Sonntag, 13. März 2011

Kölle Alaaf?

Ausschlafen. Den Tag verpennen. Zumindest hätte ein freier Tag bei mir in Deutschland so ausgesehen. Hier schlurfte ich bereits 8 Uhr an den Frühstückstisch, da Dascha fröhlich auf eine Trommel einschlug und laut sang (nun, sagen wir: schrie).
Den gesamten Montag verbrachten wir beim Mütterchen, machten Essen, aßen, sahen fern und plauderten.
Abends gingen meine Gastmutter, Dascha und ich noch Einkäufe erledigen. Meine russische Mutter hatte mich gebeten eine Torte zu backen, denn am nächsten Tag war weltweiter Frauentag. Wenn ich schon gebeten werde eine Torte zu backen, dann sollte es schon eine deutsche sein. Die einzige deutsche Torte, welche mir einfiel: Schwarzwälder Kirschtorte. Meine Großtante hatte diese mal in einer kleineren Ausgabe gebacken, also setzte ich mich vor über einer Woche mit ihr in Kontakt und entlockte ihr das Rezept. Seit besagter Woche klappern meine Gastmutter und ich nun Geschäfte ab. Versucht mal eine deutsche Torte in Russland zu backen - es verlangt viel Improvisation:
- Weizenstärke kennt man nicht - gut nehmen wir also Kartoffelstärke
- Runde Backformen, mit abnehmbaren Rand (für einfaches herauslösen der Torte samt Belag) haben wir in keinem Geschäft gefunden. Ich bastelte also eine herausnehmbare Form in der Backform, um den Tortenboden samt Füllung unversehrt heraus heben zu können.
- Kirschen im eigenen Saft (z.B.: im Glas) gibt es nicht. Auch Sauerkirschsaft gibt es nicht. Also nahm ich eingefrorene Kirschen, entsteinte sie per Hand und fügte Süßkirschsaft hinzu.
- Schlagsahne. So viele Umstände wegen Sahne, welche man selbst schlagen kann. Nirgends gab es dieses für mich so gewöhnliche Lebensmittel. Doch schließlich wurde ich im EuroSpar fündig.

Noch am selben Abend begann ich die Torte zu backen, damit die Füllung über Nacht fest werden konnte.

Dienstag war dann also weltweiter Frauentag. An diesem Tag machen hier ausnahmsweise mal die Männer das Essen und überraschen ihre Lieben mit ach so unerwarteten Pralinen und Blümchen. Da aber der Mann meiner Gastmutter weit weg lebt, sind wir ein reiner Frauenhaushalt und die ganze Arbeit blieb wieder an uns kleben. Wenigstens rief ihr Mann an und gratulierte allen zum Frauentag.
Nach dem Frühstück schloss ich die Arbeiten an der Torte ab und war, mit dem rein optischen Ergebnis, durchaus zufrieden.
Gegen um eins kam Sascha - er würde heute Sushi für uns machen. Er betrat die Wohnung und schenkte meiner Gastmutter und mir eine gelbe Rose zum Festtag - seine Angebetete bekam eine rosafarbene Rose.
Wir schnippelten, kochten, rollten (Sushi) also weiter, denn es hatten sich Gäste angekündigt. Gegen zwei sollten die „Oma“ und ihr Lebensgefährte zu Besuch kommen; zumindest in der Theorie. Eine Viertelstunde vor um drei waren sie dann auch in der Praxis eingetroffen. (Verspätung ist hier normal und nicht weiter schlimm) Wir begaben uns zu Tisch und aßen. Die Torte ist wunderbar gelungen und wurde für „großartig, luftig, fruchtig und ausgezeichnet“ befunden. Meine Gastmutter bat mich sofort an Daschas Geburtstag wieder zu backen. Hihi. Die Torte war aber auch lecker! Danke noch mal, an die ausgezeichnete Hobbykonditorin, welche mir das Rezept gab. :)
Xjuschas Bruder ließ sich am späteren Abend blicken, auch er befand meine Torte für sehr lecker und machte große Augen, als er erfuhr, dass ich sie allein gebacken habe. Wir haben ihn übrigens seit Neujahr nicht mehr gesehen, da er mit Schenja nach Wolgograd verreist war, um dort ein eigenes Unternehmen zu gründen. Nach einem Monat wurden sie bereits von Konkurrenten überfallen und so verzögerten sich die Formalitäten und seine Rückkehr etwas. Übrigens: Es ist schon seltsam, wenn man sagen kann: „Ich habe ihn seit zwei Monaten nicht gesehen.“ Denn das wiederum verdeutlicht, wie groß der Zeitraum geworden ist, welchen ich hier schon verbringe.
Torte und Sushi




Lotte und Torte



In der Schule ist mittlerweile Zickenkrieg bzw. albernes Pubertätsgehabe ausgebrochen. Ich war so froh, als das Lästergehabe in Deutschland gegen Ende der 10. Klasse endlich ein Ende hatte, und jetzt das ganze noch mal - nur verschärft. Es ist wie in einer schlechten Comedy:
Die Mädels meiner Klasse haben Xjuscha und Lera nicht zum professionellen Fotoshooting eingeladen. Und nun reden beide Seiten nicht mehr miteinander und hecken Rachefeldzüge aus. Schrecklich. Ich halte mich da raus. Nicht mein Krieg. Da bin ich schon rausgewachsen…

