Mittwoch, 27. April 2011

Schorschi aus Bayern

Jeden Dienstag und Donnerstag habe ich fantastische Laune, denn an diesen Tagen widme ich mich den orientalischen Tanzkünsten. Unsere Tanzlehrerin versucht uns jetzt einen Tanz beizubringen, welcher nur auf Trommelrhythmus basiert: Anfangs noch durchhaus machbar, doch das Trommeln wurde schneller und schneller, und als sie schließlich von uns verlangte unsere Bäuche oftmals hintereinander „rauszuschlagen“ (nicht einziehenà das Gegenteil) – in der Geschwindigkeit von schnellem Schnipsen (mit den Fingern), auf eine Art und Weise das es auch noch kunstvoll und schön aussieht, lachte sie herzhaft auf und macht unsere verkrampften Gesichtsausdrücke nach.
Nach der Tanzstunde gehe ich immer mit Nastja ein Stück meines Heimweges. Diesmal bat sie mich ihr ein deutsches Lied vorzuspielen. Ich holte meinen Player raus. Seit einer gefühlten Ewigkeit habe ich keine deutsche Musik gehört und hatte demzufolge auch nur noch ein einziges deutsches Lied gespeichert: „Baby du siehst gut aus!“ von Bakkushan. Nastja war hellaufbegeistert (verstand allerdings kein Wort) und sang den gesamten Rückweg seltsamen Wortbrei, welche sie nun als „Deutsch“ bezeichnet.

Daschas Casting fand tatsächlich am Mittwoch statt. Stolz erzählte meine Gastmutter, was passiert war:
Dascha wurde auf ihr schauspielerisches Talent getestet und musste Zwecks dessen Emotionen nachahmen.

„Dascha, zeig mir das du Angst hast- z.B.: vor dem bösen Wolf!“
„Ich habe keine Angst vorm bösen Wolf!“
„Wovor denn dann?“
„Davor, dass Xjuscha mir „Rapunzel“ (Trickfilm) nicht einschaltet…“

Süß! Man war hin und weg gerissen von dem kleinen, quirligen Geschöpf. Allerdings ist sie mit ihren vier Jährchen noch etwas zu jung und wurde somit für nächstes Jahr vermerkt.


Ansonsten liegt eine normale Schulwoche mit Tests und langweiligen Stunden hinter mir. Am Freitag bemerkte Lena, dass nur noch ein Monat Schule zwischen uns und den Sommerferien steht! JEHA! Es ist kaum zu glauben! Immerhin fiel Dienstag Schneeregen und die Temperaturen pendeln um die 5°C!

Erinnert ihr euch noch, dass hier letzte Woche „Tag der russischen Raumfahrt“ war? Passend zum diesem 50jährigen Jahrestag besuchte die zweite Klasse meiner Gastmutter ein Kosmonautenmuseum- ich war für einen Tag wieder Zweitklässlerin :).
Als ich das Klassenzimmer betrat, sprang man mir wieder fröhlich kreischend um den Hals. Dies sorgte für sichtliche Verwunderung bei den Müttern, denn schließlich kommt es selten vor, dass sich mehr als 30 Kinder über die Anwesenheit einer Halbwüchsigen so euphorisch freuen.
Die Kinder, einige Begleitpersonen, die Lehrerin (meine Gastmutter) und eine 17jährige Zweitklässlerin bestiegen den Bus.
Wir fuhren 40 Minuten und kamen schließlich in „Schorschely“, dem Geburtsdorf des tschuwaschischen Kosmonauten, Adrijan Grigorjewitsch Nikolaev, an. Ihr wisst doch sicher, dass dies der 3. Mensch im All war, oder? (Als ich das erste mal das Wort "Schorschely" hörte, erinnerte es mich sehr an den barischen Spitznamen "Schorschi"...)

Nun ja, jedenfalls betraten wir das Museum, welches direkt neben dem Geburtshaus erbaut wurde.


Das Kosmonauten Museum. (Ja, die weiße Substanz im Vordergrund ist Schnee...)








Grins...



Vor Betreten des Museums mussten wir Schuhüberzieher anziehen. Diesmal sind sie aus Stoff. Es ist hier üblich in Museen oder Krankenhäusern Schuhüberzieher zu tragen- einfach um den Dreck nicht breit zu latschen.



Zunächst erzählte uns der Museumsführer von der, für damalige Zeiten, gewöhnlichen Schulzeit Nikolaevs.




An der Tafel steht übrigens das Wort "Anne". In Deutschland ist das ein ganz gewöhnlicher Name- auf Tschuwaschisch und auf Türkisch bedeutet es "Mutter".




Doch das Museum informierte nicht nur über Nikolaev, sondern im allgemeinen über die ersten, und somit berühmtesten, russischen Raumfahrer. So wurde auch über die erste Frau im Weltraum, Walentina Wladimirowna Tereschkowa, informiert.














