Wie auch immer: Der Film ist super, aber Teil eins gefällt mir besser.

Übrigens, da ich aufgehört habe zum Training zu gehen, mache ich jetzt drei mal die Woche eine Stunde Seilspringen. Da ich nicht ganz ohne Hobby auskommen will, habe ich am Donnerstag beschlossen mir eine Art Lebenstraum zu erfüllen: Bauchtanz. Gleich um die Ecke gibt es hier eine Tanzschule, welche „östliche Tänze“ unterrichtet. Am Donnerstag nahm ich an meiner ersten Tanzstunde teil und bin hellauf begeistert. Auch dort scheint noch keiner bemerkt zu haben, dass ich Ausländerin bin, und das obwohl ich mich mit einigen Frauen unterhalten habe (zwecks Tanzkleidung, Kosten und Spaßfaktor). Als die Anwesenheitsliste herumgereicht wurde und ich meinen Namen eintrug, meinte eine Frau: „Wie ist ihr Nachname? Schreiben sie bitte ordentlich!“ Tja… ich habe ordentlich geschrieben, aber ein deutscher Nachname ist eben ungewöhnlich. Ich bin mal gespannt wie lange ich „inkognito“ dem Tanzen beiwohnen kann.

Nach der Schule bat ich Natascha mich auf „den Markt“ zu begleiten. „Der Markt“ : das ist der einzige Ort, an welchem man hier wunderbar rasselnde Bauchtanztücher bekommt und wenn ich schon tanze, dann will ich auch rasseln. Der einzige Haken an der Sache: „den Markt“ muss man sich wie einen von unseren asiatisch dominierten Märkten vorstellen. Aufdringliche Verkäufer, man wird leicht übers Ohr gehauen und allein geh' ich da sowieso ungern hin.
Also zogen Natascha und ich am Samstag los, um mir ein Tuch zu kaufen. Nataschas gute Laune blieb unverändert aufheiternd, obwohl sie gestand, dass sie den Ort genau so unangenehm empfindet wie ich.
Wir wurden recht bald fündig. Ich kaufte ein schwarzes, rasselndes Tuch und handelte sogar noch Preisnachlass aus, da ich vorgab es handele sich hierbei um schlechte Qualität - dabei ist die Qualität des Tuches gut für einen Preis von 7 Euro. Außerdem kaufte ich noch ein Mitbringsel für meine Mutter - ich weiß es sind noch 5 Monate, bis ich zurück nach Deutschland fliege, aber gemäß deutscher Planungswütigkeit beginne ich lieber zu früh, als zu spät Mitbringsel zusammen zu suchen. (Mama, wenn du das liest: Nä nä, ich sag dir nicht was du bekommst! Hier ein Tipp: Es ist echt russisch und du hast es dir vor längerer Zeit mal gewünscht und mittlerweile bestimmt wieder vergessen…)
Anschließend fuhr ich in einer Marschrutka zur Wohnung.

Das Wochenende werden wir vermutlich verplempern.

Mein Vater sprach mich neulich zum Thema Ladenöffnungszeiten an. Da ist mir aufgefallen, dass ich euch noch gar nicht erzählt habe, dass hier ein Geschäft 24 Stunden 365 Tage im Jahr geöffnet haben kann. Mit ausnahmen einiger Feiertage hängt es ausschließlich vom Besitzer ab, wann das Geschäft geöffnet hat. Man kann also noch Sonntagabends einkaufen gehen- super!!

Noch eine Besonderheit: Internet bezahlt man hier an einem Automaten. Dazu gibt man seine IP- Adresse ein, füttert den Automaten mit Geld und freut sich über seine ewig langsame Internetverbindung- dennoch: eine Internetverbindung ist besser, als keine.
Hier Bild:




Fazit: "Die Wolga ist nur 25 min.Trolleybusfahrt entfernt, also werde ich noch einmal Bilder machen gehen."

2 Kommentare:

  1. Hi :)
    Ich mach nächstes Jahr ein Auslandsjahr in Russland. Und jetzt, so in letzter Zeit, hab ich doch Zweifel, dass ich das packe.
    Wie ist das mit Russisch, ich hab zwar schon seit der 1. Klasse Russisch, aber können tu ich vllt die Konjugation und Deklination!
    Können die Russen dort, wo du bist, Englisch?
    Wie gefällt es dir dort?

    Lg, Hannah
    P.S. Schöner Blog :) :)
    P.P.S. Mit welcher Organisation bist du da?

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  2. Hi Hannah,

    es freut mich, dass dir mein Blog gefällt. Ebenfalls klasse finde ich, dass du dich für ein Austauschjahr in Russland entschlossen hast!

    Mit dem Russisch lernen ist das so eine Sache. Das Völkchen hier ist super freundlich und aufgeschlossen, also sobald klar ist das du Austauschler bist darf man sogar nur Vokablen aneinander reihen und man wird dennoch verstanden (wenn auch mit Mühe ;-))
    Russisch perfekt zu erlernen ist allerdings mit dem Erlernen von Chinesisch gleich zu setzten-obwohl das vermutl. etwas vond er Begabung eines Menschens abhängt. Ich habe von einem Jungen gehört, welcher ein Jahr in China verbrachte und Chinesisch fließend erlernte. Danach war er ebenfalls ein Jahr in Russland und konnte hinterher nicht fließend Russisch sprechen.
    Im Gegensatz dazu spricht die Italienerin, welche ohne jegliche Sprachkenntnisse angereist war, mittlerweile gut Russisch.

    Ja, die "Schülergeneration" lernt hier Englisch seit der 1. Klasse-allerdings ist der Akzent sehr gewöhnungsbedürftig. Erwachsene können sehr, sehr selten Englisch. Es kommt sowieso viel besser an, wenn du gleich versuchst Russisch zu sprechen :).

    Ob es mir hier gefällt? Ja, sehr! Es ist allerdings ein ganz anderes Leben, als jenes, welches ich in Deutschland führte. Das Leben hier ist einfacher- man lebt in den Tag hinein und vorallem spontan. Wie du sicherlich schon gelesen hast ist Essen hier ein wichtiger Teil der Kultur. Vorallem am Anfang würde ich dir raten alles zu kosten und höflicher Weise anzu nehmen (allerdings nicht "überfressen"- das passiert hier schnell :D). Such dir also am besten irgend einen Sport. Wenn deine Gastfamilie dann verstanden hat, dass du ein lieber Mensch bist und keinen kränken möchtest, gibt es auch kein großes Theater mehr, wenn du sagst, dass du satt bist.
    Ansosnten kann ich sagen: Entspann dich- alles wird (Все будет) Wie das allgemeine Lebensmotto hier ist!

    Ich hoffe, ich konnte weiter helfen.

    Lotte

    PS.: Organisatin: YFU (Youth for Understandig)

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