Das erinnert mich übrigens an eine ähnliche Begebenheit während meines 10tägigen St. Petersburg-Austausches, als ich 15 war. Wieder wie eine schlechte Comedy:

Dascha und Mascha waren verliebt in Mischa. Dascha und Mascha waren einst Freundinnen und konnten sich nun aber nicht mehr ausstehen. Mischa musste sich entscheiden. Er entschied sich für Dascha. Mascha war kreuzunglücklich und sprach mit beiden kein Wort mehr. Auch Dascha redete nicht mehr mit Mischa, da Mischa schließlich ihre Freundin, Mascha, verletzt hatte, in dem er sie, Dascha, ausgewählt hatte.

- ohne Worte -


Da am Donnerstag die Probeexamen der 9. Klasse stattfanden, tuckerte ich nur wegen einer Russischstunde zur Schule. In der Pause fing mich die Englischlehrerin (und YFU- Freiwillige) ab und meinte: „Morgen kommt eine Reporterin und befragt dich. Komm also bitte nach der zweiten Stunde in mein Kabinett!“ Ich bin ganz ruhig…nichts kann mich stören… klasse… Interview auf Russisch… in diesem Moment war mein Kopf zu aussagefähigeren Gedanken nicht in der Lage.
Am nächsten Tag fand ich mich also in ihrem Kabinett ein. Ich war seltsam entspannt, denn schließlich glaubte ich das Interview würde maximal die Pause beanspruchen. Man stellte sich gegenseitig vor und nahm am gedeckten Teetisch platz. Die Reporterin ist eine nette, kleine, schlanke Frau mit braunen Haaren, im Alter von ca. 40 Jahren. Sie interviewt jedes Jahr die Austauschschüler dieser Schule. Noch vor Beginn des Interviews lobte die Englischlehrerin meine größtenteils akzentfreien Russischkenntnisse in den Himmel. Die zufällig anwesenden Lehrerinnen stimmten eifrig zu und ergänzten noch:
„Die Amerikanerin war wirklich eine verwöhnte Göre! Du bist da schon eher eine von uns!“
Vielen Dank. Dennoch mag ich es nicht, wenn meine Fähigkeiten, vor Fremden, gepriesen werden, da ich dadurch unter Druck gesetzt werde dies zu beweisen und ich weiß, dass ich noch häufig Fehler mache. Die Englischlehrerin schien meine Gedanken zu lesen und meinte: „Sie selbst glaubt natürlich nicht, dass sie gut Russisch kann.“ Ich grinste verlegen. Die Reporterin öffnete den Notizblock und schaltete das Diktiergerät ein. So viele Fragen. Standardfragen und völlig neue:

Warum bist du in Russland?
Wieso hast du dich damals entschieden Russisch zu lernen?
Welchen Beruf willst du mal ausüben?
Was gefällt dir/ nicht?
Stimmt es, dass man russische Touristen sofort erkennt? Woran?
Was ist hier dein Lieblingsessen?
Vermisst du jemanden/ etwas?
Was liest du?
Deine Hobbies ?
Freunde ?
Und du glaubst wirklich schlecht Russisch zu können?? Als sie das sagte, grinste sie mich ungläubig an….
Usw.

Nach über 60 Minuten fühlte ich mich wie ein Schweizer Käse. Durch die ganze Fragerei habe ich völlig vergessen wie die Zeitung heißt, für welche sie schreibt. Ich werde noch mal nachfragen.

Nach der Schule machte ich Schokopudding. Ich habe vor kurzer Zeit festgestellt, dass man diese Süßspeise hier nicht kennt. Unvorstellbar!! Das muss man natürlich sofort ändern - ist nur etwas schwierig, wenn man nicht mal eben Puddingpulver kaufen kann, da dieses hier durch Abwesenheit glänzt. Wiedereinmal fragte ich bei meiner Großtante nach. Sie antwortete. Ich kochte.
Am Abend probierten meine Gastmutter, Xjuscha, die „Oma und ihr Lebensgefährte meinen Schokopudding mit Bananenstückchen. Sie waren begeistert. Die zweifelnden Gesichter beim Anblick des braunen Wackelzeugs waren wirklich niedlich.
Die „Oma“ und ihr Lebensgefährte übernachteten bei uns, da am Samstag wieder jemand auf Dascha aufpassen musste.

Ausschlafen. Den Tag verpennen. Um 7 Uhr saß ich am Frühstückstisch und das obwohl ich wieder nicht zur Schule musste, da die Probeexamen in Russisch geschrieben wurden. Den Tag über las ich, lernte, machte Hausaufgaben und spielte mit Dascha.

Fazit: „Pudding kennt man in Russland nicht.“

PS.: Das Karneval ist, fiel mir erst auf, als meine Mutter mir eine E-Mail schickte in der sie von Pfannkuchen „Helau“ sprach. Dieses Fest feiert man hier nicht - nicht einmal die Kinder.

Und noch ein besonderer Gruß an meinen Opa, welcher gestern Geburtstag hatte. Noch einmal alles Gute! :)

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