Kosmonautenanzug- macht nen ziemlich schlaffen... ansosnten nichts auffälliges- oder?













Hier ist es schon auffälliger: der Anzüge sind winzigst! Erstaunt fragte ich den Museumsführer wie groß die Astronauten damals waren. Er meinte: zwischen 1,60 m und 1,70m- auf keinen Fall größer. Tja... da wär ich mit meien 1,73m ungeeignet gewesen...









Weltraumessen. Die hatten sogar Kekse!









Die Kapsel, in welcher sich der Astronaut befand- ebenfalls winzigst. Unvorstellbar...ich hätt Platzangst bekommen! (Die Glasscheibe wurde für Zuschauer eingesetzt- die Kugel war abgeschlossen)









Während des Fluges saß/lag der Astronaut in dem Sessel. Er durfte nicht aufstehen (wie auch, die Kapsel wäre zu klein...). Zu seiner linken befand sich der Fallschirm und ein Trinkschlauch (da trinken in Schwerelosigkeit bekanntlich etwas schwieriger ist). Der braune Hebel rechts ist ein Steuerknüppel und der schwarze Kasten links ist ein Funkgerät. Die einzige Möglichkeit nach "draußen" zu schauen war das runde "Bullauge".













Wie ich bereits erwähnte, wurde das Museum neben dem Geburtshaus des Nikolaev erbaut. Hier also ein Bild des niedlichen Hüttchens.









Grins...









Immerhin zwei Räume hatte das Häuschen aufzuweisen- allerdings lebte man hier zu 7.!





Ein Webstuhl.









Essplatz. Links ist ein Stück Ofen zu sehen. Rechts, zwischen den Fenstern wurden Ikonen aufgestellt. Es scheint üblich zu sein diese heiligen Bildnisse in der Küche aufzustellen, denn auch bei meiner Gastfamilie befinden sie sich dort. Ach und da wir grad bei Ikonen sind: Meine Biologielehrerin ist streng gläubig- vermutlich deshalb auch so fürsorglich und hilfsbereit- naja jedenfalls befinden sich in ihrem Vorbereitsungskabinett (da wo ich immer Tee trinke ;-) ) ca. 42 Ikonen- wenn ich mich nich verzählt hab...













Auch ein Samovar gehörte zur Einrichtung.









Ebenfalls auf dem Museums-/ Geburtshausgelände befindet sich die Grabstätte des Nikolaev. Es wurde extra eine kleine Kapelle errichtet, welche ein Glasdach hat, damit er Aussicht auf das Himmelszelt hat.













Und hier noch Bilder von Schorschely- ein Dorf...













Da erinnert das doch schon eher an Dorf:









Es roch übrigens auch nach Dorf... und sogar ein Hahn krähte...






Den Eintrag zu Ostern und den Ereignissen dieser Woche mache ich etwas später fertig.









Liebste Grüße









Lotte









Ein besondere Grüße gehen an dieser Stelle an Tante Pudel und Tante Rosel.
Tante Rosel wünsche ich nachträglich alles Gute zum 80.! Schade, dass ich deiner Geburstagsfeier nicht bewohnen konnte! Doch ich wurde bereits benachrichtigt, dass es ein mehr als gelungener Besuch in Leipzig war! :)





Tante Pudel gratuliere ich zum "Kauf" des ersten Prototypen meines Buches und möchte mich gleichzeitig bedanken:) DANKE!





(Ja, ich werde über meine Erlebnisse in Russland ein Buch veröffendlichen- allerdings wird dieses erst unmittelbar nach Beendigung meines Austauschjahres herausgegeben.

BESTELLUNGEN WERDEN AB SOFORT ENTGEGENGENOMMEN!

Warum ich ein Buch schreibe? Als ich mich vor mehr als einem Jahr entschloss ein Austauschjahr in Russland zu machen, hätte ich mich sehr darüber gefreut, wenn es ein Buch gegeben hätte, welches mich wenigstens ein bisschen auf das vorbereitet, was mich erwartet. Allerdings scheint es keine Bücher zum Thema "Autauschjahr in Russland"- zu geben. Deshalb entschloss ich mich ein Buch zu schreiben: um allen die Möglichkeit zu geben mehr über Russland, aus der sicht einer 17jährigen Austauschlerin, zu erfahren.)

Sonntag, 17. April 2011

Achtung! Es erfolgt Videoüberwachung!



Am Montag staunte ich nicht schlecht, als ich das Schulgebäude betrat. Der Grund für meine Verwunderung war ein kleiner Aufkleber mit der Aufschrift: „Videoüberwachung“. Die Installation der Überwachungstechnik wurde natürlich nicht unkommentiert gelassen - im Gegenteil - sie sorgte für heftige Diskussionen. Es gibt eigentlich keinen Vorfall von Diebstahl oder Körperverletzung, welcher diese Maßnahme begründen würde. Die Lehrer kommentierten die Neuerung nur mit: „Am besten installiert sie noch Kameras in der Schultoilette…“ Ja, es gibt viele, welche nicht gut auf die Direktorin zu sprechen sind. Es gibt auch viele Gerüchte... naja.


Achtung

Es erfolgt Videoüberwachung




„Tag der Kosmonauten“ war am Dienstag- und zugleich Daschas Geburtstag. Noch bevor Daschul und ihre Mutter sich auf den Weg zum Kindergarten machten, gratulierten wir ihr. Xjuscha schenkte Kinderlipgloss und ein Überraschungsei. Ich schenkte ein sprechendes Plüschtier namens „Luntik“ (=Mondchen; Ein violettes Tier, welches oft beim Sandmann kommt. Es ist auf dem Mond geboren und dann auf die Erde gefallen und erlebt nun viele spannende Abendteuer zusammen mit seinen Freunden (z.B.: Bienen, Grashüpfer, Raupen).).Die nun schon Vierjährige strahlte bis über beide Ohren und stapfte fröhlich aus der Wohnungstür, in Richtung Kindergarten.

Auch Xjuscha und ich folgten kurz darauf ihrem Beispiel und verließen die Wohnung, in Richtung Schule. Als ich die Straße betrat, hätte ich heulen können: Schneeregen. Es ist April! Langsam reicht's mit'm Winter!

Endlich im trockenen Trolleybus sitzend (oh Wunder!) blickte ich auf die Straße. Riesige Plakate mit dem Abbild Juri Gagarins und der Aufschrift „50 Jahre Raumfahrt“ zierten die Straßenseiten. Als der Bus am Denkmal besagtem Raumfahrers vorbeifuhr sah ich, dass man seiner mit Blumen gedacht hat.


Denkmal Juri Gagarins mit Blümchen. (Die Bilder habe ich ein paar Tage später gemacht, da das Wetter besser war)






Denkmal Andrijan Grigirjewitsch Nikolaew - auch mit Blümchen. Er war der dritte Mensch im Weltraum. Geboren wurde er in Tschuwaschien und ist somit ein Volksheld hier (in Tschuwaschien).



Auch in der Schule informierte ein Fernseher im Foyer über die Erfolge der Russischen Raumfahrt - ich wusste gar nicht, dass die erste Frau im All auch eine Russin war…


Die Grundschulklassen gestalteten ein Raketenmuseum




Meiner Meinung nach die beste Rakete! Lecker!! (Aus Pläzchenteig)




Abends kamen die „Oma“ und ihr Lebensgefährte zu Besuch, um Daschenkas Alterungsprozess zu feiern. Ansonsten kam niemand. Das trotzige Kind will ohne Papa nicht feiern. Und ihr Papa bekommt keinen Urlaub. Meine Gastmutter hat die Feier auf Ostern verschoben, in der Hoffnung, dass ihr Mann den Urlaub zugestanden bekommt.


Auch Donnerstag stand die Jüngste der Familie im Mittelpunkt. Der Grund: Im Kindergarten wurde sie zu einem Casting für eine Fernsehserie eingeladen. Dascha hat wirklich schauspielerisches Talent. So hat sie erst vor Kurzem die Hauptrolle im Märchenstück „Kolobok“ = „Der Kloß“ gespielt. Mittwoch werden wir mehr wissen…


Freitag war ich wieder auf der Poststelle. Meine Gastfamilie plant im Sommer zu mir nach Deutschland zu kommen. Nun muss ein Visum beantragt werden und dazu benötigt man eine Einladung aus dem Gastland. Ich war also bei der Post, um die Einladung meines Vaters abzuholen.

Endlich an der Reihe, musste ich eine Empfangsbestätigung ausfüllen. Eigentlich kein Problem, wenn’s da nicht diese kleinen Unklarheiten gäbe… z.B.: Hinschreiben der Passnummer. In meinem Pass habe ich einen Buchstabencode. In meinem Visum eine Nummer. Was hinschreiben? Höflichst bat ich einen freundlich aussehenden Mann um Hilfe. Und an dieser Stelle muss ich sagen: „AAAA ICH LIIIEBE DAS RUSSISCHE VÖLKCHEN!“ Er war sofort sehr liebensgewürzig. Die Menschen hinter mir in der Schlange bekamen nun meine nicht russischen Herkunft mit und halfen mir auch.

Kurz gesagt: Wenn man hier als Ausländern einen um Hilfe bittet, wird man von sechs freundlich grinsenden Menschen umringt, welche einem Rede und Antwort stehen. Im Endeffekt war der Zettel ausgefüllt und ich bekam mein Briefchen. Hihi.


Samstag war ein witziger Tag. Zunächst kam das Mütterchen, um auf Dascha aufzupassen. Wir haben sie bestimmt einen Monat nicht mehr gesehen und als sie dann in der Tür stand, war die Freude sehr groß. Sie rief „Privjeeeet“ „Halloooo“ Und umarmte alle der Reihe nach - auch mich. :)

Danach quälten Xjuscha und ich wieder an einem Samstag zur Schule. Doch in Biologie wurde meine Stimmung, dank Keksen und Tee, wieder aufgeheitert.

Abends kam Sascha zu Besuch. Es würde zu weit gehen euch jetzt die Einzelheiten zu erzählen aber ich kann so viel sagen: Er hat sich in letzter Zeit wie ein Vollidiot aufgeführt und die beiden hatten einiges zu besprechen. Ich flüchtete aus dem Zimmer und liess Xjuscha und Sascha diskutieren.

In der Küche traf ich auf meine Gastmutter die mich sofort verhörte, was zwischen den beiden vorgefallen ist. Schließlich schaltete sie den Fernseher ein. Passenderweise kam ein Lied namens „Scheißkerl“ (pardon… und dann wundert man sich warum ich auf russisch fluchen kann…) Meine Gastmutter und ich sahen uns an. Ich meinte: „Wie passend!“ Und sie: „Da machen wir doch gleich mal etwas lauter!“ Und machte so laut, dass Sascha es zu 100% gehört haben muss. Auch das nächste Lied ließen wir laut („Mir ist alles wurscht“) – Xjuscha hat es bestimmt vernommen.

Meine russische Mutter und ich lachten vergnügt.


Liebste Grüße


Lotte


PS.:


Ich find´die Autos die hier teilweise noch rumfahren so genial!


Ein Auto mit der Aufschrift "Russische Bank" ... ich weiß nicht ob es wirklich noch die Verwendnung eines Bankfahrzeugs hat... :D




Das nenn ich noch nen Auto! :D


Freitag, 8. April 2011

Das letze Schulviertel

Die Ferien liess ich entspannt ausklingen. Ich unternahm etwas mit Freunden, sah fern oder las. Übrigens habe ich „Harry Potter“ erfolgreich beendet. Xjuscha meinte nur: „Ich sag' ja immer: Du bist verrückt! Bist freiwillig nach Russland gekommen und liest hier dann noch Wälzer in einer für dich fremden Sprache…“ Hihi. Ich habe bereits ein neues Buch angefangen „Der alte Mann und das Meer“ von Ernest Hemingway. Natürlich verstehe ich da weit weniger, als bei Harry Potter, aber nach wie vor verstehe ich den Inhalt und erfreue mich über das beim Lesen erzeugte „Kopfkino“.
Nach zwei Monaten skypte ich am Samstag endlich wieder mal mit meinen Eltern. Es ist kaum zu fassen, wie schnell die Zeit vergeht! Eben erst geskypt und schwupp ist wieder ein Monat rum… Am Montag hatte das wunderbare Faulenzerleben ein Ende, als ich mich 8 Uhr morgens in einem Trolleybus, auf dem Weg zur Schule, wiederfand. Hier hat nun das vierte, und damit auch letzte Schulviertel begonnen. Ende Mai sind bereits Sommerferien!! Jeha! Alles verlief wie gewöhnlich: In Algebra bekam ich Vieren, in Englisch Fünfen und in Russisch schwebte wieder ein großes Fragezeichen über meinem Kopf.
Am Donnerstag wurden in der sechsten Klasse Rentenanträge verteilt. Also - da war ich schon etwas verdutzt. Man sah mich gelassen an und meinte, dass mittlerweile die Rentenanträge bereits in der ersten Klasse fertiggestellt werden. Hoppla! Ist das in Deutschland auch so? Hab ich da was verpasst? Übrigens darf man hier bereits zwischen 55 und 60 Jahren in Rente gehen (oder auch nie, wenn man das möchte)! Allerdings muss ich dazu sagen, dass die Rente nicht allzu üppig ausfällt und meist Nebenjobben von Nöten ist.

Liebste Grüße

Lotte

PS: Wetterlage: Tauwetter. Endlich sind die Temperaturen auf 10 Grad angestiegen. Die schweren Winterpelze werden in leichtere Frühlingsmäntel eingetauscht. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und es taut. Es ist eine wahre Freude: Überall steht das Wasser auf den Gehwegen und man muss um Matsch und Wasser tänzeln. Der Grund, warum das Wasser nicht bzw. nur schlecht abfließt? Es gibt keine Abfließgullis an den Straßenrändern, was entweder Seebildung oder Bächlein zur Folge hat.



Ja, hier liegt noch Schnee...





Das wässrig gläznende ist eine Straße.